Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fest, daß Verzugszinsen, Stundungszinsen und Wechselumlaufskosten (Diskontspesen) zum umsatzsteuerbaren Entgelt rechnen.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 5/1; UStDB §§ 10, 51

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Verzugszinsen und Stundungszinsen, die bei Warenlieferungen der Steuerpflichtigen (Stpfl.) anfallen, umsatzsteuerpflichtig sind, und ferner, ob Wechselumlaufsspesen (Diskontspesen) die umsatzsteuerpflichtige Wechselsumme mindern. Das Finanzamt hat die im Jahre 1952 hierfür insgesamt in Betracht kommenden Beträge von 193.231 DM zur Umsatzsteuer herangezogen. Die dagegen eingelegte Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht erachtete die Verzugszinsen als eine Schadensersatzleistung, die mangels Leistungsaustausches nicht zum steuerbaren Umsatz gerechnet werden könnte, und die Stundungszinsen, also die für die nachträgliche Gewährung eines nach der Fälligkeit gelegenen Zahlungstermins zu entrichtenden Zinsen, als Gegenleistung für eine Krediteinräumung der Steuerpflichtigen an ihre Kunden, die nach § 4 Ziff. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sei. Die Wechselumlaufskosten will das Finanzgericht unter Hinweis auf § 51 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) deshalb nicht zum steuerpflichtigen Entgelt rechnen, weil diese Beträge bei Einlösung des Wechsels durch die Bank von der Wechselsumme gekürzt würden, die Stpfl. sie deshalb nicht vereinnahmt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen die Berufungsentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Vorinstanz hat bei Verneinung der Umsatzsteuerpflicht der Verzugszinsen insbesondere gegen das Urteil des Reichsfinanzhofs V 421/37 vom 23. Juni 1939 (Slg. Bd. 47 S. 88, Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 1011) Stellung genommen. In diesem Urteil wurde die Umsatzsteuerpflicht nicht nur der Verzugszinsen, sondern auch der Stundungszinsen grundsätzlich bejaht, weil diese Zinsen in gleicher Weise wie die beim Kauf auf Ziel in den Kaufpreis eingerechneten Zielzinsen wirtschaftlich eine Erhöhung des umsatzsteuerrechtlichen Entgelts darstellen und diesen Zielzinsen gleich zu behandeln sind, ohne Rücksicht auf den verschiedenen Rechtsgrund der Zinsen. Die von der Vorinstanz gegen diese umsatzsteuerrechtliche Beurteilung vorgebrachten Einwände vermag der Senat nicht als zutreffend anzuerkennen.

Die Entscheidung der Frage, ob Verzugs- und Stundungszinsen umsatzsteuerpflichtig sind, hängt davon ab, ob diese Zinsen zum umsatzsteuerpflichtigen Entgelt zu rechnen sind. Der Begriff des Entgelts im Umsatzsteuerrecht ist ein rein umsatzsteuerrechtlicher und wird als solcher von dem Wesen der Umsatzsteuer als einer auf dem Leistungsaustausch liegenden Verbrauchsteuer bestimmt. Aus diesem Grunde beschränkt sich der Umfang des Entgelts, wie sich aus § 10 UStDB und der ständigen Rechtsprechung ergibt, nicht schlechthin auf die bürgerlich-rechtlich bestimmte oder bestimmbare Gegenleistung für eine Leistung, wie beispielsweise auf den Kaufpreis, den Werklohn usw., sondern er erstreckt sich auf alles, was der Leistungsverpflichtete tatsächlich aufwendet, um die Leistung zu erhalten, oder weil er die Leistung erhalten hat. Unter diesem Gesichtspunkt, der dazu führt, daß dem reinen Kaufpreis auch sonstige Beträge zuzurechnen sind, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhange mit ihm stehen, müssen auch die Verzugs- und Stundungszinsen beurteilt werden.

Daß es sich bürgerlich-rechtlich bei den Verzugszinsen um eine Art Schadensersatzleistung für die verspätet entrichtete Kaufpreissumme und bei den Stundungszinsen um eine Entschädigung für den dem Käufer über das ursprüngliche Zahlungsziel hinaus kreditierten Kaufpreis handelt, kann nicht bestritten werden. Andererseits ist aber auch offenkundig, daß diese Zinsen nicht ohne das Kaufgeschäft angefallen wären, daß sie somit nicht für sich allein, sondern im Rahmen des Kaufgeschäftes und in tatsächlicher und wirtschaftlicher Beziehung zu diesem und insbesondere zu einem wesentlichen Bestandteil des Kaufgeschäftes, dem Kaufpreise, stehen. Den Käufer einer Ware, der wegen verspäteter Zahlung des Kaufpreises Verzugszinsen oder auf Grund nachträglich vereinbarter Stundung Stundungszinsen zu entrichten hat, kostet die Ware nicht bloß den Kaufpreis, sondern diesen einschließlich der Zinsen. Für ihn sind diese wirtschaftlich Zuschläge zum Kaufpreis und bilden mit ihm wirtschaftlich eine Einheit, das Entgelt, das er für die Warenlieferungen dem Lieferanten entrichten muß. Wenn deshalb die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin (Bgin.) von getrennten Vorgängen - Lieferungsgeschäft einerseits, Schadensersatzleistung und Kreditgeschäft andererseits - ausgehen wollen, so lassen sie die für das Umsatzsteuerrecht maßgebenden wirtschaftlichen Zusammenhänge und den hier in Betracht kommenden Begriff des umsatzsteuerrechtlichen Entgelts außer acht. Die Auffassung der Vorinstanz, daß die Verschiedenartigkeit des Rechtsgrundes von Vorgängen und die dadurch bedingte Verschiedenheit des Tatbestandes nicht erlaube, derartige Vorgänge umsatzsteuerrechtlich als wirtschaftliche Einheit anzusehen, ist unzutreffend. Die das Umsatzsteuerrecht beherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise will gerade verschiedenartige Tatbestände ohne Rücksicht auf deren Rechtsgrund für die Umsatzsteuer als Einheit dann betrachten und behandeln, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören. Dies ist Sinn und Zweck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und es kann nicht als ihre überspitzung angesehen werden, wenn dementsprechend verfahren wird.

Dazu kommt, daß es weder für den Käufer noch für den Verkäufer einer Ware wirtschaftlich gesehen einen Unterschied ausmacht, ob die Zinsen, wie beim Kauf auf Ziel, schon in den vereinbarten Kaufpreis eingerechnet oder ob sie bei den Stundungszinsen und den Verzugszinsen getrennt vom Kaufpreise berechnet werden. Alle diese Zinsen sind Beträge, die der Warenempfänger aufwenden muß, um seine Schuld für die erhaltene Lieferung voll abzutragen, und sie stellen damit gleichermaßen in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung eine Erhöhung des Kaufpreises in der Form von Zuschlägen zum Preise dar, ohne Rücksicht auf die ihnen zugrunde liegenden Rechtsgründe. Ist aber dies der Fall, so können, worauf auch das Urteil des Reichsfinanzhofs V 421/37 vom 23. Juni 1939 bereits hingewiesen hat, nach dem im Umsatzsteuerrecht herrschenden Grundsatz, daß gleiche wirtschaftliche Vorgänge umsatzsteuerrechtlich gleich zu behandeln sind, auch die drei Zinsarten nicht ungleich behandelt werden. Wie die Zielzinsen unbestrittenermaßen mit dem Kaufpreise der Umsatzsteuer unterliegen, so sind auch die Verzugs- und Stundungszinsen zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Sind aber die Stundungszinsen zum Entgelt für eine Warenlieferung zu rechnen, dann kommt für sie auch die Befreiungsbestimmung des § 4 Ziff. 8 UStG nicht in Betracht. Wenn das Finanzgericht zur Stützung seiner Auffassung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 722/28 vom 1. Februar 1929 (RStBl 1929 S. 237) und auf Ausführungen in Kommentaren hinweist, so ist dem entgegenzuhalten, daß seitdem der umsatzsteuerrechtliche Entgeltsbegriff - wie allgemein das Umsatzsteuerrecht - durch die Rechtsprechung eine Fortentwicklung erfahren hat.

Der erkennende Senat tritt nach alledem dem obenerwähnten Urteil des Reichsfinanzhofs V 421/37 vom 23. Juni 1939 hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht der Verzugs- und Stundungszinsen in vollem Umfange bei.

Auch bezüglich der Wechselumlaufsspesen (Diskontspesen) kann der Auffassung der Vorinstanz nicht beigetreten werden. Diese Spesen verlieren dadurch, daß sie von der Bank einbehalten werden und daß deshalb dem Stpfl. nur die um die Spesen gekürzte Wechsel- oder Diskontsumme gutgeschrieben wird, nicht ihre Eigenschaft als Unkosten des Zahlungseinzugs. Derartige Unkosten können nach dem Wesen der Umsatzsteuer, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung in dieser Frage ergibt, umsatzsteuerrechtlich das Entgelt nicht mindern. Deshalb kann der Wortlaut des § 51 UStDB, auf den sich die Vorinstanz beruft und für den als einer umsatzsteuerrechtlichen Bestimmung auch die umsatzsteuerrechtlichen Begriffe gelten müssen, nur dahin verstanden werden, daß als vereinnahmt der um die Wechselumlaufsspesen ungeminderte Betrag anzusehen ist. Auch das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 236/26 vom 16. April 1926 (Slg. Bd. 19 S. 35), auf das die Vorinstanz zur Stützung ihrer anderen Auffassung hinweist, sagt nichts Gegenteiliges. Es spricht ausdrücklich aus, daß es sich bei Diskontspesen um Verpflichtungen aus dem Wechsel handele, die für die Vereinnahmung des Entgelts aus dem Warenumsatz ohne Bedeutung sind (vgl. hierzu auch das Urteil des Reichsfinanzhofs V 82/42 vom 25. Juni 1943, Slg. Bd. 53 S. 232, RStBl 1943 S. 721). Die Auffassung der Vorinstanz muß deshalb auch in dieser Hinsicht als rechtsirrig abgelehnt werden.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich sodann ohne weiteres die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der im Betriebe der Stpfl. anfallenden und in der Vorentscheidung aufgeführten Fälle von Kundenwechsel. Im einzelnen ist dazu zu sagen:

Wird der von der Stpfl. hereingenommene und bei ihr verbliebene Kundenwechsel prolongiert, so sind auch die dabei anfallenden Zinsen als Preiszuschläge umsatzsteuerpflichtig; denn es handelt sich auch in diesem Falle um eine weitere nachträgliche Stundung des Warenpreises. Dies gilt auch dann, wenn die Stpfl. auf Grund der Prolongation einen neuen Wechsel über die sich nunmehr ergebende Gesamtsumme oder einen Zusatzwechsel über die sich zusätzlich ergebenden Zinsen und Spesen hereingenommen hat. Die hierbei anfallenden Wechselumlaufskosten dürfen für die Bemessung des umsatzsteuerlichen Entgelts die Wechselsumme nicht mindern. Das gleiche gilt auch dann, wenn ausnahmsweise die zusätzlichen Zinsen und Spesen dem Kunden unmittelbar ohne Wechselhereinnahme in Rechnung gestellt und von ihm vereinnahmt werden. Wird ein nicht prolongierter Wechsel vorzeitig von der Bank diskontiert, so ist die Wechselsumme abzüglich des Diskonts das vereinnahmte Entgelt (vgl. das bereits obenerwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs V 82/42 vom 25. Juni 1943). Wird ein prolongierter Wechsel vorzeitig diskontiert, so sind auch hier die zusätzlichen Zinsen als Preiszuschläge zu beurteilen und die gesamte Wechselsumme einschließlich Zinsen, abzüglich des Diskonts als vereinnahmt anzusehen. Auch im Falle der nachträglichen Kreditgewährung durch Wechselhereinnahme muß bei Betrieben, die wie im Streitfalle auf den Warenverkehr ausgerichtet sind, davon ausgegangen werden, daß es sich um Kaufpreisstundung handelt. Auch hier sind deshalb die später vereinnahmten Zinsen als Preiszuschläge umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen und zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Entstandene Wechselumlaufskosten können die Wechselsumme nicht mindern. Anders wäre der Sachverhalt hier nur dann zu beurteilen, wenn besondere Umstände erkennen ließen, daß die Kaufpreisschuld im Wege der Schuldumwandlung nunmehr als Darlehen geschuldet wird (ß 607 Abs. 2 BGB). In diesem Falle käme für die Zinsen § 4 Ziff. 8 UStG in Betracht.

Nach alledem war die Vorentscheidung in ihrem gesamten Umfange wegen Rechtsirrtums aufzuheben und, da die Höhe des Steuersatzes (4 %), mit dem das Finanzamt die streitigen Beträge zur Umsatzsteuer herangezogen hat, nicht bestritten ist, der Steuerbescheid des Finanzamts unter Zurückweisung der Sprungberufung der Stpfl. als unbegründet wiederherzustellen.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 53

BFHE 1956, 143

BFHE 62, 143

StRK, UStG:1/1 R 44

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