Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung ausgeschiedener Gesellschafter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Ausgeschiedene Gesellschafter sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns und des Einheitswerts des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft immer beizuladen, und zwar auch dann, wenn es um Fragen geht, für die an sich nur der oder die geschäftsführenden Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klageberechtigt sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesellschafter vor Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide oder während des außergerichtlichen Vorverfahrens oder während des Klageverfahrens ausgeschieden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 163, 438, BStBl II 1991, 882 und in BFH/NV 1992, 323, jeweils Gewinnfeststellungsbescheide betreffend).

2. Notwendig beizuladen sind in einem von einer Personengesellschaft als Klägerin geführten Prozeß betreffend eine Anfechtungsklage gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid über den Einheitswert des gewerblichen Betriebs gemäß § 60 Abs. 3 FGO nur diejenigen, der Gesellschaft noch angehörenden und nicht selbst klagenden Gesellschafter, die nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 und/oder 2 FGO nicht vor, so begrenzt das Gesetz (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO) die Klagebefugnis auf die geschäftsführenden Gesellschafter, die den Prozeß im Namen und Interesse der Gesellschaft (und damit aller Gesellschafter) zu führen haben.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 1-3, § 60 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Umstritten ist im wesentlichen die Frage, ob bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens bestimmte Schuldposten dem inländischen Betriebsvermögen oder der ausländischen Betriebsstätte der unbeschränkt steuerpflichtigen Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zuzurechnen sind.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) hatte zunächst -- entsprechend den Angaben der Klägerin in deren Vermögensaufstellungen auf die streitigen Stichtage (1. Januar 1977 und 1. Januar 1978) -- in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 11. Juli 1979 und 1. Oktober 1980 die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf ... DM (1. Januar 1977) und ./. ... DM (1. Januar 1978) festgestellt. Dabei hatte er das für die Betriebstätte in X (Ausland) erklärte Betriebsvermögen antragsgemäß nach § 12 Abs. 3 des Vermögensteuergesetzes (VStG) außer Ansatz gelassen. Im Anschluß an eine Außenprüfung erließ das FA am 24. Mai 1983 Änderungsbescheide, wobei es im Bescheid für gewerbesteuerliche Zwecke die Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1977 mit ... DM und auf den 1. Januar 1978 mit ... DM sowie im Bescheid für vermögensteuerliche Zwecke den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1977 mit ... DM und auf den 1. Januar 1978 mit ... DM feststellte. Bei der Aufteilung der Einheitswerte für Zwecke der Vermögensteuer auf die elf Gesellschafter der Klägerin teilte das FA auch das für die Betriebstätte in X (Ausland) festgestellte Auslandsvermögen von ... DM bzw. ... DM unter dem Zusatz "davon ermäßigter Steuersatz" auf die Gesellschafter auf.

Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens änderte das FA mit Bescheiden für gewerbesteuerliche Zwecke vom 21. März 1989 die Einheitswerte des Betriebsvermögens aus nicht mit der ausländischen Betriebstätte zusammenhängenden Gründen auf ... DM (1. Januar 1977) und ... DM (1. Januar 1978).

Schon zuvor -- am 14. Dezember 1987 -- hatte das FA Änderungsbescheide für vermögensteuerliche Zwecke erlassen, in denen die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1977 auf ... DM und auf den 1. Januar 1978 auf ... DM herabgesetzt wurden, wobei allerdings eine Aufteilung der Einheitswerte in inländisches und (vermögensteuerlich begünstigtes) ausländisches Betriebsvermögen unterblieben war.

Die Einsprüche der Klägerin gegen die Änderungsbescheide vom 21. März 1989 und 14. Dezember 1987 blieben ohne Erfolg.

Während des Klageverfahrens -- am 30. September 1993 -- erließ das FA einen "Ergänzungsbescheid ... zu den geänderten Bescheiden auf den 1. 1. 1977 und 1. 1. 1978 über die Einheitswerte des Betriebsvermögens für vermögensteuerliche Zwecke vom 14. 12. 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ... ". In diesem Ergänzungsbescheid wurden die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1978 auf die einzelnen Gesellschafter entsprechend deren Beteiligungsquoten aufgeteilt.

In einem weiteren, während des Klageverfahrens ergangenen, den Ergänzungsbescheid vom 30. September 1993 gemäß "§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 i. V. m. § 132 AO 1977 ändernden Ergänzungsbescheid vom 7. 10. 1993 zu dem geänderten Bescheid auf den 1. 1. 77 und 1. 1. 78 über die Einheitswerte des Betriebsvermögens für vermögensteuerliche Zwecke vom 14. 12. 87 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ... " nahm das FA eine Aufteilung der auf die einzelnen Gesellschafter der Klägerin entfallenden Einheitswertanteile vor in solche, die dem normalen, und solche, die dem ermäßigten Steuersatz unterlägen.

Die Ergänzungsbescheide vom 30. September 1993 und 7. Oktober 1993 wurden von der Klägerin gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Die Klage, mit der die Klägerin im wesentlichen die Herabsetzung der festgestellten Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1978 begehrte, hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie beantragt u. a., die Vorentscheidung sowie die vom FA erlassenen Bescheide vom 14. Dezember 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 1989, 30. September 1993 und 7. Oktober 1993 ersatzlos aufzuheben sowie die Bescheide vom 21. März 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 1989 dahingehend zu ändern, daß die für den inländischen Teil des Gewerbebetriebs festgestellten Einheitswerte auf ... DM (1. Januar 1977) und ... DM (1. Januar 1978) herabgesetzt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Zu Recht rügt die Revision, daß das FG den zum 31. Dezember 1987 ausgeschiedenen Gesellschafter A zum Klageverfahren hätte beiladen müssen.

a) Nach § 60 Abs. 3 FGO ist eine Beiladung erforderlich, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ausgeschiedene Gesellschafter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns und des Einheitswerts des Betriebsvermögens immer beizuladen, und zwar auch dann, wenn es um Fragen geht, für die an sich nur der oder die geschäftsführenden Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klageberechtigt sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesellschafter vor Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide oder während des außergerichtlichen Vorverfahrens oder während des Klageverfahrens ausgeschieden ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 134/86, BFHE 163, 438, BStBl II 1991, 882, und vom 8. Oktober 1991 VIII R 52/90, BFH/NV 1992, 323, jeweils Gewinnfeststellungsbescheide betreffend; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 48 Rdnr. 26, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

b) Folglich hätte das FG den bereits Ende 1987 aus der Klägerin ausgeschiedenen Gesellschafter A gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beiladen müssen. In der Unterlassung der Beiladung liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens. Eine Nachholung der Beiladung in der Revisionsinstanz ist nicht möglich (§ 123 Satz 1 FGO). Die Sache geht daher an das FG zurück, damit dieses die notwendige Beiladung nachholen kann.

Hierbei wird das FG beachten müssen, daß nach ständiger Rechtsprechung des BFH zwar eine vom FA im Einspruchsverfahren der Gesellschaft unterlassene notwendige Hinzuziehung des ausgeschiedenen Gesellschafters grundsätzlich durch die Beiladung geheilt wird (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 1. März 1968 III B 82/67, BFHE 91, 147, BStBl II 1968, 212, und BFH-Urteil vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359). Im Streitfall scheint jedoch das FA die nach Ausscheiden des Gesellschafters A (31. Dezember 1987) erlassenen Änderungs- und Ergänzungsbescheide (vom 21. März 1989, 30. September 1993 und 7. Oktober 1993) nur der Klägerin (KG), nicht hingegen auch dem ausgeschiedenen Gesellschafter A bekanntgegeben zu haben. Sollte dies zutreffen, wird das FG prüfen müssen, ob eine gesonderte Bekanntgabe dieser Feststellungsbescheide an den ausgeschiedenen Gesellschafter nach Maßgabe des § 183 Abs. 2 AO 1977 erforderlich gewesen wäre (näher dazu z. B. Kühn/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 183 AO 1977 Anm. 5). Bejahendenfalls wird es das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen haben, um dem FA Gelegenheit zu geben, die Bekanntgaben an den ausgeschiedenen Gesellschafter nachzuholen (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503, unter 2.; dort auch zum weiteren Verfahren).

2. Keinen Erfolg hat hingegen die Rüge der Klägerin, das FG habe über den zum 31. Dezember 1987 aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter A hinaus auch alle übrigen Gesellschafter gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Klageverfahren notwendig beiladen müssen.

Notwendig beizuladen sind in einem von einer (Personen-)Gesellschaft als Klägerin geführten Prozeß betreffend einer Anfechtungsklage gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid über den Einheitswert des gewerblichen Betriebes gemäß § 60 Abs. 3 FGO nur diejenigen (nicht selbst klagenden) Gesellschafter, die nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Im vorliegenden Streitfall betrifft die von der Klägerin als gesetzliche Prozeßstandschafterin (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO) für alle (der Klägerin noch angehörenden) Gesellschafter erhobene Klage weder eine in § 48 Abs. 1 Nr. 1 noch in § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO bezeichnete Angelegenheit.

Darüber, welche Personen mit welchen Quoten an dem zum einen für Zwecke der Gewerbe-(Kapital-)Steuer und zum anderen für vermögensteuerliche Zwecke festgestellten Einheitswerten des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1978 beteiligt waren (Fall des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO), wird im vorliegenden Verfahren nicht gestritten. Ebensowenig betrifft der Streitfall eine Frage, die i. S. von § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO einen (oder einzelne) Gesellschafter persönlich angeht. Im Streit ist vielmehr das alle Gesellschafter gleichermaßen (entsprechend ihrer Beteiligungsquoten) betreffende Problem, ob und nach welchen Kriterien ein bestimmter Teil des Betriebsvermögens (konkret: ein bestimmter Teil der Betriebsschulden) der Klägerin auf die inländische Zentrale und auf die ausländische Betriebstätte aufzuteilen ist.

In derartigen, durch gleichgerichtete Interessen aller Gesellschafter gekennzeichneten Fällen begrenzt das Gesetz (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO) die Klagebefugnis auf die geschäftsführenden Gesellschafter, die den Prozeß im Namen und Interesse der Gesellschaft (und damit aller Gesellschafter) zu führen haben (vgl. z. B. Gräber/von Groll, a. a. O., § 48 Rdnr. 19). Eine solche Begrenzung findet ihre Rechtfertigung in der Erwägung, daß die nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag die Wahrnehmung ihrer mit der Gesellschaft zusammenhängenden Interessen den Geschäftsführern übertragen und sich selbst dadurch freiwillig von der eigenständigen Interessenwahrung ausgeschlossen haben. Eine anderweitige Regelung wäre auch deswegen nicht vertretbar, weil bei Zubilligung einer uneingeschränkten Anfechtungsbefugnis für die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter diesen Personen Einblick in Geschäftsbereiche ihrer Gesellschaft gewährt würde, der ihnen nach den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen gerade nicht zustehen soll (Kühn/Hofmann, a. a. O., § 352 AO 1977 Anm. 3a; Gräber/von Groll, a. a. O., § 48 Rdnr. 5).

Dementsprechend hat der BFH in seinem Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 229/70 (BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121, 123) in einem vergleichbaren Fall, in dem eine KG einen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid mit dem Begehren angegriffen hatte, eine anderweitige Aufteilung zwischen laufenden (normal zu versteuernden) und außerordentlichen (steuerbegünstigten) Einkünften vorzunehmen, entschieden, daß eine notwendige Beiladung der Kommanditisten nicht in Betracht komme.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420821

BFH/NV 1996, 146

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