Leitsatz (amtlich)

1. Die Abfindung eines aus einer Personengesellschaft ausscheidenden Gesellschafters stellt für die Gesellschafter, die seine Beteiligung erwerben, ein Anschaffungsgeschäft dar, bei dem die gezahlte Abfindung gemäß § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG als Anschaffungskosten anzusetzen ist.

2. Liegt die Abfindung unter dem Buchwert des Kapitalanteils des Ausscheidenden, so führt das grundsätzlich auch dann zur entsprechenden Herabsetzung der Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter der erwerbenden Gesellschafter, wenn der Teilwert des Kapitalanteils dem Buchwert entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1973 I R 126/71, BFHE 110, 402, BStBl II 1974, 50).

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren 1967 der A-KG, ob beim Ausscheiden des Gesellschafters B zum 31. Dezember 1967 durch die unter dem Buchwert seines Kapitalkontos liegende Abfindung in Höhe des Differenzbetrages bei den Klägern als den übernehmenden Gesellschaftern ein laufender Gewinn entstanden ist.

Gesellschafter der KG waren seit 1963 der beigeladene B als persönlich haftender Gesellschafter und der Kläger als Kommanditist. Die Einlage des Klägers betrug ursprünglich 60 000 DM. Mit Wirkung vom 30. September 1967 trat seine Ehefrau (Klägerin), nachdem sie vom Anteil des Klägers 20 000 DM erworben hatte, als weitere Kommanditistin in die KG ein. Zum 31. Dezember 1967 schied B gegen eine Abfindung von 49 500 DM aus der KG aus. Der Kläger wurde persönlich haftender Gesellschafter.

Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) bewertete auf Grund einer späteren Betriebsprüfung den Gesellschaftsanteil des B zum 31. Dezember 1967 mit 62 272 DM. Um den Unterschiedsbetrag dieses Wertes zur Abfindung, also um 12 772 DM, erhöhte das FA den Anteil der Kläger an dem laufenden Gewinn der KG für 1967 und rechnete diesen Betrag in Höhe von 8 515 DM dem Kläger und in Höhe von 4 257 DM der Klägerin zu. Entsprechend erhöhte das FA den Verlustanteil des B um einen Veräußerungsverlust von 12 772 DM. Gegen die Erhöhung ihres laufenden Gewinns um 12 772 DM erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage. Das FG hielt die Klage für begründet.

Mit der Revision beantragt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Das FA führt aus, wenn - wie im vorliegenden Falle - der tatsächliche Wert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters eindeutig nicht unter dem Nennbetrag seines Kapitalkontos läge und betriebliche Gründe ihn veranlaßt hätten, gleichwohl gegen eine unter dem Wert seines Kapitalkontos liegende Abfindung auszuscheiden, so liege für die verbleibenden Gesellschafter kein Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, sondern ein sich im betrieblichen Bereich vollziehender Zuwachs von Vermögen. Im vorliegenden Fall hätten die Aktiva der KG im wesentlichen aus dem Betriebsgrundstück ... Straße bestanden. Die Behauptung der Kläger, daß dieses Wirtschaftsgut beim Ausscheiden des B in der Bilanz überbewertet gewesen sei, treffe nicht zu. Das ergebe sich daraus, daß der Verkehrswert der Gebäude dieses Grundstücks im März 1968 - wie von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen festgestellt worden sei - etwa 136 480 DM betragen habe und der vom Betriebsprüfer angesetzte Wert etwa 9 000 DM darunter gelegen habe. Die Abfindung an den ausgeschiedenen Gesellschafter B sei auch von den Beteiligten nicht bewußt um 12 772 DM unter dem Buchwert seines Kapitalkontos angesetzt worden. Vielmehr sei dieser Differenzbetrag erst später durch die Betriebsprüfung festgestellt worden. Der Grund für die Vereinbarung der niedrigeren Abfindung habe vielmehr darin bestanden, daß die Beteiligten wegen erheblicher Unstimmigkeiten untereinander und mangels ordnungsmäßiger Buchführung auf die exakte Feststellung des Buchwertes des Kapitalkontos des Gesellschafters B verzichtet und sie durch eine Schätzung ersetzt hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der I. Senat des BFH hat im Urteil vom 11. Juli 1973 I R 126/71 (BFHE 110, 402, BStBl II 1974, 50) in Abweichung von dem Urteil vom 20. März 1962 I 63/61 U (BFHE 74, 626, BStBl III 1962, 233) den Standpunkt vertreten, daß im Falle der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters unter dem Buchwert seines Kapitalkontos bei den verbleibenden und zugleich erwerbenden Gesellschaftern in Höhe des Differenzbetrages grundsätzlich kein laufender Gewinn entsteht. Der I. Senat geht davon aus, daß es sich bei einem solchen Erwerb einer Beteiligung durch die verbleibenden Gesellschafter einkommensteuerrechtlich grundsätzlich um ein Anschaffungsgeschäft der erwerbenden Gesellschafter handelt, das in Höhe des Minderbetrages zu einer entsprechenden Herabsetzung der Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens führt, weil eine Bilanzierung über den tatsächlichen Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG unzulässig ist. Der erkennende Senat, der schon im Urteil vom 24. Mai 1973 IV R 64/70 (BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655) bei einer Sachwertabfindung ausscheidender Gesellschafter durch den verbleibenden Gesellschafter den Eerwerb der Beteiligungen als Anschaffungsgeschäft des verbleibenden Gesellschafters angesehen hat, tritt dieser Auffassung bei. Entgegen der Meinung des FA kommt es dabei nicht darauf an, wie hoch der Teilwert des erworbenen Gesellschaftsanteils tatsächlich ist. Denn auch für den Fall, daß der Teilwert der Beteiligung dem Buchwert des Kapitalkontos entspricht oder noch darüber liegt, stellen die niedrigeren Anschaffungskosten bei einem Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG in der Bilanz den zulässigen Höchstwert dar. Eine Bedeutung wäre der Unterwertigkeit der Abfindung nur dann beizumessen, wenn feststünde, daß in Höhe des Differenzbetrages der Erwerb unentgeltlich erfolgt ist (§ 7 Abs. 1 EStDV). Eine solche Annahme würde aber zumindest die Einigkeit der betreffenden Gesellschafter darüber voraussetzen, daß die Abfindung unter dem Wert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters zurückbleiben sollte. Aus dem vorgetragenen Sachverhalt ergibt sich aber, daß eine solche Einigkeit nicht vorhanden war.

Die gegenteilige Auffassung, die der I. Senat früher in dem Urteil I 63/61 U vertreten hat, beruhte gerade darauf, daß er in einer solchen Abfindung kein Anschaffungsgeschäft der erwerbenden Gesellschafter sah, sondern einen sich im betrieblichen Bereiche vollziehenden Zuwachs von Vermögen innerhalb einer Gesamthandsgemeinschaft. Demegenüber hat die Vorinstanz zutreffend darauf hingewiesen, daß es schuldrechtlich nicht darauf ankommen kann, ob ein Vermögen oder ein Vermögensanteil auf einen Einzelrechtsnachfolger übertragen wird oder innerhalb einer Gesamthandsgemeinschaft durch Anwachsung nach § 738 BGB übergeht. Die Anwachsung im Sinne des § 738 Abs. 1 BGB betrifft die dinglichen Folgen des Ausscheidens aus einer Gesamthandsgemeinschaft hinsichtlich des Anteils des Ausscheidenden am Gesellschaftsvermögen, sie sagt nichts über den Rechtsgrund des Ausscheidens und die sich daraus ergebenden schuldrechtlichen Wirkungen. Ebenso wie auf seiten des gegen Entgelt ausscheidenden Gesellschafters trotz der Anwachsung nach bürgerlichem Recht steuerrechtlich ein Veräußerungsgeschäft vorliegt, ist bei den erwerbenden Gesellschaftern ein Anschaffungsgeschäft gegeben. So hat auch der BFH (z. B. Urteil vom 3.Juli 1964 VI 346/62 U, BFHE 80, 202, BStBl III 1964, 548) den Verkauf und die Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft zu einem Preis über dem Betrag des Kapitalkontos des ausscheidenden Gesellschafters als Anschaffungsvorgang gewertet mit der Folge, daß der erwerbende Gesellschafter die erworbenen Anteile an den Wirtschaftsgütern mit den Anschaffungskosten aktivieren muß. Es wäre nicht folgerichtig, den gleichen Vorgang nicht als Anschaffung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu betrachten, wenn die Abfindung unter dem Buchwert liegt.

Geht man im vorliegenden Fall von einem Anschaffungsgeschäft aus, so ist also der Erwerb der Beteiligung durch die verbleibenden und zugleich übernehmenden Gesellschafter, die Kläger, so zu betrachten, als ob sie den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters B an den einzelnen Vermögenswerten der Gesellschaft um den Betrag der gezahlten Abfindung gekauft hätten. Dabei zwingt der unter dem Buchwert liegende geringere Anschaffungspreis dieses Anteils zu einer Neubewertung der Vermögenswerte, d. h. zu einer entsprechenden Herabsetzung der Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter, wobei der Minderbetrag auf die in Betracht kommenden Aktiva zu verteilen ist. Damit ist aber der Erwerb der Beteiligung des B für die Kläger erfolgsneutral, auch wenn B unter dem Buchwert seines Kapitalkontos abgefunden wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70846

BStBl II 1974, 352

BFHE 1974, 483

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