Leitsatz (amtlich)

Wenn die Verpflichtung eines Elektrizitäts-Überlandwerkes zur Entfernung von Anlagen nach den Vertragsbestimmungen als unbedingt anzusehen ist, ist die Entfernungslast als solche beim Einheitswert des Betriebsvermögens zu berücksichtigen und zwar betragsmäßig entsprechend dem Teilwertbegriff mit dem Gegenwartswert.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 12; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft den Einheitswert des Betriebsvermögens eines Elektrizitäts-Überlandwerks (Klägerin und Revisionsklägerin) auf den 1. Januar 1954 und die damit zusammenhängende Vermögensteuer-Neuveranlagung 1954. Wesentlicher Streitpunkt ist, ob das Überlandwerk bei der Einheitswertfeststellung auf den Stichtag eine Rückstellung für die in einem (notariellen) Staatsvertrag vom 31. Januar 1913 enthaltene Verpflichtung zur Entfernung bestimmter Anlagen bilden kann.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Überlandwerk hat durch den obengenannten sogenannten Staatsvertrag auf die Dauer von 75 Jahren - von da ab auf fünfjährige Kündigung - gegen eine jährliche Anerkennungsgebühr die Erlaubnis erhalten, Starkstromleitungen mit Zubehör auf, über und unter Staatsgrund, öffentlichen und Staatsprivatgewässern und staatseigenen Anlagen zu führen, um die Gemeinden des Vertragsgebietes mit elektrischer Energie zu versorgen. Sofern bei Vertragsende keine Einigung über die Belassung der Anlagen auf Staatseigentum zustande kommt, muß das Überlandwerk die vertragsmäßigen Anlagen auf seine Kosten unter ordentlicher Instandsetzung der Straßen, Gebäude usw. entfernen (§ 1 Abs. IV des Vertrages). Die Stromlieferung an die Gemeinden ist als Anlage in einem Zustimmungsvertrag geregelt. Ihre Dauer ist auf 25 oder 30 Jahre festgelegt; falls eine vorgesehene Verlängerung oder ein neuer Vertrag nicht zustande kommt, kann das Überlandwerk bestimmte oberirdische Leitungen entfernen bzw. muß dies auf Verlangen tun. Nach § 6 des Vertrages hat der Staat aber auch das Recht, alle mit der Elektrizitätsversorgung zusammenhängenden Anlagen zu kaufen (nach §§ 6, 7). Der Kaufpreis setzt sich aus einer nach der im Erwerbszeitpunkt gegebenen restlichen Vertragsdauer gestaffelten Vergütung für den Anlagewert und einem Zuschlag für den Geschäftswert zusammen, der seit dem Jahre 1943 das 25fache der Hälfte des durchschnittlichen Betriebsüberschusses, mindestens jedoch 30 % des Herstellungspreises der zu übernehmenden Anlagen, beträgt (§§ 7, 8 und 10 des Vertrages, verbunden mit hierfür vorgesehener besonderer Buchführung).

Bis Ende 1951 hat das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) Rückstellungen und jährliche Zuweisungen für Körperschaftsteuer und Bewertung in der Weise zugelassen, daß die jeweiligen Buchwerte der von der Entfernung betroffenen Anlagen unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge und eines Restwertes auf die Vertragsdauer verteilt wurden. Ab 1. Januar 1952 hat das FA unter Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht vom 25. Januar 1960 weitere Zuführungen für die Entfernungslast nicht mehr anerkannt und in dem Wertfortschreibungsbescheid des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 lediglich eine Rückstellung von X DM für eine im Jahre 1988 voraussichtlich fällige Ablösungsverpflichtung zugelassen.

Das Überlandwerk begehrte demgegenüber den Ansatz einer Entfernungslast von Y DM entsprechend der bis zum 31. Dezember 1951 zugelassenen Berechnung. Das FA lehnte den begehrten Betrag ab, da nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Entfernung der Anlagen nicht in Frage stehe. Es stellte in dem angefochtenen Bescheid vom 15. Juli 1960 den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1954 und setzte die Vermögensteuer (hinsichtlich der Vermögensabgabe vorläufig) fest.

Die Sprungberufung führte zur Herabsetzung des Einheitswerts und zur endgültigen Festsetzung der Vermögensteuer 1954.

Das Überlandwerk hatte sich auf das (nicht veröffentlichte) Urteil des RFH I 435/40 vom 29. April 1941 in der eigenen Körperschaftsteuersache und auf das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs (OFH) III 58/49 S vom 31. Mai 1950 (StuW 1950, II, 186) betreffend Rückstellung für die Entfernungslast als unbedingte Verpflichtung berufen und dazu erklärt: Es liege kein Anhalt dafür vor, daß der Staat sich seiner Rechte begeben werde. Entfernung der Anlagen und Wiederherstellung des früheren Zustandes würden zu einer entschädigungslosen Auflassung des ganzen Unternehmens führen. Die weitere technische Entwicklung der zukünftigen Stromlieferungsanlagen lasse sich nicht übersehen. Zudem verstoße das Verhalten des FA gegen Treu und Glauben. Schließlich beantragte das Überlandwerk, am 1. Januar 1954 vorhandene Versorgungsanwartschaften ihrer Arbeitnehmer entsprechend der derzeitigen Rechtsprechung zum Abzug zuzulassen.

Das FG gab der Berufung teilweise statt. Es führte aus: Zu den beim Einheitswert des gewerblichen Betriebes abzugsfähigen Schulden gehörten auch geldwerte Verpflichtungen zu Sachleistungen, wie hier die Verpflichtung zur Entfernung bestimmter Anlagen. Es müsse aber neben der rechtlichen Verpflichtung ernstlich mit der Geltendmachung zu rechnen sein. In Übereinstimmung mit dem obengenannten Urteil des OFH III 58/49 S (a. a. O.) sei der Vorbehalt des Staatsvertrages keine aufschiebende Bedingung. Das Überlandwerk könne den drohenden Rechtsverlust durch eine Rückstellung für die Entfernungsverpflichtung dem Grund nach geltend machen, deren Höhe jedoch zu schätzen sei. Dabei müsse allerdings für die Einheitsbewertung das obengenannte Körperschaftsteuer-Urteil des RFH I 435/40 (a. a. O.) außer Betracht bleiben, das ertragsteuerlich den Ausweis nicht realisierter Verluste auf die ungünstigste Belastungsmöglichkeit abstelle. Geschätzt werden müsse statt dessen nach der größten Wahrscheinlichkeit. Das volle Entfernungsrisiko werde durch Wahrscheinlichkeitsfaktoren abgeschwächt. Gegen die Ausübung des Entfernungsrechts sprächen die Wahlrechte des käuflichen Erwerbs und der Belassung der Anlagen in den einzelnen Paragraphen des Vertrages mit genauen Einzelregelungen des Ankaufsrechts. In der Vertragsformulierung über die Belassung der Anlagen auf Staatseigentum sei nicht die entschädigungslose Auflassung an den oder die entschädigungslose Belassung beim Staat zu verstehen, sondern der Begriff "Einigung" setze einen Verhandlungsspielraum voraus, zumal sonst die entschädigungslose Enteignung des ganzen Unternehmens die Folge wäre. Die begehrten Rückstellungen machten aber nur etwa die Hälfte des derzeitigen Nominalkapitals, die Nettoanschaffungskosten der betroffenen Anlagen nur einen Bruchteil der gesamten Anlagen aus. Eine Verpflichtung zu einer derartigen Aufopferung des Betriebsvermögens könne nicht aus dem Staatsvertrag abgeleitet werden. Jede Enteignung setze eine gesetzlich geregelte Entschädigung voraus. Es sei wenig wahrscheinlich, daß der Staat sein Entfernungsrecht als Druckmittel zu einer entschädigungslosen Enteignung sowohl der vom Vertrage erfaßten als auch der davon nicht berührten Anlagen gebrauchen werde, bzw. erfolgreich geltend machen könne. Das Entfernungsrecht sei nur bis zu einem gewissen Grade ein mögliches Druckmittel zum Abschluß eines neuen Vertrages über Stromversorgung oder zum käuflichen Erwerb des ganzen Unternehmens durch den Staat oder zu einer wirtschaftlich tragbaren Ablösung des Entfernungsrechts. Die letztere Möglichkeit habe als rückstellungsmindernder Umstand die größte Wahrscheinlichkeit. Auch Teilwertüberlegungen könnten nicht beiseite geschoben werden. Es sei wenig wahrscheinlich, daß sich das Überlandwerk bei einer Veräußerung des Unternehmens die volle Rückstellungslast auf den Kaufpreis anrechnen lassen würde. Das Entfernungsrisiko werde per 1. Januar 1954 auch dadurch gemindert, daß die Stromverteilungsanlagen wahrscheinlich auch am 1. Januar 1988 zur Stromversorgung benötigt würden. Diesem Gesichtspunkt stehe die technische Entwicklung einschließlich der bisherigen Atomkrafterzeugung am Stichtag nicht entgegen.

Die voraussichtlichen Möglichkeiten für die Abwicklung des Staatsvertrages im Jahre 1988 minderten in freier Schätzung das vertragliche Entfernungsrisiko um 30 % der geltend gemachten Rückstellung. Der Satz von 30 % rechtfertige sich auch aus dem Mindestkaufpreis, der insgesamt 60 % des Herstellungspreises der zu übernehmenden Anlagen betrage. Der Ansatz der Entfernungsrückstellungen mit 70 % liege in der Nähe dieses Wertes und berücksichtige die beiderseitigen Interessen. In der Abweichung von früher unrichtigen Einheitswerten liege kein Verstoß gegen Treu und Glauben. Wenn anderseits das FA jede Rückstellung für die Entfernungslast ablehne und nur eine Ablösungsverpflichtung auf X DM anerkenne, löse es sich zu Unrecht von dem rechtlich vorhandenen Staatsvertrag, zumal sich der Staat bis jetzt alle darin vorgesehenen Möglichkeiten offengehalten habe.

Der Abzug der Pensionsanwartschaften stehe im Einklang mit der Rechtsprechung (Urteil des BFH III 125/61 S vom 8. September 1961, BFH 74, 42, BStBl III 1962, 19). Die Berechnung lasse keinen Fehler erkennen und sei vom FA in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt das Überlandwerk Verletzung des geltenden Rechts und beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Rückstellung zum 1. Januar 1954 in Höhe von Y DM anzuerkennen. Es führt dazu im einzelnen aus, daß sich die Situation gegen früher nicht geändert habe, sondern daß die von ihr eingegangene Verpflichtung, die betroffenen Anlagen im Jahre 1988 zu beseitigen, bestehe. Aufgrund der Vertragslage komme es auf Wahrscheinlichkeitserwägungen nicht an. In der Körperschaftsteuersache 1952 schwebe ebenfalls Revision. In der hier streitigen Bewertungssache sei das Urteil des FG unzutreffend; denn der Grad der Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Überlandwerk im Jahre 1988 aus der Entfernungsverpflichtung in Anspruch genommen werde, habe keinen Einfluß auf die Höhe der rückstellungsfähigen Beträge. Das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht nach handelsrechtlichen Grundlagen gelte auch bei der Rückstellung für ungewisse Schulden bei der Einheitsbewertung. Gegenteiliges gelte nur für die §§ 4 bis 8 BewG (so BFH-Urteil III 125/61 S, a. a. O.). Nach dem statischen Prinzip sei bei Fehlen einer ernsthaften wirtschaftlichen Belastung eine Schuld dem Grunde nach zu verneinen, andernfalls zu bejahen. Eine Zwischenlösung, Abschläge wegen mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu machen, sei nicht möglich. Das Stichtagsprinzip könne nicht die Höhe einer auf einem Tatbestand beruhenden Schuld beeinflussen, so daß auf diese Weise die handelsrechtlichen Wertansätze auch in der Vermögensaufstellung und in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens Eingang fänden. Es sei ähnlich wie die Bewertung von im Prozeß befangenen Forderungen und Schulden, die nach dem subjektiven Ermessen des Steuerpflichtigen und nicht nach der Auffassung der Steuerbehörde über Rechtslage und Aussichten des Prozesses anzusetzen seien. Soweit die Prinzipien ordnungsmäßiger Buchführung nicht nur der periodengerechten Gewinnermittlung dienten, seien sie auch bei der Einheitsbewertung nicht ganz außer Betracht zu lassen, sondern die in der Ertragsteuerbilanz eingesetzten Passivposten könnten als kaufmännische Vorsichtsmaßregeln in die Vermögensaufstellung übernommen werden.

Die Entfernungsverpflichtung sei eine dem Grund und der Höhe nach unbedingte Last. Wenn sich das Überlandwerk dem Grunde nach auf Beseitigung der Anlage einzurichten habe, ergebe sich daraus die Höhe der Rückstellungen entsprechend dem durch die Beseitigung eintretenden Wertverlust. Der vom FG vorgenommene Globalabschlag von 30 % von der errechneten Rückstellung sei widerspruchsvoll. Der Wahrscheinlichkeitsgrad einer Inanspruchnahme habe Einfluß auf den Grund, nicht aber auf die Höhe der Rückstellung. Für den käuflichen Erwerb der Anlagen durch den Staat beständen außer der im Staatsvertrag vorgesehenen Möglichkeit keine Anhaltspunkte. Die statische Betrachtungsweise rechtfertige keinen Abschlag von dem vollen Entfernungsrisiko. Das FG habe die Grundsätze steuerlicher Schätzung verkannt, da es die Schätzung des Überlandwerkes nicht als unrichtig nachgewiesen habe. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten, da der Staat erklärt habe, an der unbedingten Verpflichtung festzuhalten. Aber auch wenn der Wahrscheinlichkeitsgrad grundsätzlich eine Rolle spielen würde, rechtfertige er hier keine Kürzung der Rückstellung, wie sich aus der technischen Entwicklung der Elektrotechnik mit Reaktoren oder einer etwaigen Übernahme der Stromversorgung durch die Kommunen ergebe. Ein Kauf der Anlagen durch den Staat liege nicht im Bereich der Wahrscheinlichkeit, da dieser an etwa überflüssigwerdenden Anlagen kein Interesse habe. Die Nichtverlängerung der Konzession würde keine Enteignung bedeuten. Eine Ablösung durch den Staat sei nicht vorgesehen. Teilwertüberlegungen rechtfertigten keinen Abschlag von der Rücklage. Kein Erwerber würde unter dem Gesichtspunkt der Fortführung des Unternehmens für die Entfernungslast einen geringeren Betrag als den hier errechneten ansetzen.

Die Nichtanerkennung der vollen Entfernungslast widerspreche auch Treu und Glauben, nachdem der OFH in der obengenannten Entscheidung vom 31. Mai 1950 das Recht zuerkannt habe, unter Zugrundelegung des Staatsvertrages bis 1988 entsprechende Rückstellungen zu bilden. Nach Zurückverweisung durch den OFH habe das FG durch rechtskräftiges Urteil vom 18. Oktober 1950 festgestellt, daß keine Bedenken beständen, für die Einheitsbewertung der für die Körperschaftsteuer getroffenen Wertermittlung zu folgen. Entsprechend sei das FA im ersten Einheitswertbescheid für 1954 verfahren. Aus der RM-Schlußbilanz sei der Rückstellungsbetrag 10 : 1 umgestellt worden. Die Betriebsprüfer hätten demgegenüber im Jahre 1953 gemeint, daß die Rückstellung nach den Anlagewerten höher umzustellen und eine künftige Änderung des Staatsvertrages für die DMEB nicht zu berücksichtigen sei.

Das FA beantragte als Revisionsbeklagter in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, hilfsweise eine Abzinsung der Verpflichtung vorzunehmen. Bei der Beurteilung sei zu erwägen, ob die Entfernungslast nicht eine aufschiebend bedingte Last darstelle und deshalb bewertungsmäßig überhaupt nicht als Schuld anzusetzen sei. Zumindest habe das Überlandwerk, solange der Vertrag laufe, keine gegenwärtige Last.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten sind die staatliche Entfernungslast und die gemeindliche Entfernungslast in dem gegenwärtigen Verfahren einheitlich zusammengezogen und in dem jeweils geltend gemachten Betrag enthalten.

Rechtlicher Ausgangspunkt für den Abzug der Entfernungslast des Überlandwerkes für die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebes und die Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1954 ist § 62 Abs. 1 BewG. Danach sind zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Das Vorliegen einer aufschiebend bedingten Last ist in Übereinstimmung mit dem FG zu verneinen, so daß § 6 BewG entfällt. Der erkennende Senat schließt sich dem obengenannten Urteil OFH III 58/49 S (a. a. O.) dahin an, daß die vertragliche Aufnahme des Vorbehalts einer endgültigen Einigung lediglich eine Rechtsbedingung darstellt, da dadurch keine Rechtslage geschaffen wurde, die nicht ohnehin schon bestand. Nach der am Stichtag gegebenen Rechtslage verwirklicht sich bei Auslaufen des Staatsvertrages automatisch die Entfernungslast. Die Kündigung des zeitlich befristeten Vertrages bei Verlängerungsklausel macht die Entfernungslast nicht zu einer aufschiebend bedingten Verpflichtung; sie stellt keine Bedingung für das Ende des Vertragsverhältnisses dar.

Die Entfernungslast ist nach dem Staatsvertrage unbedingt entstanden und dementsprechend bewertungsrechtlich zu beurteilen. Eine auflösende Bedingung käme nur für ihren Wegfall in Frage, nämlich auflösend bedingt durch die etwaige Geltendmachung des Ankaufs der Anlagen oder der Ablösung seitens des Staates (Gemeinden). Die auflösende Bedingung würde aber für die hier zu treffende Entscheidung keine Rolle spielen, da nach dem BewG auflösende Bedingungen (hier die auflösende Bedingung zum Wegfall der Entfernungslast, bzw. die aufschiebende Bedingung zur Geltendmachung des Ankaufs oder der Ablösung) unbeachtlich sind. Die Möglichkeit zur Ablösung oder zum Ankauf der Anlage bedeutet nur eine Anwartschaft des Staates, abhängig von der Geltendmachung. Dem Grunde nach ist daher die Entfernungslast als Betriebsschuld des Überlandwerkes zu bejahen. Weder aus dem Vertrage noch aus anderen Erwägungen (Eigentumsgarantie, rechtsstaatliche Bedenken gegen entschädigungslose Enteignungen) lassen sich durchschlagende Bedenken gegen die rechtliche Durchsetzbarkeit der Entfernungsklausel herleiten, zumal nach dem unbestrittenen Vortrag des Überlandwerkes der Staat es bisher ablehnte, auf die Entfernungsklausel zu verzichten.

Die im Laufe des Rechtsstreits von den Beteiligten erörterte Rechtsprechung des Senats zur Bewertung prozeßhängiger Forderungen oder Schulden paßt nicht auf den vorliegenden Fall, da sich dort die Ungewißheit auf Grund und Betrag erstreckt. Wird dagegen, wie im Streitfall, die Schuld dem Grunde nach bejaht, so ist für eine Herabsetzung dieser Schuld nach dem Grade der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme kein Raum. Die Entfernungslast ist nach den Gegebenheiten des Stichtages zu schätzen. Wenn ohne Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme die Entfernungslast dem Grunde nach als Betriebsschuld für den Stichtag bejaht wird, so steht andererseits diese Anerkennung nicht einer Abzinsung der geltend gemachten betragsmäßigen Last auf das Jahr 1988 entgegen, da die Entfernungslast erst zu diesem Termin zu zahlen ist. Der Ansatz dieses Ausgleichspostens im Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 findet in dem Teilwertbegriff des § 12 BewG seine Rechtfertigung. Wenn daher die Entfernungslast des Überlandwerkes nach den Vertragsbestimmungen auch als unbedingt anzusehen und deshalb beim Einheitswert des Betriebsvermögens abzusetzen ist, so muß sie aber betragsmäßig entsprechend dem Teilwertbegriff auf den Gegenwartswert gemindert werden (siehe Hilfstafel 1 für die Berechnung des Gegenwartswertes einer unverzinslichen, befristeten Forderung). Eine Verböserung gegenüber dem angefochtenen Verwaltungsakt ist nach der FGO jedoch nicht zulässig.

Der Ansatz eines im Ergebnis niedrigeren Betrages als Betriebsschuld (Rückstellung) als er bis Ende 1951 vom Überlandwerk in Anspruch genommen und vom FA zugestanden worden war, widerspricht nicht Treu und Glauben. Das obengenannte zurückverweisende Urteil des RFH I 435/40 steht ebenfalls nicht entgegen. Das Urteil betrifft die Körperschaftsteuer und einen anderen, noch dazu in der RM-Zeit liegenden Steuerabschnitt, und legte die Rückstellung nicht in einer bestimmten Höhe fest, sondern verwies wegen der Höhe an das FG zurück. Auch das Urteil OFH III 58/49 S (a. a. O.) steht mit der vorliegenden Entscheidung nicht im Widerspruch. Es beruht auf der auch hier vertretenen Auffassung, es liege keine aufschiebend bedingte Last vor.

Die vom FA bis zum Jahre 1951 zugelassenen Rückstellungen hindern nicht eine Kürzung aufgrund besserer Erkenntnisse. In der damaligen Beurteilung liegt keine das FG für die Zukunft bindende Zusage. Ist das FA bei einer Bewertung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen, so ist es in einem späteren Jahre bei der Beurteilung des gleichen Sachverhalts in aller Regel auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht an die falsche Rechtsauffassung gebunden (BFH IV 111/59 U vom 27. Juni 1963, BFH 77, 586, BStBl III 1963, 534). Von der Entstehung eines Gewohnheitsrechts kann bei mehreren Bewertungen des gleichen Betriebes keine Rede sein. Aus dem gleichen Grund steht die Umstellung der Rückstellung in der RM-Schlußbilanz/DM-Eröffnungsbilanz nicht der jetzt zu ermittelnden Rückstellungslast entgegen. Das Urteil des FG, das teilweise auf einer anderen Beurteilung beruht, war demnach aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen an das FG zurückzuverweisen. Er wird zu prüfen haben, wie die Entfernungslast bewertungsmäßig auf den 1. Januar 1954 zu berücksichtigen ist. Die Berücksichtigung der Pensionsanwartschaften, die das FG anerkannt hat, ist dem Grunde nach unstreitig. Sie ist auch der Höhe nach in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert bestritten worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68435

BStBl II 1969, 228

BFHE 1969, 501

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge