Leitsatz (amtlich)

1. Das Verlangen des FG, den Zahlungsempfänger zu benennen, ist rechtmäßig, wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Empfänger nicht steuerpflichtig ist oder die Zahlungen ordnungsgemäß versteuert hat.

2. Hat sich der Empfänger lediglich dem Steuerpflichtigen gegenüber bereit erklärt, dessen Mehrsteuern zu zahlen, so sind die Ausgaben des Steuerpflichtigen nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; AO 1977 § 160

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Streitjahren Warengeschäfte auf eigene Rechnung aus. In den Jahren 1972 und 1973 beteiligte er sich außerdem an Warentermingeschäften. Nach Darstellung des Klägers wurden die Warengeschäfte regelmäßig bar abgewickelt. Der Kläger zeichnete diese Geschäfte nicht laufend auf.

Aus den Warengeschäften erzielte der Kläger folgende, anhand der Zahlungseingänge auf seinen privaten Bankkonten ermittelte Einnahmen:

1970 51 080 DM

1971 160 485 DM

1972 221 794 DM

1973 421 737 DM

1974 735 794 DM

1975 499 422 DM

Diesen Einnahmen standen nach Darstellung des Klägers folgende Ausgaben, insbesondere für den Warenerwerb, gegenüber:

1970 48 250 DM

1971 133 766 DM

1972 179 992 DM

1973 325 351 DM

1974 632 351 DM

1975 470 812 DM

Belege über diese Zahlungen legte der Kläger nicht vor. Er lehnte ab, die Empfänger namentlich zu benennen.

Aus den Warentermingeschäften erzielte der Kläger 1972 einen Verlust von 10 939 DM und 1973 einen Gewinn von 52 820 DM.

Diese Feststellungen, die für die Jahre 1970 bis 1973 aufgrund einer Betriebsprüfung getroffen wurden, legte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) der Besteuerung zugrunde und erließ für die Streitjahre, soweit der Kläger noch nicht veranlagt war, erstmalige und im übrigen geänderte Einkommensteuerbescheide sowie entsprechende Gewerbesteuerbescheide, in denen er die für den Warenerwerb geltend gemachten Ausgaben unter Hinweis auf § 205 a der Reichsabgabenordnung (AO) und § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht berücksichtigte.

Einspruch -- bis auf eine Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung für 1973 -- und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung sachlichen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils seiner Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Als Rechtsgrundlage für die Versagung der Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Ausgaben hat das Finanzgericht (FG) zu Recht § 160 AO 1977 herangezogen, da die Ersetzung der Worte "§ 205a der Reichsabgabenordnung" in § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Worte "§ 160 der Abgabenordnung" am 1. Januar 1977 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 54 Nr. 19 und Art. 102 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung -- EGAO 1977 -- vom 14. Dezember 1976, BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694).

2. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, daß das Verlangen des FA, den Empfänger der Zahlungen genau zu benennen, nicht korrekt gestellt worden sei, so hat doch das FG trotz seiner vermeintlichen Bindung an das Auskunftsverlangen des FA den Kläger dazu in rechtlich einwandfreier Weise -- wenn auch erfolglos -- erneut aufgefordert (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i. V. m. § 160 AO 1977).

Nach den Feststellungen des FG besteht kein Anhaltspunkt, daß der oder die Empfänger nicht steuerpflichtig sind oder die Zahlungen ordnungsgemäß versteuert haben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. September 1952 IV 120/52 U, BFHE 56, 716, BStBl III 1952, 275; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Rdnr. 2 zu § 160 AO 1977; vgl. ferner die Begründung zu § 141 des Entwurfs der Abgabenordnung, BT-Drucks. VI/1982 S. 146). Dafür spricht vor allem der Umstand, daß sich nach Darstellung des Klägers die Warenlieferanten selbst bereit erklärt haben sollen, "die in angemessener Weise zu schätzenden Steuern zu zahlen".

3. Die Entscheidung des FG, die Ausgaben des Klägers in voller Höhe steuerlich nicht zu berücksichtigen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Das FG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es Zweck der Ermächtigung des § 160 Satz 1 AO 1977 sei, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, daß der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfaßt, indem der Steuerpflichtige gleichsam als Haftender in Anspruch genommen wird (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1980 I R 148/76, BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333; Tipke/Kruse, a. a. O., Rdnr. 1 zu § 160 AO 1977).

b) Der Einwand des Klägers, daß nicht die gesamte Zahlung beim Empfänger als gewinnerhöhend angesetzt werden könne, weil dieser selbst die Waren habe erwerben müssen, kann nicht überzeugen. Die Herkunft der Ware ist nach den Feststellungen des FG ungewiß. Weder FA, wie der Kläger meint, noch FG waren verpflichtet, bei der Polizei nachzufragen, ob größere Partien von Kakao unterschlagen, gestohlen oder sonstwie abhanden gekommen seien, denn selbst bei negativer Auskunft wäre nicht sicher gewesen, ob und in welcher Höhe der oder die Empfänger der Zahlung und mögliche Vorbesitzer die Waren entgeltlich erworben hätten. Ungewißheiten über die steuerlichen Verhältnisse des unbekannten Empfängers gehen nach dem Zweck der Vorschrift zu Lasten des Steuerpflichtigen (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., Rdnr. 6 zu § 160 AO 1977).

c) Die Ausgaben waren auch nicht aus dem Grunde zu berücksichtigen, weil sich die unbekannten Empfänger nach Darstellung des Klägers bereit erklärt hatten, die durch den Warenverkauf unter Abzug ihrer eigenen Aufwendungen ausgelösten Steuern zu zahlen.

Zwar entspricht es allgemeiner Auffassung (vgl. nur BFH-Urteil vom 5. Mai 1966 IV 37/64, BFHE 86, 339, BStBl III 1966, 518; Kühn/Kutter, Abgabenordnung [AO 1977]/Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., Anm. 4 a. E. zu § 160 AO 1977; Tipke/Kruse, a. a. O., Rdnr. 6 zu § 160 AO 1977; Begründung zu § 21 Ziff. 21 des Steueranpassungsgesetzes, RStBl 1934, 1420), daß es der Zweck des § 160 AO 1977 (früher § 205 a AO) gebietet, die Verhältnisse des unbekannten Empfängers zu berücksichtigen. Steht fest, daß der Empfänger die vom Steuerpflichtigen verausgabten Beträge -- ganz oder teilweise -- versteuert hat, ist diesen Zahlungen Rechnung zu tragen. Durch § 160 AO 1977 soll sichergestellt werden, daß keine Steuerausfälle eintreten; es sollen dem Staat nicht zusätzliche Einnahmen verschafft werden.

Hat sich aber der Empfänger -- wie im vorliegenden Fall -- bislang lediglich zur Steuerzahlung bereit erklärt, so kann auch insoweit von einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen nicht abgesehen werden, weil die Bereitschaft allein den möglichen Steuerausfall nicht verhindert.

d) Schließlich ist dem FG auch darin zuzustimmen, daß die Festsetzung der Steuern, soweit sie die Warengeschäfte des Klägers betreffen, nicht unverhältnismäßig ist. Der Kläger selbst hat durch seine Weigerung, die Empfänger der Zahlungen zu benennen, die Ursache dafür gesetzt, daß ein Steuerausfall in entsprechender Höhe eintreten kann. Es ist angemessen, ihn für diesen möglichen Ausfall einstehen zu lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74711

BStBl II 1983, 654

BFHE 1983, 317

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