Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerbegünstigung bei Abfindung im Zusammenhang mit vergeblicher Änderungskündigung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (NV)

Eine im Zusammenhang mit der vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung ist weder steuerfrei noch steuerermäßigt, sofern die Kündigung darauf beruht, daß der Arbeitnehmer vergeblich versucht hat, das Arbeitsverhältnis als Teilzeitarbeitsverhältnis fortzusetzen.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 9, § 24 Nr. 1 Buchst. a, b, § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist selbständiger . . . Die Ehefrau war als kaufmännische Angestellte tätig. Nach Geburt eines Sohnes nahm sie Erziehungsurlaub und begehrte im Anschluß daran die Beschäftigung als Teilzeitkraft. Dies lehnte der Arbeitgeber ab. Die Klägerin kündigte daraufhin zum 31. März 1988 das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber zahlte ihr eine steuerfrei belassene Abfindung in Höhe von 5000 DM. In dem Vertrag hierüber ist u. a. ausgeführt, daß betriebsintern dem Wunsch der Klägerin nach einer Teilzeitarbeit nicht entsprochen werden könne und sich die Parteien deshalb auf jeden Fall trennen müßten. Die Abfindung werde gemäß §§ 9 und 10 des Kündigungsschutzgesetzes gezahlt. In einem neueren Schreiben führte der Arbeitgeber aus, die Abfindung sei einzig und allein wegen des Verlustes des Besitzstandes nach einer 15jährigen Betriebszugehörigkeit gezahlt worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte den Betrag als steuerpflichtige Einnahme.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei von dem Arbeitgeber veranlaßt worden. Wer die Kündigung letztendlich ausgesprochen habe, sei unerheblich. Die Klägerin sei bereit gewesen, das Arbeitsverhältnis - wenn auch unter anderen Bedingungen - fortzusetzen. Bei der Abfindung handele es sich weder um eine verdeckte Gehaltszahlung noch um eine sonstige Arbeitsvergütung, sondern um eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Auch wenn die Gründe für das Ausscheiden der Klägerin ausschließlich in deren privatem Bereich zu suchen seien, müsse die Steuerfreiheit der Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG möglich sein. Grund zu dieser Annahme gebe das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Januar 1980 VI R 165/77 (BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205).

Unter dem 22. August 1991 hat das FA einen geänderten Bescheid erlassen. Die Kläger haben den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Abfindung ist weder steuerbefreit noch ermäßigt zu besteuern.

1. § 3 Nr. 9 EStG verlangt eine vom Arbeitgeber veranlaßte oder gerichtlich ausgesprochene Auflösung des Dienstverhältnisses. Vom Arbeitgeber ,,veranlaßt" ist die Auflösung des Dienstverhältnisses nach der Rechtsprechung des BFH, wenn der Arbeitgeber die entscheidenden Ursachen für die Auflösung des Dienstverhältnisses gesetzt hat und dem Arbeitnehmer im Hinblick auf dieses Verhalten eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann (Urteil in BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205, m. w. N.; vgl. ferner von Beckerath in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. B 9/11).

Entgegen der Auffassung der Kläger hat im Streitfall die Klägerin die entscheidende Ursache für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt. Sie hat von sich aus das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Arbeitgeber nicht bereit war, das bestehende Arbeitsverhältnis in ein Teilzeitarbeitsverhältnis umzuwandeln. Der Grund für die Auflösung des bestehenden Arbeitsverhältnisses lag damit eindeutig im Bereich der Klägerin, die aus persönlichen Gründen das Arbeitsverhältnis nicht zu den bestehenden Bedingungen fortsetzen wollte. Dagegen kann die Weigerung des Arbeitgebers, auf die Änderungswünsche der Klägerin einzugehen, nicht als die entscheidende Ursache angesehen werden. Die Weigerung des Arbeitgebers ist lediglich die Reaktion auf das Änderungsverlangen der Klägerin.

2. Die Abfindung ist keine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Der Begriff der Entschädigung setzt u. a. voraus, daß der Steuerpflichtige unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat, sofern er selbst an der Herbeiführung des Schadens mitgewirkt hat; er darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 1990 X R 45/86, BFH/NV 1991, 88, und vom selben Tag X R 46/86, BFHE 161, 370, BStBl II 1990, 1020). Wie im einzelnen unter 1. ausgeführt, hat die Klägerin die Auflösung des Dienstverhältnisses veranlaßt.

3. Die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG scheitert bereits daran, daß die Abfindung der Klägerin nicht (als Gegenleistung) für die Aufgabe oder Nichtausübung ihrer Tätigkeit gewährt wurde (vgl. Urteil in BFH/NV 1991, 88).

4. Schließlich kommt auch eine Verteilung der Abfindung gemäß § 34 Abs. 3 EStG nicht in Betracht. Wie die Kläger selbst mehrfach betont haben, stellte die Entschädigung keine (nachträgliche) Entlohnung für eine Tätigkeit dar, die sich über mehrere Jahre erstreckt hatte (vgl. auch Urteil in BFH/NV 1991, 88).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63626

BFH/NV 1992, 305

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