Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschußerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (hier: Aktienanlage); keine (bestandskräftige) Entscheidung über Verlustrücktrag im Verlustfeststellungsverfahren nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG vor 1998

 

Leitsatz (NV)

  1. Ob der Steuerpflichtige in bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Überschußerzielungsabsicht besitzt, hängt von einer unter Heranziehung aller objektiven Umstände zu treffenden (Wahrscheinlichkeits-)Prognose über
  2. die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, d.h. die mutmaßliche Zeitspanne des Haltens der (konkreten) Kapitalanlage,
  3. die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielten steuerpflichtigen Erträge und
  4. die in dieser Zeitspanne voraussichtlich anfallenden Erwerbsaufwendungen ab.
  5. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr bilden sowohl der Verlust oder Werbungskostenüberschuß als auch der (positive oder negative) Gesamtbetrag der Einkünfte keine selbständig anfechtbaren, als solche bestandskräftig festgestellten Besteuerungsgrundlagen (vgl. § 157 Abs. 2 AO 1977). Solche unselbständigen Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuerfestsetzung können deshalb auch keine Bindungswirkung für Folgescheide entfalten.

Auch im Zuge des Verfahrens über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG 1988 wird bestandskräftig lediglich über die Höhe des in die künftigen Veranlagungszeiträume vorzutragenden Verlustes, nicht dagegen über die Höhe des Verlustrücktrages entschieden.

 

Normenkette

AO 1977 § 157 Abs. 2; EStG 1988 § 10d Abs. 1, 3 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster (EFG 1997, 350)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) und ihr 1994 verstorbener Ehemann X waren in den Streitjahren 1988 bis 1990 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die Kläger und Revisionskläger zu 2 bis 6 (Kläger zu 2 bis 6) sind die Kinder und Erben des X.

Am … Dezember 1989 wurde das Grundkapital der A-AG (AG) von 3 235 000 DM um 1 295 000 DM erhöht. Sämtliche jungen Aktien (12 950 Stück im Nennwert von 100 DM) zeichnete der Hauptaktionär Y. Der Ausgabebetrag je Aktie betrug 2 207,50 DM (Aufgeld je Aktie: 2 107,50 DM). Die Kapitalerhöhung wurde am … Januar 1990 in das Handelsregister eingetragen.

Zwischen Y und X wurden am 19. Dezember 1989 ein "Treuhandvertrag" und eine weitere Vereinbarung getroffen. In dem "Treuhandvertrag" heißt es u.a.:

"Die AG hat in der a.o. Hauptversammlung vom … 12. 1989 … eine Erhöhung des Grundkapitals um 1 295 000 DM durch Ausgabe von 12 950 … Aktien von je 100 DM beschlossen …

Der Treugeber (X) ist daran interessiert, die im Zuge der vorgenannten Kapitalerhöhung entstehenden Aktien im Nominalbetrag von 906 000 DM (= 20 % des neuen Grundkapitals der AG) zu erwerben, ohne nach außen als Erwerber und Aktionär in Erscheinung zu treten …

Treuhänder (Y) verpflichtet sich, … die neuen Aktien … auf Gefahr und Rechnung des Treugebers (X) zu halten …

Der Treugeber (X) stellt dem Treuhänder (Y) zur Leistung der Bareinlage … den Nennbetrag … von 906 000 DM … zuzüglich des zu leistenden Mehrbetrages (Aufgeld) in Höhe von 19 093 950 DM … (zusammen also 19 999 950 DM) zur Verfügung.

Die Zahlung hat bis zum 20. 12. 1989 … bei der AG … zu erfolgen …"

In dem weiteren Vertrag vom selben Tag vereinbarten X und Y in bezug auf die von X erworbenen Aktien ein Ankaufsrecht und eine Erwerbsverpflichtung für Y. Danach hatte Y das Recht, die Aktien zum Preis von 20 Mio. DM zurückzuerwerben. Der Kaufpreis sollte sich jährlich um 15 % von 20 Mio. DM abzüglich zwischenzeitlicher Ausschüttungen erhöhen. X konnte seinerseits von Y verlangen, daß dieser die Aktien zu denselben Konditionen zurückerwarb. X finanzierte den Kaufpreis von 19 999 950 DM wie folgt:

- 3 459 950 DM mit Eigenmitteln;

- 16 540 000 DM mit Refinanzierungskrediten, und zwar 9 Mio. DM Darlehen der D-Bank, Laufzeit: fünf Jahre, keine laufenden Tilgungen, sondern Endfälligkeit vorgesehen; Zinssatz: ca. 7,2 %, Disagio: 540 000 DM, gezahlt in 1989;

- 2,54 Mio. DM: Darlehen der D-Bank, Laufzeit: zwei Jahre, ebenfalls keine laufenden Tilgungen, sondern Endfälligkeit vorgesehen; Zinssatz: ca. 8,8 %;

- 5 Mio. DM: Darlehen der A-Bank, ohne feste Laufzeit.

Bereits am 8. August 1990 machte Y von seinem Ankaufsrecht Gebrauch und erwarb die Aktien von X zum Preis von 20 Mio. DM zurück. In Höhe des Kaufpreises von 20 Mio. DM gewährte X dem Y ein Darlehen zu 8 % Zinsen bis zum 15. November 1990. An diesem Tag zahlte Y an X 15 Mio. DM. Über die restlichen 5 Mio. DM gewährte X dem Y ein weiteres verzinsliches Darlehen bis zum 15. November 1991, das später wiederholt verlängert wurde. X verwendete die von Y am 15. November 1990 gezahlten 15 Mio. DM zur Rückführung der Refinanzierungsdarlehen sowie in Höhe von 9,1 Mio. DM zum Erwerb einer mit 9 % verzinslichen …anleihe.

X zahlte im Streitjahr 1989 neben dem Disagio für das erste Darlehen in Höhe von 540 000 DM Zinsen auf die drei Refinanzierungskredite in Höhe von zusammen 24 098 DM. Im Streitjahr 1990 entrichtete er für die drei Darlehen Schuldzinsen in Höhe von insgesamt 1 164 999 DM. Noch vor der (Rück-)Veräußerung seines Aktienpakets an Y am 8. August 1990 vereinnahmte X am 20. Juli 1990 folgende Ausschüttungen der AG:

Steuerpflichtige Dividende (brutto einschließlich Körperschaftsteuergutschrift):

554 853 DM Nichtsteuerbare EK 04-Ausschüttung: 2 118 274 DM Das gesamte EK 04 der AG hatte am 31. Dezember 1989, was X im Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien bekannt war, 13 420 000 DM betragen. X bezog in seine Renditeüberlegungen auch eine steuerfreie Ausschüttung von EK 04 ein. Mit einer solchen steuerfreien Ausschüttung habe er aber, so die Kläger, nur bei der ersten Ausschüttung rechnen können.

X machte die Refinanzierungskosten in den Streitjahren 1989 (Disagio: 540 000 DM + Zinsen: 24 098 DM) und 1990 (Zinsen: 1 164 999 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) führte die Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1989 und 1990 zunächst entsprechend den eingereichten Einkommensteuererklärungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch. Nach einer näheren Überprüfung versagte es jedoch den Abzug der streitigen Finanzierungskosten, weil diese Aufwendungen im Zusammenhang mit der nichtsteuerpflichtigen EK 04-Ausschüttung gestanden hätten. Die entsprechenden, auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsfestsetzungen für 1989 und 1990 führten zugleich zu einem Wegfall eines Verlustrücktrages von 1990 in das Streitjahr 1988, so daß auch die Einkommensteuerfestsetzung 1988 geändert wurde.

Im anschließenden Einspruchsverfahren erkannte das FA die streitigen Finanzierungsaufwendungen teilweise an und kürzte in den erneuten Einkommensteuer-Änderungsbescheiden 1989 und 1990 vom 28. Dezember 1993 die von X geltend gemachten Werbungskosten um 92 318 DM (1989) und 729 525 DM (1990). Bei dem Wegfall des Verlustrücktrages nach 1988 verblieb es.

Während des anschließenden Klageverfahrens ist der Einkommensteuerbescheid 1990 vom 28. Dezember 1993 durch Bescheid vom 15. Februar 1995 wegen eines Verlustrücktrages aus dem Veranlagungszeitraum 1992 erneut geändert und die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM festgesetzt worden. Die Kläger haben diesen Änderungsbescheid vom 15. Februar 1995 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Kläger beantragten im finanzgerichtlichen Verfahren, die vom FA nicht zum Abzug zugelassenen Finanzierungsaufwendungen in Höhe von 92 318 DM (1989) und 729 525 DM (1990) als Werbungskosten anzuerkennen und die Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 entsprechend zu ändern.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage zum Teil stattgegeben (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 350).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen (sinngemäß), das angefochtene FG-Urteil aufzuheben sowie die Einkommensteuer für die Streitjahre 1988 bis 1990 unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 22. Juli 1993 (1988), vom 28. Dezember 1993 (1989) und vom 15. Februar 1995 (1990) mit der Maßgabe festzusetzen, daß

a) für 1989 weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 73 162 DM und für 1990 weitere Werbungskosten in Höhe von 578 149 DM berücksichtigt werden;

b) für 1988 ein Verlustrücktrag aus 1990 in Höhe von 247 208 DM vorgenommen wird und

c) im Streitjahr 1990 ein Verlustrücktrag aus 1992 unterbleibt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Kläger ist in bezug auf die Streitjahre 1988 und 1989 begründet und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). In bezug auf das Streitjahr 1990 führt die Revision der Kläger zur (ersatzlosen) Aufhebung des im angefochtenen Urteil enthaltenen Ausspruchs, daß der "Verlustrücktrag aus 1992 in 1990 … 315.282 DM (betrage)". Der erstmals im Revisionsverfahren gestellte Antrag der Kläger, festzustellen, daß ein Verlustrücktrag aus 1992 in 1990 unterbleibe, wird als unzulässig verworfen.

1. Streitjahr 1989

In bezug auf das Streitjahr 1989 ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Würdigung seitens des FG, X habe im Streitjahr 1989 die Absicht verfolgt, mit der erworbenen Aktienanlage einen Überschuß der nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtigen Dividenden über die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen zu erzielen, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht haltbar.

a) Die Absicht zur Erzielung von Kapitaleinkünften setzt das Streben des Steuerpflichtigen voraus, durch die Vermögensnutzung ein positives Ergebnis, d.h. einen (Total-)Überschuß der (steuerpflichtigen) Kapitaleinnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Maßgebend ist dabei das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung, wobei allerdings nichtsteuerbare und steuerfreie Veräußerungsgewinne außer Betracht bleiben (vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c aa ―2― der Gründe, m.w.N.). Die Absicht zur Erzielung von Einnahmeüberschüssen stellt eine innere Tatsache dar, die ―wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge― nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Das Vorliegen oder Fehlen einer solchen Absicht ist daher aus in der Außenwelt erkennbaren ―objektiven― Umständen (Indizien und Beweisanzeichen) zu erschließen (vgl. z.B. BFH-Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c bb, m.w.N.). Die Beantwortung der Frage, ob der Steuerpflichtige eine Überschußerzielungsabsicht besaß, hängt nach diesen Grundsätzen von einer unter Heranziehung aller objektiven Umstände zu treffenden (Wahrscheinlichkeits-)Prognose über

1. die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, d.h. die mutmaßliche Zeitspanne des Haltens der (konkreten) Kapitalanlage,

2. die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielten steuerpflichtigen Erträge und

3. die in dieser Zeitspanne voraussichtlich anfallenden Erwerbsaufwendungen

ab.

Ist aufgrund einer solchen Prognose nach den maßgeblichen Verhältnissen des Streitjahres nicht zu erwarten, daß der Steuerpflichtige das Anlageobjekt längerfristig nutzen werde und auf die Dauer der Vermögensnutzung gesehen ein ―wenn auch bescheidenes― positives Gesamtergebnis erzielen könne, so ist die Überschußerzielungsabsicht zu verneinen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116, unter I. 2. der Gründe, betreffend Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung).

b) Das FG hat seine für die Kläger günstige Schlußfolgerung, daß X eine Überschußerzielungsabsicht besessen habe, maßgebend auf die Annahme gestützt, daß X mit dem Erwerb der Aktien ein langfristiges Engagement eingegangen sei. Die vom FG zur Stützung der letzteren Annahme festgestellten objektiven Umstände (Indizien) erlauben indessen nicht den möglichen Schluß auf ein längerfristiges Aktienengagement des X. Die dahingehende Folgerung des FG ist nicht nachvollziehbar, weil ein wesentliches Indiz zur Beurteilung der voraussichtlichen Haltensdauer der Aktienanlage nicht (erkennbar) gewürdigt wurde.

aa) Bei dem vom FG aus den objektiven Umständen gezogenen Schluß auf die Dauerhaftigkeit der Aktienanlage des X und bei der daraus getroffenen weiteren Folgerung, daß X die Absicht zur Erzielung von Einnahmeüberschüssen besessen habe, handelt es sich um Schlußfolgerungen tatsächlicher Art, die zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. von § 118 Abs. 2 FGO gehören (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rdnr. 29) und deshalb das Revisionsgericht grundsätzlich binden. Der BFH kann solche Tatsachenwürdigungen nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang stehen. Ist das zu bejahen, so ist die Tatsachenwürdigung auch dann für den BFH bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rdnr. 40, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Sind aber z.B. Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt geblieben oder fehlt eine nachvollziehbare Ableitung der Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, liegt darin ein Fehler bei der Rechtsanwendung (materiell-rechtlicher Fehler), der auch ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944, unter B. 2. c der Gründe, m.w.N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 FGO Rdnr. 10, m.w.N.).

bb) Ein solcher Fehler ist dem FG im Streitfall unterlaufen:

Zur Begründung seiner Prognose, daß X ein längerfristiges Engagement von (mindestens) fünf Jahren eingegangen sei, hat das FG zunächst angeführt, daß es sich nicht um börsennotierte Aktien gehandelt habe. Richtig ist zwar, daß börsengängige Aktien regelmäßig leichter verwertbar sind als nicht an der Börse notierte Anteile an Kapitalgesellschaften. Im Streitfall bestand jedoch die Besonderheit, daß X die Aktien im Hinblick auf die von Y eingegangene Erwerbsverpflichtung jederzeit an diesen zu einem um 15 % (abzüglich zwischenzeitlich von X vereinnahmter Ausschüttungen) erhöhten Kaufpreis veräußern konnte (zur Deutung solcher Erwerbsverpflichtungen Dritter als Beweisanzeichen gegen die Absicht des Steuerpflichtigen, die Vermögensanlage langfristig zu nutzen, vgl. die zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergangenen BFH-Urteile in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116, unter 2. und 3. der Gründe; vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462, unter 3. a der Gründe, betreffend "Rückkaufsangebot" und "Verkaufsgarantie").

Des weiteren hat das FG seine Prognose mit der Erwägung begründet, daß X den Erlös aus dem Verkauf der Aktien an Y "wiederum" langfristig (durch Gewährung eines Darlehens an Y und Erwerb einer …anleihe) angelegt habe. Auch diese Erwägung überzeugt schon deshalb nicht, weil die langfristige Anlage des durch Umschichtung gewonnenen Vermögens nichts darüber aussagt, ob auch die ursprüngliche ―alte― Kapitalanlage als langfristige gelten mußte.

Schließlich hat das FG seine Prognose vor allem auf die (von ihm für glaubhaft gehaltenen) Äußerungen der Kläger und des an den seinerzeitigen Vertragsverhandlungen zwischen X und Y beteiligten Steuerberater Z gestützt, daß X beabsichtigt habe, die Aktien langfristig zu halten und dementsprechend ―in Höhe von 9 Mio. DM― ein längerfristiges Refinanzierungsdarlehen aufgenommen habe. Angesichts des für X im Hinblick auf die Erwerbsverpflichtung des Y zu einem um 15 % erhöhten Kaufpreis äußerst vorteilhaften Engagements mag X zwar gehofft haben, die Aktien möglichst lange halten zu können, und mag es demzufolge unwahrscheinlich gewesen sein, daß X von sich aus dem Y die Aktien innerhalb kürzerer Zeit nach dem Erwerb zum Kauf "andiente". Indessen rechtfertigte diese bloße Hoffnung allein im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalles die vom FG getroffene Prognose einer längerfristigen Aktienanlage des X nicht. Das FG hätte vielmehr bei seiner Tatsachenwürdigung und Prognose den Umstand beachten müssen, daß X in Betracht des jederzeit ausübbaren Ankaufsrechts des Y stets und auch kurzfristig gewärtigen mußte, sein (wirtschaftliches) Eigentum an den Aktien an Y zu verlieren (vgl. hierzu auch die zu den vergleichbaren Fällen des sog. Mietkaufmodells bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergangenen BFH-Urteile vom 31. März 1987 IX R 111/86, BFHE 150, 7, BStBl II 1987, 668, unter 2. der Gründe, und IX R 112/83, BFHE 150, 325, BStBl II 1987, 774, unter 2. der Gründe; vom 11. August 1987 IX R 143/86, BFH/NV 1988, 292, unter 3. der Gründe; vom 30. Oktober 1990 IX R 92/89, BFH/NV 1991, 390; vom 15. September 1992 IX R 15/91, BFH/NV 1994, 301).

Bei dieser Sachlage kam der von X gewählten mittelfristigen Refinanzierung der Kapitalanlage keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 301, unter I. 2. der Gründe). Das FG hätte hier von einem längerfristigen Aktienengagement des X allenfalls ausnahmsweise dann ausgehen dürfen, wenn nach den Gesamtumständen des Falles die Ausübung des Ankaufsrechts durch Y innerhalb kürzerer Frist als fernliegend erschien. Dafür bieten indessen weder die bisher vom FG getroffenen Feststellungen noch der Klägervortrag einen Anhalt. Im Gegenteil: Gerade wegen der mit dem Aktienerwerb für X verbundenen enormen Vorteile und der damit korrespondierenden gravierenden Nachteile für Y lag die Annahme nahe, daß Y sein Ankaufsrecht zwecks Abwendung der Jahr für Jahr eintretenden Kaufpreiserhöhung von 15 % so rasch wie möglich ausüben werde. Die späteren Ereignisse ―die Ausübung der Kaufoption seitens des Y bereits sieben Monate nach dem Erwerb der Aktien durch X― bestätigen diese Annahme (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 301, unter I. 2. der Gründe).

Der dem FG bei seiner Folgerung, es müsse von einem längerfristigen Aktienengagement des X ausgegangen werden, unterlaufene Fehler liegt vor allem darin, daß es den für eine dahingehende Prognose gewichtigen Umstand, daß Y dem X die Aktien jederzeit "entziehen" konnte, überhaupt nicht in Betracht gezogen und ihm deswegen auch keine Beachtung geschenkt hat.

cc) Infolge des vorstehend aufgezeigten Mangels entfällt die Bindung des BFH an die Tatsachenwürdigung des FG. Der Wegfall der Bindungswirkung i.S. von § 118 Abs. 2 FGO führt indessen grundsätzlich nicht dazu, daß der BFH die vom FG festgestellten (Hilfs-)Tatsachen selbst würdigen darf. Die Sache geht deshalb an das FG zurück, damit dieses eine erneute ―rechtsfehlerfreie― Tatsachenwürdigung unter Beachtung der soeben aufgezeigten Gesichtspunkte vornehmen kann. Gelangt das FG dabei zu der (naheliegenden) Schlußfolgerung, daß nur von einem kurzfristigen, auf die Streitjahre 1989 und 1990 begrenzten Aktienengagement ausgegangen werden kann, so dürfte sich daraus zwangsläufig die weitere Konsequenz ergeben, daß X im Streitjahr 1989 die für den Abzug der streitigen Refinanzierungskosten erforderliche Überschußerzielungsabsicht in bezug auf die Aktienanlage nicht besaß. Davon ist auch das FG zu Recht und mit dem zutreffenden Hinweis darauf ausgegangen, es stehe fest, daß X innerhalb einer Haltensperiode bis zum Ende des Streitjahres 1990 keinen Überschuß habe erzielen können, was ihm auch bewußt gewesen sei.

An diesem Ergebnis würde sich im übrigen selbst dann nichts ändern, wenn ―was offenbleiben kann― X gehalten gewesen wäre, die von ihm am 20. Juli 1990 vereinnahmte EK 04-Ausschüttung in Höhe von ca. 2,1 Mio. DM in Höhe der Fremdkapitalquote (16,54 Mio. DM : 20 Mio. DM) zur Rückzahlung der Refinanzierungskredite zu verwenden, er dies nicht getan hat und deshalb die ab diesem Zeitpunkt anfallenden Refinanzierungszinsen entsprechend zu kürzen wären (vgl. hierzu die den Senatsurteilen vom 1. Oktober 1996 VIII R 88/94, BFHE 182, 320, BStBl II 1997, 424, und vom 17. Dezember 1996 VIII R 39/95, BFH/NV 1997, 644, zugrundeliegenden ähnlich gelagerten Fälle).

Nicht zu folgen vermag der erkennende Senat dem FG im übrigen darin, daß die streitigen Refinanzierungsaufwendungen im Rahmen der zu treffenden Prognose, ob X einen Überschuß der (steuerpflichtigen) Kapitaleinnahmen über die als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen erzielen konnte, nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen Dividenden zu den nicht steuerbaren EK 04-Ausschüttungen in einen abziehbaren und in einen nicht abziehbaren, den EK 04-Ausschüttungen zuzuordnenden Teil zu zerlegen seien. Mit Recht weist die Revision in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der erkennende Senat in seinem Urteil vom 4. Mai 1993 VIII R 7/91 (BFHE 171, 495, BStBl II 1993, 832) eine Aufteilung von Aufwendungen erwogen hat, nicht vorliegen. Das von X erworbene Aktienpaket stellte eine einzige ―einheitliche― Kapitalanlage dar. Begründet eine solche Aktienanlage sowohl die Aussicht auf steuerpflichtige Kapitalerträge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG als auch auf die Realisierung nichtsteuerbarer Wertsteigerungen bzw. Kursgewinne, so sind die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Halten dieser Kapitalanlage stehenden Aufwendungen nach ständiger, gefestigter Rechtsprechung des BFH in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar, sofern der Steuerpflichtige die Absicht verfolgte, im maßgeblichen Prognosezeitraum einen Überschuß der steuerpflichtigen Kapitaleinnahmen über die besagten Aufwendungen zu erzielen (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37, unter 3. b; VIII R 200/78, BFHE 134, 121, BstBl II 1982, 40; VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36; in BFHE 171, 495, BStBl II 1993, 832, 833, re. Sp., letzter Abs. f.). Nichts anderes kann für den hier zu beurteilenden Fall gelten, daß die Kapitalanlage (Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) neben steuerpflichtigen Dividenden auch nichtsteuerbare (EK 04-)Ausschüttungen vermittelt. Auch dieser Fall läuft ebenso wie die Kurs- und sonstigen Wertsteigerungen der Kapitalanlage auf die Realisierung eines ―außerhalb der Anwendungsbereiche des § 17 und § 23 EStG― nichtsteuerbaren Veräußerungsgewinns hinaus. Dies folgt daraus, daß die Ausschüttung aus dem sog. EK 04 zu einer (nachträglichen) Minderung der Anschaffungskosten der Beteiligung führt (vgl. z.B. Senatsurteile vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362, und vom 29. Juni 1995 VIII R 69/93, BFHE 178, 166, BStBl II 1995, 725). Der Effekt der EK 04-Ausschüttung entspricht im übrigen den Fällen, in welchen der Erwerber (Käufer) im Nachhinein einen Preisnachlaß (z.B. einen Rabatt oder eine Kaufpreisminderung gemäß §§ 462, 465, 472 des Bürgerlichen Gesetzsbuchs ―BGB―) erzielt. Hat etwa ein Steuerpflichtiger im Jahr 01 ein Miethaus zum Preis von 1 Mio. DM erworben und erhält er im Jahr 02 aufgrund eines erfolgreich geltend gemachten Minderungsbegehrens vom Verkäufer einen Teil des Kaufpreises in Höhe von 100 000 DM zurück, so wäre es auch dann verfehlt, die im Jahr 02 entstandenen "Werbungskosten" entsprechend dem Verhältnis zwischen Mieteinnahmen und dem zurückerstatteten Kaufpreisteil in einen abziehbaren und einen nichtabziehbaren Teil zu zerlegen, wenn der Steuerpflichtige bereits im Zeitpunkt des Erwerbs die begründete Aussicht auf die Preisminderung hatte. Entsprechendes gilt auch im Streitfall.

2. Streitjahr 1988

Auch in bezug auf das Streitjahr 1988 ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

a) Zutreffend hat das FG angenommen, daß die Klage zulässig war. Wäre dem Klagebegehren in vollem Umfang zu entsprechen, ergäbe sich für das Streitjahr 1990 ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 247 208 DM, welcher gemäß § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. in das Streitjahr 1988 zurückzutragen wäre. Eine bestandskräftige Feststellung des "von 1990 nach 1988" zurückzutragenden Verlusts war vom FA weder im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1990 noch im Zuge der auf den 31. Dezember 1990 gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 EStG 1990 erstmals vorzunehmenden gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zu treffen. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr bilden sowohl der Verlust oder Werbungskostenüberschuß als auch der (positive oder negative) Gesamtbetrag der Einkünfte keine selbständig anfechtbaren, als solche bestandskräftig festgestellten Besteuerungsgrundlagen (vgl. § 157 Abs. 2 AO 1977). Solche unselbständigen Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuerfestsetzung können deshalb auch keine Bindungswirkung für Folgebescheide entfalten.

Auch im Zuge des Verfahrens über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG wird bestandskräftig lediglich über die Höhe des in die künftigen Veranlagungszeiträume vorzutragenden Verlusts, nicht dagegen über die Höhe des Verlustrücktrages entschieden (vgl. z.B. von Groll in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10d Rdnr. D 30; vgl. auch Blümich/Horlemann, Einkommensteuergesetz, § 10d Rdnr. 141). Der hier vorliegende Streit, ob sich im Veranlagungszeitraum 1990 ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 247 208 DM ergab, der im Falle seines Bestehens in vollem Umfang durch einen Verlustrücktrag in das Streitjahr 1988 verbraucht wäre, nimmt auf die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1990 keinen Einfluß, weil dieser Verlustvortrag sowohl im Falle des Obsiegens des FA als auch bei Obsiegen der Kläger 0 DM betrüge.

Zu Recht hat das FG deshalb angenommen, daß der Streit über die Entstehung eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte im Jahr 1990 und die Vornahme eines entsprechenden Verlustrücktrages in das Jahr 1988 mangels entsprechender Bindungswirkung der Einkommensteuerveranlagung 1990 und des Bescheids über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1990 im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1988 zu entscheiden ist.

b) In der Sache kann die Vorentscheidung indessen keinen Bestand haben, weil die Würdigung seitens des FG in bezug auf die Überschußerzielungsabsicht des X im Streitjahr 1990 aus den unter II. 1. dargelegten Gründen nicht nachvollziehbar und deshalb rechtsfehlerhaft ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat dieserhalb auf die für 1990 sinngemäß geltenden Ausführungen insbesondere unter II. 1. b, aa bis cc.

Sollte das FG bei seiner erneuten Tatsachenwürdigung zu dem (naheliegenden) Ergebnis gelangen, daß 1990 eine Überschußerzielungsabsicht des X in bezug auf seine Aktienanlage nicht bestand, so wird es die Klage abweisen müssen. Dies gilt auch unter Beachtung des Umstands, daß X die Aktien am 8. August 1990 zum Preis von 20 Mio. DM an Y veräußerte und Y ein entsprechendes mit 8 % zu verzinsendes Darlehen bis zum 15. November 1990 einräumte. Da X also den als "Surrogat" an die Stelle der veräußerten Aktien tretenden Kaufpreis seinerseits zur Erzielung von (Darlehens-)Zinseinnahmen einsetzte, stellten die von X aufgewendeten Schuldzinsen für die weiterlaufenden Refinanzierungskredite nunmehr erstmals Werbungskosten bei den Einkünften des X aus der neuen Kapitalanlage "Darlehen an Y" dar, vorausgesetzt, daß X bei diesem neuen Engagement einen Einnahmeüberschuß erwarten konnte (vgl. dazu z.B. die Senatsurteile vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14; vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454, unter II. 2. a, bb der Gründe, mit zahlreichen Nachweisen; vom 7. Juli 1998 VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209, unter II. 2. b, bb, ccc der Gründe).

Entsprechende Erwägungen gelten auch für das von X dem Y über den 15. November 1990 hinaus gewährte, ebenfalls zu 8 % verzinsliche Darlehen in Höhe von 5 Mio. DM sowie für die Neuanlage des von Y am 15. November 1990 zurückgezahlten Darlehensteilbetrages in Höhe von 15 Mio. DM, die X u.a. zum Erwerb einer mit 9 % verzinslichen …anleihe in Höhe von 11,4 Mio. DM verwendete.

Selbst wenn man aber zugunsten der Kläger unterstellt, daß X in bezug auf diese neuen Kapitalanlagen eine Überschußerzielungsabsicht hatte und sämtliche ab 8. August 1990 angefallenen Refinanzierungskosten Werbungskosten darstellten, führt das jedenfalls nicht zu einem ―für eine erfolgreiche Klage in bezug auf das Streitjahr 1988 erforderlichen― negativen Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr 1990. Die gesamten, 1990 angefallenen Refinanzierungsaufwendungen betrugen 1 164 499 DM. Selbst wenn man ―großzügig― davon ausginge, daß davon 5/12 auf den Zeitraum vom 8. August bis 31. Dezember 1990 entfielen, so wären die streitigen Aufwendungen lediglich in Höhe von 489 415 DM abziehbar. Um aber zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr 1990 und damit zumindest zu einem Teilerfolg der Klage zu gelangen, müßten mindestens 917 792 DM als Werbungskosten anzuerkennen sein.

3. Streitjahr 1990

Der von den Klägern im Revisionsverfahren gestellte Antrag, daß "(für) 1990 kein Verlustrücktrag aus 1992 vorzunehmen (sei)", beinhaltet neben dem darin zum Ausdruck gelangten positiven Feststellungsbegehren zugleich eine negative Komponente, nämlich den dieser positiven Feststellung entgegenstehenden Urteilsspruch des FG zu beseitigen. Soweit es die erstgenannte positive Antragskomponente betrifft, ist das Begehren der Kläger unzulässig (unten a). Der zuletzt genannte Kassationsantrag ist dagegen zulässig und begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (unten b).

a) Die Kläger haben den Antrag, daß der Verlustrücktrag aus dem Jahr 1992 in das Streitjahr 1990 unterbleiben solle, erstmals im Revisionsverfahren gestellt. Im Klageverfahren vor dem FG hatten die Kläger zunächst sinngemäß begehrt, die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM herabzusetzen. Nachdem das FA diesem Begehren in dem während des Klageverfahrens erlassenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1990 vom 15. Februar 1995 durch die Vornahme eines Verlustrücktrages aus dem Jahr 1992 in Höhe von 466 658 DM entsprochen hatte, haben die Kläger ihren ursprünglichen Klageantrag zu Recht fallengelassen und einen neuen Klageantrag nicht mehr gestellt. So hat denn auch das FG in seinem Urteilstatbestand den Klageantrag korrekt dahin wiedergegeben, daß die Kläger (nur noch) begehrten, "die streitigen Zinsbeträge in Höhe von 92 318 DM in 1989 und 729 525 DM in 1990 als Werbungskosten anzuerkennen und die Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 entsprechend zu ändern".

Die Kläger haben zwar nach Ergehen des ―zur materiellen Erledigung der Hauptsache in bezug auf das Streitjahr 1990 führenden― Einkommensteuer-Änderungsbescheids 1990 vom 15. Februar 1995, statt die Hauptsache insoweit für erledigt zu erklären oder die Klage zurückzunehmen, beantragt, den Änderungsbescheid vom 15. Februar 1995 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (vgl. hierzu unter c). Darin allein kann aber entgegen der offenbar von der Revision vertretenen Ansicht die Stellung eines (der veränderten Verfahrenslage angepaßten) neuen Klageantrags nicht gesehen werden.

aa) Der mithin erstmals im Revisionsverfahren gestellte "erweiterte" Klageantrag, festzustellen, daß ein Verlustrücktrag aus 1992 in das Jahr 1990 nicht vorzunehmen sei, ist unzulässig (arg. § 123 FGO; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O, § 120 Rdnr. 30 und § 123 Rdnrn. 1 und 2, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

bb) Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß der in Rede stehende Antrag auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte: Den Klägern geht es darum, zu verhindern, im Streitjahr 1990 einen Verlust aus dem Jahr 1992 "opfern" zu müssen, der ihnen sonst in späteren Veranlagungszeiträumen zugute käme. Dieses Ziel könnten sie indes ―was offensichtlich auch das FG verkannt hat― im Zuge einer Anfechtung des Einkommensteuerbescheids 1990 nicht erreichen; denn im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren 1990 wird keine bestandskräftige und daher für künftige Jahre bindende Feststellung darüber getroffen, ob und inwieweit ein im Veranlagungszeitraum 1992 entstandener negativer Gesamtbetrag der Einkünfte durch Verlustrücktrag in das Jahr 1990 "verbraucht" ist. Der dort berücksichtigte Verlustrücktrag ist lediglich eine unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S. von § 157 Abs. 2 AO 1977. Wollten die Kläger erreichen, daß der in 1992 entstandene "Verlust" statt im Streitjahr 1990 erst im Veranlagungszeitraum 1991 oder in den Veranlagungszeiträumen ab 1993 abgezogen wird, mußten und konnten sie dies ohne Präjudizierung durch die Einkommensteuerveranlagung 1990 im ersten Fall im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1991 und im letzteren Fall im Rahmen des Verfahrens über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1992 geltend machen.

b) Die Revision ist zulässig und begründet, soweit die Kläger incidenter begehren, den Urteilsausspruch des FG aufzuheben, daß der Verlustrücktrag aus 1992 in das Streitjahr 1990 315 282 DM betrage.

4. a) Der Revisionsantrag ist zulässig. Die Kläger haben an der Beseitigung des in Rede stehenden Urteilstenors ein Rechtsschutzinteresse; denn sie werden durch ihn (materiell) beschwert (zur ausnahmsweise genügenden materiellen Beschwer des Revisionsklägers; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 115 Rdnr. 13, m.w.N.). Zwar entfaltet dieser Urteilstenor im Hinblick darauf, daß eine entsprechende Feststellung durch das FG weder in der AO 1977 noch im EStG (namentlich in dessen § 10d) eine Rechtsgrundlage findet und deshalb nicht getroffen werden durfte (vgl. schon oben, II. 3. a, bb), keinerlei Bindungswirkung (zu ähnlich gelagerten Fällen vgl. die BFH-Urteile vom 27. Januar 1972 IV R 157/71, BFHE 105, 1, BStBl II 1972, 465, und vom 26. November 1974 VIII R 258/72, BFHE 114, 226, BStBl II 1975, 206). Jedoch ist auch ein ohne Bindungswirkung ergangener, mit gerichtlicher Autorität versehener Urteilsausspruch angesichts des von ihm ausgehenden Rechtsscheins seiner Gültigkeit geeignet, die Interessen der am Verfahren Beteiligten zu berühren (BFH-Urteile in BFHE 105, 1, BStBl II 1972, 465, 466, li.Sp., und in BFHE 114, 226, BStBl II 1975, 206, unter 1. der Gründe). So kann der hier zu beurteilende Urteilsausspruch im Hinblick auf die Vermutung seiner Wirksamkeit die Kläger bei der Geltendmachung des Verlustabzugs in späteren, dem Streitjahr 1990 nachfolgenden Veranlagungszeiträumen behindern.

b) Das Revisionsbegehren der Kläger auf Aufhebung des angefochtenen Urteilsausspruchs ist auch begründet. Wie unter a) dargelegt, war das FG schon aus materiell-rechtlichen Gründen zu der angefochtenen Feststellung nicht berechtigt. Darüber hinaus hat das FG mit dieser Feststellung aber auch gegen die Grundordnung des Verfahrens, d.h. gegen das Verbot der nachteiligen Abänderung der Verwaltungsentscheidungen, verstoßen.

c) Zur Klarstellung weist der erkennende Senat im übrigen darauf hin, daß die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1990 nach wie vor beim FG anhängig ist, weil die Vorinstanz über diese Klage bislang noch nicht entschieden hat. Mit ihrer (Anfechtungs-)Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 vom 28. Dezember 1993 hatten die Kläger zunächst (sinngemäß) beantragt, die Einkommensteuer 1990 auf 0 DM herabzusetzen. Diesem Antrag hat das FA mit dem während des Klageverfahrens erlassenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1990 vom 15. Februar 1995 in vollem Umfang entsprochen mit der Folge, daß die Hauptsache materiell erledigt war. Gleichwohl haben die Kläger weder die Hauptsache für erledigt erklärt noch die Klage zurückgenommen, sondern den Änderungsbescheid vom 15. Februar 1995 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, ohne aber einen neuen, der Änderung der Verfahrenslage angepaßten Antrag zu stellen (vgl. schon oben a).

Zur Information der Beteiligten weist der Senat darauf hin, daß der Antrag der Kläger nach § 68 FGO angesichts der durch den Änderungsbescheid vom 15. Februar 1995 eingetretenen materiellen Erledigung der Hauptsache mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war (vgl. BFH-Beschluß vom 12. September 1996 III R 170/90, BFH/NV 1997, 242, unter 1.; vgl. ferner BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 II R 45/88, BFHE 162, 215, BStBl II 1991, 102, unter 1. b a.E.; Gräber/von Groll, a.a.O., § 68 Rz. 6; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 68 FGO Anm. 3; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 68 FGO Rz. 15 a.E.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 68 FGO Rz. 9). Infolgedessen ist Verfahrens- und Anfechtungsgegenstand der ursprüngliche, durch den Änderungsbescheid vom 15. Februar 1995 ersetzte und suspendierte Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1990 vom 28. Dezember 1993 geblieben. Die (Anfechtungs-)Klage gegen diesen Bescheid ist unzulässig geworden, da von ihm eine (aktuelle) Rechtsbeeinträchtigung nicht mehr ausgeht (vgl. z.B. Gräber/von Groll, a.a.O., § 68 Rdnr. 26, m.w.N.). Das FG wird den Klägern insoweit Gelegenheit zu geben haben, die Hauptsache für erledigt zu erklären oder die Klage zurückzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424858

BFH/NV 2000, 564

HFR 2000, 420

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge