Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt sich nachträglich heraus, daß der seit vielen Jahren als Alleinunternehmer aufgetretene und seinen Erklärungen entsprechend veranlagte Steuerpflichtige bürgerlich-rechtlich nur Miterbe einer Erbengemeinschaft war, der das Unternehmen gehörte, so kann für die Vergangenheit keine einheitliche Gewinnfeststellung für die Erbengemeinschaft als Unternehmer durchgeführt werden.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2 Nr. 2; StAnpG § 11 Nr. 4

 

Tatbestand

Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung II/1948, ob der Gewinn aus dem Unternehmen unter den Miterben der Erbengemeinschaft (Klägerin) aufzuteilen oder ob der - während des Revisionsverfahrens verstorbene - Miterbe A, wie es bisher geschehen ist, als Alleinunternehmer anzusehen ist.

Die Ehefrau des Miterben A starb im Jahre 1935. Der Miterbe A lehnte die Fortsetzung der bis dahin bestehenden allgemeinen Gütergemeinschaft mit den Kindern ab. Danach entstand hinsichtlich des Gesamtgutsanteils seiner Ehefrau, zu dem nach den Angaben der Revisionsklägerin auch das Unternehmen gehörte, eine Erbengemeinschaft. Der Miterbe A bezeichnete sich in den bis zum Jahre 1956 abgegebenen Steuererklärungen als dessen alleiniger Inhaber. Das FA sah ihn deshalb bis zu diesem Zeitpunkt als Alleinunternehmer an. Erst im Jahr 1956 gab die Revisionsklägerin dem FA zu erkennen, daß eine Erbengemeinschaft bestehe. Bei einer im Jahre 1956 durchgeführten Betriebsprüfung stellte sie den Antrag, für das Streitjahr und die folgenden Jahre eine einheitliche Gewinnfeststellung durchzuführen und den Gewinn auf die an der Erbengemeinschaft Beteiligten aufzuteilen. Nachdem das FA ohne Beachtung dieses Antrags die Einkommensteuerveranlagung 1953 des Miterben A gemäß § 222 AO berichtigt und A Einspruch und Berufung eingelegt hatten, verwies das Finanzgericht (FG) die Sache zur Entscheidung im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren an das FA. Das FA erließ einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid, worin es den Antrag auf Durchführung einer einheitlichen Gewinnfeststellung für die Jahre II/1948 bis 1953 deshalb ablehnte, weil es annahm, daß die Erbengemeinschaft in diesen Jahren nicht als Mitunternehmerin aufgetreten sei.

Die Klägerin legte gegen diesen Feststellungsbescheid Einspruch und für das Streitjahr II/1948 Sprungberufung ein. Diese blieb ohne Erfolg. Das FG ging im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus. Gewinne aus einem gewerblichen Betrieb seien demjenigen als Einkünfte zuzurechnen, der Unternehmer des gewerblichen Betriebs sei. Unternehmer eines Betriebs sei, wer ihn auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko führe. Erbengemeinschaften seien steuerlich nur dann als Mitunternehmergemeinschaften zu behandeln, wenn sie sich gemeinschaftlich gewerblich betätigten und ihren Willen, das geerbte Geschäft gemeinschaftlich zu betreiben, auch hinreichend bekundeten. Im vorliegenden Fall sei das Unternehmen tatsächlich nicht von einer Mitunternehmergemeinschaft (Personengesellschaft), sondern von dem Miterben A jahrzehntelang, so auch im Streitjahr II/1948, betrieben worden. Dem stehe nicht entgegen, daß die Miterben, falls sie gewußt hätten, daß sie eine Erbengemeinschaft bildeten, den Betrieb als Personengesellschaft geführt hätten. Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung seien die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend.

 

Entscheidungsgründe

Die nach dem Inkrafttreten der FGO (§ 184 FGO) als Revision zu behandelnde Rb. ist unbegründet.

Die Vorentscheidung stellt im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Frage, ob die Erbengemeinschaft oder der Miterbe A als Unternehmer anzusehen ist, zutreffend auf die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse ab. Der Gewinn eines gewerblichen Unternehmens ist steuerlich demjenigen zuzurechnen, der als Unternehmer in Erscheinung tritt, die Erträge vereinnahmt und versteuert (vgl. auch § 11 Nr. 4 StAnpG). An dieser rechtlichen Beurteilung ändert sich nichts, wenn sich wie im Streitfall erst nachträglich herausstellt, daß das Unternehmen zum Vermögen einer ungeteilten Erbengemeinschaft gehörte. Diese nachträgliche Aufklärung der bürgerlich- rechtlichen Rechtslage ist unerheblich, weil A nach dem Tod seiner Ehefrau im guten Glauben jahrzehntelang als Alleininhaber des Betriebs auftrat, ihn das FA seinen Erklärungen entsprechend als Alleininhaber behandelte und ihm die Gewinne zurechnete. In den Betriebsprüfungsberichten der Jahre 1941, 1947 und 1953 wurde A ausdrücklich als alleiniger Inhaber des Unternehmens bezeichnet. Zutreffend weist die Vorentscheidung darauf hin, daß die Miterben erstmals im Jahre 1956 zu erkennen gaben, daß sie dieses in Form einer Mitunternehmerschaft betreiben wollten, und daß die von der Erbengemeinschaft gewollte Rückbeziehung auf den 21. Juni 1948 nicht möglich war. Die nachträglich durchgeführte Aufteilung der Kapitalkonten und Gewinne war lediglich ein rechnerischer Vorgang ohne steuerliche Bedeutung, weil an den tatsächlichen Verhältnissen des Streitjahres II/1948 nichts mehr geändert werden konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412540

BStBl III 1967, 519

BFHE 1967, 18

BFHE 89, 18

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