Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätigkeit bei der Treuhandanstalt als berufspraktische Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung

 

Leitsatz (NV)

Bei einem beurlaubten Beamten einer obersten Bundesbehörde ist auch die Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuern, die er während der Dauer der Beurlaubung bei der Treuhandanstalt abgeleistet hat, als berufspraktische Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung anzuerkennen.

 

Normenkette

StBerG § 38 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung drei Jahre und sechs Monate in der Finanzverwaltung und fünf Jahre und vier Monate im Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) beschäftigt. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß diese Tätigkeiten nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a bzw. Buchst. b des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als Voraussetzungen für die Befreiung des Klägers von der Steuerberaterprüfung zu berücksichtigen sind. Streitig ist, ob der Kläger auch mit der seit dem 15. September 1991 im Angestelltenverhältnis ausgeübten Tätigkeit in der Steuerabteilung der Treuhandanstalt in Berlin bzw. ab 1. Januar 1995 der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) die berufspraktische Voraussetzung (Zehnjahresfrist) für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung erfüllt hat. Für die letztgenannte Tätigkeit ist der Kläger als Beamter vom BMWi beurlaubt worden. Das dienstliche Interesse an der Beurlaubung wurde anerkannt. Die Zeit der Beurlaubung gilt als ruhegehaltsfähige Dienstzeit und als Dienstzeit im Sinne des Laufbahnrechts. Mit Ablauf des 31. August 1995 ist die Beurlaubung aufgehoben worden.

Die Klage des Klägers mit dem Antrag, die beklagte und revisionsbeklagte Finanzbehörde zu verpflichten, in Abänderung ihres ablehnenden Bescheids eine verbindliche Auskunft dergestalt zu erteilen, daß er die Voraussetzungen für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung erfülle, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus:

Die Tätigkeit des Klägers in der Steuerabteilung der Treuhandanstalt sei nicht begünstigt nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG, weil es sich bei dieser rechtsfähigen bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts nicht um eine "andere oberste Behörde des Bundes und der Länder" handelte. Etwas anderes könne nicht deshalb gelten, weil die Treuhandanstalt der Fach- und Rechtsaufsicht durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) unterlag, die diese im Einvernehmen mit dem BMWi und dem jeweils zuständigen Bundesminister wahrzunehmen hatte. Daß der Kläger noch immer Beamter des BMWi sei, gereiche ihm nicht zum Vorteil. Denn dieses Dienstverhältnis ruhe kraft der befristet ausgesprochenen Beurlaubung ohne Bezüge. Der Umstand, daß der Kläger eine verantwortliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerrechts ausübe, rechtfertige es ebenfalls nicht, den Kreis prüfungsbefreiter Personen über den Gesetzeswortlaut hinaus auszudehnen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG.

Das FG habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß er auch während seiner Beurlaubung weiterhin Beamter des BMWi gewesen sei. Unerheblich sei, daß er während dieser Zeit nicht in dieser obersten Bundesbehörde selbst beschäftigt worden sei. Er sei bei der Treuhandanstalt und bei der BVS im Interesse seines Dienstherrn und damit im Interesse der Allgemeinheit -- wie zuvor und auch jetzt wieder im BMWi -- überwiegend auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern tätig gewesen, und zwar in einer mindestens dem Sachgebietsleiter gleichwertigen Stellung. Damit erfülle er die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG.

Wenn das FG meine, Beurlaubungszeiträume könnten nicht anerkannt werden, so möge dies nach Sinn und Zweck der Vorschrift für Fälle zutreffen, bei denen die Beurlaubung dazu führe, daß der Beurlaubte außerstande sei, sich während dieses Zeitraums auf dem Gebiet des Steuerwesens zu betätigen. Das könne dann aber nicht gelten, wenn eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuern -- wie in seinem Falle -- gerade der Zweck der Beurlaubung gewesen sei. Die von der Vorentscheidung angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) könnten die Rechtsauffassung des FG nicht stützen, weil sie mit dem Streitfall nicht vergleichbar seien. Bei den dort angesprochenen "Fehlzeiten" sei eine Anrechnung deshalb nicht erfolgt, weil sie der berufspraktischen Einarbeitung verlorengegangen und deshalb zu befürchten gewesen sei, daß der Bewerber in der verbleibenden Zeit die notwendige Qualifikation nicht habe erwerben können. Er (der Kläger) sei aber fortdauernd auf dem Gebiet des Steuerwesens praktisch tätig gewesen.

Mit der Auffassung des FG, daß die streitige Tätigkeit nicht berücksichtigungsfähig sei, weil es sich bei der Treuhandanstalt/BVS nicht um eine andere oberste Behörde des Bundes und der Länder handele, werde auch verkannt, daß § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG bestimmte Personen, die nicht in der Finanzverwaltung beschäftigt seien, Angehörigen der Finanzverwaltung gleichstelle. Hierfür reiche es aus, daß sie überwiegend auf den Gebieten der von den Bundes- und Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern tätig gewesen seien.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Finanzbehörde in Abänderung ihres Bescheids zu verpflichten, ihm eine verbindliche Auskunft nach § 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) dergestalt zu erteilen, daß er die Voraussetzungen für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung erfülle.

Die Finanzbehörde beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Rechtsausführungen des FG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 StBerG sind von der Steuerberaterprüfung zu befreien ehemalige Beamte und Angestellte des höheren Dienstes.

a) der Finanzverwaltung, die mindestens zehn Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind,

b) der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder sowie der obersten Rechnungsprüfungsbehörden und der anderen obersten Behörden des Bundes und der Länder, die mindestens zehn Jahre überwiegend auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind.

Der Kläger hat als Beamter des höheren Dienstes die für die Befreiung von der Prüfung vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuern unstreitig für einen Zeitraum von insgesamt acht Jahren und zehn Monaten -- davon drei Jahre und sechs Monate in der Finanzverwaltung und anschließend fünf Jahre und vier Monate im BMWi, einer obersten Behörde des Bundes -- ausgeübt. Der für die vorgeschriebene Tätigkeitsdauer (mindestens zehn Jahre) demnach noch fehlende Zeitraum von einem Jahr und zwei Monaten, auf den im übrigen auch die erneute Beschäftigung des Klägers im BMWi anzurechnen wäre, wird nach Auffassung des Senats -- entgegen der Vorentscheidung -- mit der Tätigkeit des Klägers in der Steuerabteilung der Trauhandanstalt bzw. deren Nachfolgeanstalt BVS erfüllt.

2. Das FG ist ebenso wie die Finanzbehörde mit Recht davon ausgegangen, daß die streitige Tätigkeit bei wortgetreuer Auslegung der Vorschrift die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG nicht erfüllt. Denn die Treuhandanstalt/BVS ist zwar eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 des Einigungsvertrages -- EinigVtr --), sie ist aber keine oberste Behörde des Bundes oder der Länder.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Anwendung der Vorschrift nicht allein darauf gestützt werden, daß mit ihr bestimmte Personen, die nicht in der Finanzverwaltung beschäftigt sind, den Angehörigen der Finanzverwaltung (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StBerG) gleichgestellt werden, wenn sie überwiegend auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern tätig gewesen sind. § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG setzt nämlich weiter voraus, daß die dort aufgeführten, nicht der Finanzverwaltung angehörenden ehemaligen Beamten oder Angestellten des höheren Dienstes bei den in dieser Vorschrift abschließend aufgezählten gesetzgebenden Körperschaften und obersten Behörden beschäftigt gewesen sind. Wie die Finanzbehörde zutreffend ausgeführt hat, kommt eine Ausweitung auf die Bediensteten anderer Behörden, die dort nicht ausdrücklich erwähnt sind, nicht in Betracht, da die Vorschrift des § 38 StBerG als Ausnahme zu dem grundsätzlichen Erfordernis der Ablegung der Steuerberaterprüfung (§§ 35, 38 Abs. 1, § 40 StBerG) restriktiv auszulegen ist, ohne daß dadurch die Grundrechte der freien Berufswahl und des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) tangiert werden (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 18. November 1980 1 BvR 228/73, 1 BvR 311/73, BStBl II 1981, 235, 239, 240). Bedienstete von nicht ausdrücklich genannten Behörden, wie die der Treuhandanstalt und der BVS können daher grundsätzlich nicht von der Steuerberaterprüfung befreit werden.

Der Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung ferner davon ausgegangen, daß eine prüfungsbefreite Bestellung als Steuerberater für ehemalige Beamte der Finanzverwaltung nur dann in Betracht kommt, wenn sie die vorgeschriebene Zeitdauer der berufspraktischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens innerhalb der Finanzverwaltung abgeleistet haben (Urteil vom 18. Juni 1975 VII R 58/74, BFHE 116, 439, BStBl II 1975, 794, zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG 1972). Er hat außerdem entschieden, daß für die Berechnung der vorgeschriebenen Mindestdauer der berufspraktischen Tätigkeit Ausfallzeiten, in denen der Bewerber nicht nur vorübergehend erkrankt, langfristig beurlaubt oder in sonstiger Weise verhindert war, die verlangte Tätigkeit tatsächlich auszuüben (z. B. Einziehung zum Wehrdienst, Kriegsgefangenschaft, Schonfristen nach dem Mutterschutzgesetz), nicht mitgerechnet werden dürfen (Senatsurteile vom 5. Mai 1964 VII 287/63 U, BFHE 79, 443, BStBl III 1964, 393, und vom 17. Juli 1973 VII R 71/72, BFHE 110, 98, BStBl II 1973, 749). Derartige Fehlzeiten müssen ohne Rücksicht darauf, ob die Unterbrechung der dienstlichen Tätigkeit von dem Bewerber zu vertreten ist oder nicht, deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sich der Bewerber während ihrer Dauer das gesetzlich bestimmte Maß von besonderen Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten, das ihn zur Ausübung des steuerberatenden Berufs befähigen würde, nicht aneignen kann.

3. Im Streitfall gelangt der Senat aber zu dem Ergebnis, daß es die Besonderheiten der Aufgaben der Treuhandanstalt bzw. der BVS, ihre Einbindung in den Staatsorganismus, die Ausübung der Tätigkeit durch den Kläger im Interesse des BMWi -- einer obersten Bundesbehörde -- und die Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift rechtfertigen, auch die streitige Tätigkeit als berufspraktische Tätigkeit i. S. des § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG zu berücksichtigen, wodurch insgesamt der für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung erforderliche Zehnjahrezeitraum überschritten wird.

a) Hierfür ist zunächst von Bedeutung, daß der Status des Klägers als Beamter des höheren Dienstes einer obersten Bundesbehörde auch während der streitbefangenen Tätigkeit weitgehend erhalten blieb, wenn auch wesentliche Rechte aus dem Beamtenverhältnis (z. B. Zahlung der Dienstbezüge) infolge der Beurlaubung ruhten. Dem Kläger war mit dem Beurlaubungserlaß des BMWi vom 18. Januar 1991 zugesichert worden, daß das dienstliche Interesse an seiner Beurlaubung für die Übernahme der Tätigkeit bei der Treuhandanstalt anerkannt werde und die Zeit der Beurlaubung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit und als Dienstzeit im Sinne des Laufbahnrechts gelte. Er ist nach Aufhebung der Beurlaubung auch wieder als Beamter des höheren Dienstes bei dieser obersten Bundesbehörde beschäftigt worden.

Der Streitfall unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem in BFHE 116, 439, BStBl II 1975, 794 entschiedenen Urteilsfall, in dem der Senat die Ableistung der vorgeschriebenen berufspraktischen Tätigkeit in der Finanzverwaltung (d. h. hier: innerhalb der in § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG genannten obersten Bundesbehörde) verlangt hat und steuerrechtliche Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, die nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis erbracht worden waren, für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung unberücksichtigt gelassen hat. Soweit in der genannten Senatsentscheidung die dortige Gesetzesauslegung damit begründet worden ist, daß vorzeitigen Abwanderungstendenzen von Finanzbeamten entgegengewirkt werden sollte und der Nachweis der Befassung mit Steuerfragen bei einer Beschäftigung außerhalb der staatlichen Finanzverwaltung schwerer zu erbringen sei, handelt es sich um Erwägungen, die im Streitfall -- wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt -- nicht von wesentlicher Bedeutung sind und die deshalb für sich allein gesehen die Nichtberücksichtigung der Tätigkeit in der Steuerabteilung der Trauhandanstalt/BVS als praktische Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung nicht rechtfertigen.

b) Dies folgt zunächst daraus, daß der Kläger -- anders als bei einer Beschäftigung in der Privatwirtschaft -- mit seiner Tätigkeit bei der Treuhandanstalt/BVS, wie sich auch aus dem Beurlaubungserlaß ergibt, dienstliche Interessen des BMWi wahrgenommen hat. Aufgabe der Treuhandanstalt war es nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr, gemäß den Bestimmungen des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR I Nr. 33 S. 300) die früheren volkseigenen Betreibe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Bei dieser in § 2 des Treuhandgesetzes näher bestimmten Privatisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens (Abs. 1) und der wettbewerblichen Strukturierung von Unternehmen (Abs. 6) handelt es sich um öffentliche Aufgaben, die durch den Staat als Hoheitsträger wahrgenommen wurden (Weimar, Kommentar zum Treuhandgesetz, § 2 Rdnr. 6 und 8 m. w. N.). Wenn auch die Treuhandanstalt selbst keine oberste Bundesbehörde, sondern eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts war (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EinigVtr), so war sie doch in fachlicher und rechtlicher Hinsicht obersten Bundesbehörden unterstellt, denn nach Art. 25 Abs. 1 Satz 3 EinigVtr oblag die Fach- und Rechtsaufsicht dem BMF, das die Fachaufsicht im Einvernehmen mit dem BMWi und dem jeweils zuständigen Bundesminister wahrzunehmen hatte.

Die Wahrnehmung der vorgenannten öffentlichen Aufgaben bei der Treuhandanstalt durch Beamte von obersten Bundesbehörden, die zur Erfüllung dieser besonderen staatlichen Aufgaben von ihrem Dienstherrn im Interesse der Allgemeinheit für eine Beschäftigung bei der Treuhandanstalt beurlaubt worden sind, läßt es nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG als gerechtfertigt erscheinen, auch diese Tätigkeit als berufspraktische Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung anzuerkennen, wenn die dort vorgeschriebene überwiegende Betätigung auf dem Gebiet der Steuern nicht zweifelhaft ist. Denn es erscheint mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar, die in dieser Vorschrift genannten Beamten (und Angestellten) im Hinblick auf die Befreiung von der Steuerberaterprüfung nur deshalb zu benachteiligen, weil sie wesentliche staatliche Aufgaben, die sich aus einer besonderen historischen Situation, der Einigung Deutschlands, ergeben haben, im Interesse ihres Dienstherrn nicht bei dieser obersten Bundesbehörde, sondern bei einer anderen staatlichen Einrichtung wahrgenommen haben, die zur Erfüllung dieser Aufgaben schon vom Gesetzgeber der DDR eingerichtet worden ist. Im Hinblick auf die Fach- und Rechtsaufsicht durch oberste Bundesbehörden, denen die Treuhandanstalt unterliegt, erscheint dem Senat sowohl die vom Gesetz vorausgesetzte Qualifikation der beurlaubten Beamten und ihrer beruflichen Aufgaben als auch der etwa erforderliche Nachweis einer Betätigung auf dem Gebiet der Steuern hier in gleichem Maße gewährleistet wie bei einer Beschäftigung bei der obersten Bundesbehörde selbst.

Die vorstehende Gesetzesauslegung trägt den speziellen Aufgaben und der Rechtsstellung der Treuhandanstalt ebenso Rechnung wie den besonderen Umständen ihrer Personalrekrutierung. Zur Bewältigung der schwierigen, historisch einmaligen und möglichst kurzfristig durchzuführenden Arbeiten lag es nahe, z. T. auf Fachleute aus anderen Behörden zurückzugreifen, die von diesen aus übergeordneten staatlichen Interessen für eine bestimmte Zeitdauer zu beurlauben waren. Der Senat läßt es offen, ob und unter welchen Voraussetzungen in sonstigen Fällen der Beurlaubung von Beamten von obersten Bundes- oder Landesbehörden für Tätigkeiten bei einer anderen staatlichen Einrichtung entsprechend zu entscheiden wäre.

c) Daß der Kläger in der Steuerabteilung der Treuhandanstalt bzw. der BVS überwiegend auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern in mindestens gleichwertiger Stellung wie ein Sachgebietsleiter tätig gewesen ist (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StBerG), ist im Streitfall nicht zweifelhaft und wird auch von der Finanzbehörde nicht bestritten. Auch insoweit unterscheidet sich der Streitfall von den oben (2.) zitierten Senatsurteilen (BFHE 79, 443, BStBl III 1964, 393, und BFHE 110, 98, BStBl II 1973, 749), in denen Zeiten längerer Erkrankung, Beurlaubung und sonstiger dienstlicher Verhinderung von (Finanz-)Beamten deshalb nicht in die Berechnung der vorgeschriebenen Mindestdauer der berufspraktischen Tätigkeit einbezogen worden sind, weil sie dem Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten auf dem Gebiet des Steuerwesens, die das StBerG für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung voraussetzt, nicht gedient haben. Der Kläger war aber während der Zeit seiner Beurlaubung in der Steuerabteilung der Treuhandanstalt/BVS in gleicher Weise und in mindestens gleichwertiger Stellung (Vergleichsmaßstab Sachgebietsleiter) überwiegend auf dem Gebiet der Steuern tätig wie zuvor als Beamter im BMWi.

4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Da der Kläger als Beamter des höheren Dienstes der Finanzverwaltung und des BMWi und in der Steuerabteilung der Treuhandanstalt/BVS insgesamt mindestens zehn Jahre (überwiegend) auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern als Sachgebietsleiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen ist (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b StBerG), war die Finanzbehörde antragsgemäß zu verurteilen, ihm gemäß § 7 Abs. 1 DVStB die verbindliche Auskunft zu erteilen, daß er die berufspraktischen Voraussetzungen für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung erfüllt. Zu beachten ist aber, daß der Kläger nach § 38 Abs. 2 Satz 2 StBerG (eingefügt durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 9. Juni 1989, BGBl I, 1062) erst nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst von der Prüfung befreit werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421269

BFH/NV 1996, 515

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