Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Abrechnungspapier, das eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers nicht ermöglicht oder den Leistungsgegenstand nicht hinreichend bezeichnet, rechtfertigt den Vorsteuerabzug nicht.

2. Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers hängt nicht davon ab, daß der leistende Unternehmer die von ihm geschuldete Umsatzsteuer an das FA entrichtet.

 

Normenkette

UStG 1973 § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr (1979) ein Baugeschäft. Zur Erfüllung ihrer Werkverträge bediente sie sich verschiedener Dritter, die ihr unter Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vom 7. August 1972 (BGBl I 1972, 1393) Arbeitskräfte gegen Entgelt zur Verfügung stellten. Die Dritten, u.a. die ...bau sowie die X GmbH (im folgenden: GmbH), wiesen in den der Klägerin erteilten Rechnungen als ausgeführte Leistungen nicht die Arbeitnehmerüberlassung, sondern die von den Arbeitskräften erstellten Gewerke aus. Die GmbH bezifferte in ihren datierten Rechnungen jeweils eine bestimmte Menge Mauerwerk, einen Nettopreis, offen ausgewiesene Umsatzsteuer sowie einen Bruttopreis. Angaben zu Zeit und Ort der Leistungen enthalten die Rechnungen nur in Einzelfällen. Die der Klägerin von der GmbH überlassenen Arbeitnehmer führten auf den Baustellen der Klägerin ausschließlich Maurerarbeiten aus, wobei sie die in den Rechnungen umschriebenen Leistungserfolge tatsächlich erbrachten.

Gesellschafter der GmbH waren der niederländische Staatsangehörige Y und der deutsche Staatsangehörige Z. Die GmbH war ordnungsbehördlich angemeldet, wurde aber nicht in das Handelsregister eingetragen. Die ihr obliegenden steuerrechtlichen Pflichten erfüllte sie nicht.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1979 die in den Rechnungen der GmbH, der ...bau und weiterer Firmen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug zu. Der Einspruch blieb erfolglos.

Nachdem das FA während des finanzgerichtlichen Verfahrens im Umsatzsteuerbescheid für 1979 vom 26. April 1989 einen Teil der geltend gemachten Vorsteuerbeträge abgesetzt hatte und dieser Bescheid auf Antrag der Klägerin Gegenstand des Verfahrens geworden war, gab das Finanzgericht (FG) der Klage in bezug auf die Rechnungen der GmbH statt. Es setzte die Umsatzsteuer für 1979 auf ... DM fest. Im übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung der teilweisen Klagestattgabe führte es aus: Die mit X GmbH überschriebenen Rechnungen ließen die Ermittlung des leistenden Unternehmers noch hinreichend eindeutig und leicht nachprüfbar zu. Teilnehmer am Rechtsverkehr hätten aufgrund der Namensangabe der Gesellschafter im Kopfteil der Rechnungen der in Gründung befindlichen GmbH, aufgrund der zutreffend angegebenen Geschäftsadresse und der ordnungsbehördlichen Anmeldung leicht und eindeutig die natürlichen Personen ermitteln können, die unter der Firma der GmbH aufgetreten seien. Auch die in den streitbefangenen Rechnungen enthaltenen Leistungsbeschreibungen genügten den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973). Im Abrechnungspapier seien Angaben tatsächlicher Art erforderlich, welche die Identifizierung der Leistung ermöglichten, über die abgerechnet worden sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973. Zur Begründung bringt es vor: Die Angaben in den Rechnungen der GmbH seien unrichtig, da sie nicht die in Wahrheit vorliegende Arbeitnehmerüberlassung als Leistungsgegenstand beschrieben. Außerdem fehlten Hinweise auf Ort und Zeitpunkt der Leistungen. Im übrigen lasse sich der tasächlich Leistende nicht eindeutig und leicht nachprüfbar aus den Angaben in den Rechnungen ersehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen stand.

Das FG hat aufgrund seiner Feststellungen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zu Recht angenommen, daß das FA der Klägerin den umstrittenen Vorsteuerabzug nicht hätte verweigern dürfen, und zwar weder im Hinblick auf die nach dem UStG 1973 erforderlichen Angaben in Rechnungen noch mit Rücksicht auf die Regelungen des AÜG.

a) Nach der im Streitjahr maßgebenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 kann der Unternehmer - unter hier nicht umstrittenen weiteren Voraussetzungen - u.a. die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für sonstige Leistungen als Vorsteuerbeträge abziehen.

aa) Diese Vorschrift setzt zunächst voraus, daß das Abrechnungspapier solche Angaben über den abrechnenden (leistenden) Unternehmer aufweisen muß, die dessen Identifizierung ermöglichen. Ob Identifizierbarkeit mit Hilfe der Angaben im Abrechnungspapier vorliegt, kann nicht ohne Berücksichtigung des Aufwandes bestimmt werden, der für die Ermittlung des abrechnenden (leistenden) Unternehmers erforderlich ist. Wegen der den Abrechnungspapieren im Rahmen des Vorsteuerabzugs zugedachten Funktion eines Belegnachweises (vgl. Senatsurteile vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694, jeweils unter 7. letzter Absatz) muß der Aufwand zur Identifizierung des Unternehmers begrenzt sein. Es ist deshalb für die Angaben im Abrechnungspapier zu fordern, daß diese eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Unternehmers ermöglichen (Senatsurteil vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205, m.w.N.).

Das FG hat die Umstände des Streitfalls dahin gewürdigt, daß sich der in Wahrheit abrechnende (leistende) Unternehmer aus den streitbefangenen Rechnungen leicht und eindeutig entnehmen lasse. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, daß in den Rechnungen die Namen der Gesellschafter der GmbH und der Unternehmenssitz zutreffend angegeben sind und das Unternehmen ordnungsbehördlich angemeldet war.

Der Umstand, daß die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen wurde, ist nicht entscheidend.

Eine rechtlich zutreffende Qualifizierung des Unternehmers in der Rechnung ist nicht Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Wie auch bei der Leistungsbeschreibung (dazu unter bb) reichen tatsächliche Angaben aus, die die Identifizierung des Unternehmers ermöglichen.

bb) § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 fordert ferner, daß die Abrechnungspapiere den Leistungsgegenstand bezeichnen. Es genügt, wenn die Abrechnungspapiere Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche - ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel - die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Hierbei ist es grundsätzlich zulässig, daß der Rechnungsaussteller, statt die Leistungshandlung zu beschreiben, mit Angaben tatsächlicher Art den beim Leistungsempfänger eintretenden Erfolg der Leistungshandlung bezeichnet. Dementsprechend kann es je nach den Umständen des Einzelfalles genügen, daß bei einer Arbeitnehmerüberlassung in den Abrechnungspapieren diejenigen Gewerke angegeben sind, die der Leistungsempfänger durch die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer hat ausführen lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeitnehmer für die Herstellung bestimmter Gewerke überlassen werden und sie diese Gewerke auch erstellt haben (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1993 V R 30/88, BFHE 170, 283, BStBl II 1993, 384).

Das FG ist danach von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Seine Auffassung, daß die in den Rechnungen enthaltenen Leistungsbeschreibungen noch ausreichend seien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat festgestellt, daß die der Klägerin überlassenen Arbeitnehmer die mit der Gewerkbezeichnung umschriebenen Leistungserfolge tatsächlich erbracht haben.

Soweit die Rechnungen keine Angaben zu Ort und Zeit der Leistungen enthalten, kann dies zwar - wie das FA grundsätzlich zutreffend ausführt - einen Nachweismangel darstellen. Im Streitfall stand dieser Mangel aber der Identifizierbarkeit der Leistungen aus den Belegen nach der jedenfalls vertretbaren Würdigung durch das FG nicht entgegen.

Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Im Urteil vom 24. April 1986 V R 138/78 (BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581) hat es der Senat als für den Vorsteuerabzug ausreichend angesehen, daß in den seinerzeit umstrittenen Rechnungen die Spalte für die Artikelnummer unausgefüllt geblieben war, so daß, was die Bezeichnung des Leistungsgegenstandes anbelangt, auf Grund der Rechnungen im wesentlichen nur feststand, die Leistende, eine Lebensmittel-Handelsgesellschaft, habe an die den Lebensmitteleinzelhandel betreibende Klägerin im Werte bestimmter Rechnungsbeträge Waren aus einem Kreis von vierzehn Warengruppen geliefert, wobei lediglich eine Unterscheidung nach dem Steuersatz ersichtlich war. Auch die Bezeichnung von erbrachten Leistungen als Montage von Einbauschränken in dem dem Senatsurteil in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688 zugrunde liegenden Fall rechtfertigte nach Ansicht des Senats den Vorsteuerabzug.

b) Wie der Senat im Urteil vom 21. Januar 1993 V R 30/88 (siehe oben) näher ausgeführt hat, ist es für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers unerheblich, ob wegen Verstoßes gegen das AÜG nur unwirksame Verträge vorliegen. Entscheidend für das Umsatzsteuerrecht sind die tatsächlichen Leistungsvorgänge.

c) Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers hängt nicht davon ab, daß der leistende Unternehmer die von ihm geschuldete Umsatzsteuer an das FA entrichtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419184

BFH/NV 1994, 584

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