Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Anschaffungsnaher Bauaufwand, der wie ein Teil der Anschaffungskosten eines Baues behandelt wird, liegt regelmäßig auch vor, wenn die Aufwendungen von dem Erwerber eines Miteigentumsanteils an dem Haus gemacht werden, der über das Haus wirtschaftlich wie ein Alleineigentümer verfügen kann. EStG 1957 §§ 7, 9, 21.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 9, 21

 

Tatbestand

Der Bf., ein Zahnarzt, hat 1945 zusammen mit seinen vier Geschwistern von seinem Vater ein 1868 erbautes Haus geerbt. In den Jahren 1954, 1955 und 1957 hat er zu seinem ererbten Anteil weitere drei Anteile an dem Haus von seinen Geschwistern erworben, und zwar für 8000 DM, 10 000 DM und 16 000 DM. Nachdem er sich entschlossen hatte, seine Wohnung und seine Praxis in das Haus zu verlegen, ließ er von August 1957 bis Ende 1959 umfangreiche bauliche Veränderungen für insgesamt 60 000 DM an dem Gebäude durchführen. In der Einkommensteuererklärung für 1957 machte er die in diesem Jahre dafür aufgewendeten 14 207 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, da die ausgeführten Arbeiten nach seiner Auffassung Erhaltungsmaßnahmen waren. Das Finanzamt sah die Aufwendungen dagegen als zusätzliche Anschaffungskosten an, von denen es im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Haus 1,5 v. H. als Werbungskosten zum Abzug zuließ. Der Einspruch des Bf. hatte nur insofern Erfolg, als berücksichtigt wurde, daß der Bf. einen Miteigentumsanteil von 1/5 an dem Haus durch Erbfall unentgeltlich erworben hatte und deshalb 1/5 der Baukosten, nämlich 2841 DM, Erhaltungsaufwand waren.

Das Finanzgericht vertrat demgegenüber die Auffassung, es könnten nur 3/5 der Bauaufwendungen als Anschaffungskosten betrachtet werden, da der Bf. nur 3/5 des Grundstücks entgeltlich erworben habe. Für die Zurechnung dieses Teils der Bauaufwendungen zu den Anschaffungskosten genüge es, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Erwerb der Miteigentumsanteile bestehe. Dieser Zusammenhang sei anzunehmen, weil das Haus viele Jahre hindurch nicht instand gesetzt worden und infolgedessen nicht mehr bewohnbar gewesen sei. Unerheblich sei, ob der Bf. für den Erwerb der Grundstücksanteile mit Rücksicht auf den schlechten baulichen Zustand des Hauses einen besonders niedrigen Kaufpreis an seine Geschwister bezahlt habe. Es komme auch nicht darauf an, warum er die Anteile gekauft habe, und ob die Aufwendungen, wenn sie nicht in Verbindung mit dem Erwerb der Miteigentumsanteile gemacht worden wären, Erhaltungsaufwand gewesen sein würden. Soweit die Baukosten nicht anteilig auf die vom Bf. erworbenen 3/5 des Hauses entfielen, sei es dagegen wesentlich, daß nach der Schätzung des vernommenen Sachverständigen von den Baukosten 75 v. H. auf nachgeholte Instandsetzungen und 25 v. H. auf Wertverbesserungen an dem Haus entfielen. Von den im Streitjahr aufgewendeten 14 207 DM seien daher nicht sofort abzugsfähig 3/5 als anschaffungsnahe zusätzliche Erwerbskosten und von den weiteren 2/5 der Baukosten 25 v. H. als auf die vom Bf. nicht käuflich erworbenen Hausanteile entfallende Werterhöhung. Daß die Feststellung der Einkünfte des Bf. aus Vermietung und Verpachtung eigentlich im Wege einer einheitlichen Feststellung hätte erfolgen müssen, da er nicht Alleineigentümer des Hauses, sondern nur Miteigentümer zu 4/5 sei, könne unbeachtet bleiben, da der Bf. alle Einnahmen erhalte und alle Ausgaben für das Haus trage und er der außer ihm beteiligten Schwägerin jährlich einen festen Betrag von 840 DM für ihre Beteiligung am Haus auszahle.

Der Bf. rügt mit der Rb. unrichtige Berechnung seines Einkommens durch das Finanzgericht. Das Finanzgericht habe die Bauaufwendungen zu niedrig angesetzt. Die AfA des Hauses sei von etwa 59 000 DM, und nicht von 51 944 DM zu berechnen, wie es das Finanzgericht getan habe. In übrigen habe es sich aber nicht um einen Erwerb im üblichen Sinne gehandelt. Es sei ihm nämlich nicht darauf angekommen, ein Grundstück zu kaufen oder sein Geld anzulegen, sondern darauf, seinen Geschwistern zu helfen, die Geld gebraucht hätten. Es liege auch kein anschaffungsnaher Aufwand vor; denn es sei Zufall, daß ihm im Jahre 1957 von seinem früheren Vermieter die Wohnung gekündigt worden sei. Wenn er seine frühere Mietwohnung nicht hätte aufgeben müssen, wäre das Haus weiterbenutzt worden wie vorher.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Schwägerin ist auf Grund einer mit dem Bf. getroffenen Vereinbarung an den Erträgen des Hauses nicht entsprechend der Höhe ihres Eigentumsanteils beteiligt, sondern mit einem festen Betrag von 840 DM netto. Eine derartige Abrede ist möglich und auch steuerlich zu beachten. Da sich demnach die gesamten Einnahmen und Ausgaben des Hauses nur bei dem Bf. auswirken, hätte eine einheitliche Feststellung keine besondere Bedeutung. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht eine einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht für erforderlich gehalten hat (ß 215 Abs. 4 letzter Satz AO).

Es ist dem Finanzgericht auch darin zu folgen, daß die vom Bf. bezahlten Baukosten anschaffungsnaher Aufwand sind, und daß sie deshalb steuerlich Teil der Erwerbskosten für die drei Miteigentumsanteile sind, die der Bf. in den Jahren 1954, 1955 und 1957 erworben hat (siehe hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs IV 166/59 U vom 2. März 1961, BStBl 1961 III S. 458, Slg. Bd. 73 S. 528; Urteil des Senats VI 212, 213/61 U vom 26. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 39). Der Einwand des Bf., seine Aufwendungen für das Haus seien nicht anschaffungsnah, kann nicht durchdringen. In dem Urteil IV 166/59 U (a. a. O.), in dem gleichfalls Miteigentumsanteile erworben wurden, wurde darauf abgestellt, ob die Aufwendungen zeitlich nahe bei dem Erwerb des letzten Anteils lagen. Wendet man diese Erwägungen im Streitfall entsprechend an, sind die Aufwendungen des Bf. als anschaffungsnah anzusehen, da der letzte Anteil 1957 erworben wurde (siehe auch Urteil des Senats VI 212, 213/61 U, a. a. O.). Wenn der Bf. vielleicht auch erst durch die Kündigung seiner früheren Mietwohnung veranlaßt wurde, selbst in das Haus zu ziehen und die Baukosten für seine Instandsetzung aufzuwenden, so hat er die umfassende Erneuerung des Gebäudes doch in unmittelbarem Anschluß an den Erwerb des dritten Miteigentumsanteils in Angriff genommen, für den er mit 16 000 DM wesentlich mehr bezahlt hat als für die beiden anderen in den Jahren 1954 und 1955 erworbenen Anteile. Unter diesen Umständen entspricht die Zurechnung der Bauaufwendungen zu den Anschaffungskosten der Miteigentumsanteile dem Sinne der Rechtsprechung.

Daß der Bf. einen der Miteigentumsanteile noch nicht besitzt, also nur zu 4/5 Miteigentümer des Hauses ist, schließt nach Auffassung des Finanzgerichts die Aufwendung der vom Bundesfinanzhof entwickelten Grundsätze über die Zurechnung von anschaffungsnahen Bauaufwendungen zu den Anschaffungskosten nicht aus. Ob diese Beurteilung für alle Fälle des Erwerbs von Miteigentumsanteilen an einem Haus zutrifft, ist zweifelhaft. Bei der Entscheidung dieses Rechtsstreits braucht dies jedoch nicht abschließend entschieden zu werden; denn wenn - wie im Streitfall - ein Miteigentümer nahezu alle Miteigentumsanteile besitzt und, wie der Bf., wirtschaftlich als Alleineigentümer über das Haus verfügt, so ist er auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von anschaffungsnahen Bauaufwendungen wie ein Alleineigentümer zu behandeln.

Der Teil der Baukosten, der auf den vom Bf. ererbten Anteil und auf den seiner Schwägerin entfällt, ist - wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat - kein anschaffungsnaher Aufwand in diesem Sinn, da insoweit kein Zusammenhang mit einem entgeltlichen Erwerbsvorgang besteht. Dieser Teil der Aufwendungen ist vielmehr für die Besteuerung nach den Grundsätzen über Herstellungsaufwand und Erhaltungsaufwand zu behandeln. Die Aufteilung dieses Teils der Baukosten in Herstellungsaufwand und nachgeholten Erhaltungsaufwand bereitet Schwierigkeiten. Das Finanzgericht hat hierzu einen Sachverständigen vernommen und sich dessen Schätzung angeschlossen. Gegen dieses Vorgehen bestehen keine Bedenken.

Bei der Berechnung ist das Finanzgericht jedoch, wie auch das Finanzamt einräumt, zu einem unrichtigen Einkommen gekommen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache zur nochmaligen rechnerischen Feststellung des Einkommens an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410636

BStBl III 1963, 88

BFHE 1963, 244

BFHE 76, 244

BB 1963, 260

DB 1963, 404

DStR 1962/63, 274

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