Leitsatz (amtlich)

Wird einer Vertragsdruckerei der Deutschen Bundesbahn zum Druck von Eisenbahnfrachtbriefen der amtliche Prüfungsstempel überlassen, sind die von der Druckerei an die Deutsche Bundesbahn zu zahlenden Stempelgebühren keine Pachtzinsen i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 7, § 12 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Berichtigung: Im Urteil vom 28. Juni 1978 I R 131/76 (BStBl II 1979 S. 47) muß es auf S. 48 in der linken Spalte, letzte Zeile richtig: „Die Revision ist unbegründet” heißen.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stellt als sogenannte Vertragsdruckerei Frachtbriefe der Deutschen Bundesbahn her. Nach dem schriftlichen Vertrag „über die Benutzung des amtlichen Prüfungsstempels bei der Anfertigung von Frachtbriefen” gestattet die Deutsche Bundesbahn der Klägerin, bei der Anfertigung von Frachtbriefen den amtlichen Prüfungsstempel zu benutzen. Der Prüfungsstempel wird der Klägerin ausgehändigt, bleibt aber Eigentum der Deutschen Bundesbahn und ist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zurückzugeben. An andere darf der Prüfungsstempel nicht weitergegeben werden. Der Stempel darf nur für die in den Tarifen vorgeschriebenen Frachtbriefe verwendet werden. Die Frachtbriefe müssen den Vorschriften über Beschafffenheit und Farbe des zu verwendenden Papiers und nach Größe, Druck und Raumeinteilung genau den vorgeschriebenen Mustern entsprechen. Ein Merkblatt, das die hauptsächlichen Bestimmungen für den Druck von Frachtbriefen enthält, ist Bestandteil des Vertrags. Vor dem endgültigen Druck sind zwei Probedruckstücke der zuständigen Stelle zur Prüfung vorzulegen. Allerdings wird nach einer Vereinbarung aus dem Jahre 1968 nur noch in Sonderfällen geprüft. Die Deutsche Bundesbahn ist ferner berechtigt, die Beschaffenheit des für die Frachtbriefe verwendeten Papiers untersuchen zu lassen. Entspricht das Papier nicht den Vorschriften, trägt die Druckerei die Kosten der Untersuchung. Der Prüfungsstempel ist auf den Frachtbriefen an einer bestimmten Stelle und in einer bestimmten Farbe anzubringen. Die Klägerin hat an die Deutsche Bundesbahn Gebühren – in den vertraglich vorgeschriebenen Abrechnungen Stempelgebühren genannt – zu entrichten, die 10 Pf je angefangene 100 Stück Frachtbriefe betragen. Die Gebühren sind auf einem vorgeschriebenen Muster bis zum 10. eines jeden Monats abzurechnen. Die Klägerin hat außerdem ein besonderes Geschäftsbuch über Bestellungen, Druck und Lieferungen von Frachtbriefen einzurichten. Das Geschäftsbuch muß so geführt werden, daß jederzeit die Menge der gedruckten, verkauften und vorrätigen Frachtbriefe leicht festgestellt werden kann. Die Deutsche Bundesbahn darf die Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen einsehen und die Räume der Druckerei jederzeit besichtigen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz für Frachtbriefe, die durch Änderung des vorgeschriebenen Musters oder der Vorschriften über die Beschaffenheit des zu verwendenden Papiers etwa unverkäuflich werden. Der Vertrag kann mit einmonatiger Frist gekündigt werden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wird der von der Deutschen Bundesbahn überlassene Druckstempel von der Klägerin nur einmal, und zwar bei der Anfertigung der Abprägungen (Matern), benutzt.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) die Auffassung, die Vereinbarung über die Benutzung des bahnamtlichen Prüfungsstempels sei ein Pachtvertrag. Das FA setzte bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 1970 und 1971 die Hälfte der von der Klägerin an die Deutsche Bundesbahn geleisteten Zahlungen gemäß § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewerbeertrag hinzu, beim Gewerbekapital rechnete es gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG für jedes der Streitjahre … DM hinzu.

Der von der Klägerin nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt. Das FG war entgegen der Auffassung des FA der Ansicht, der zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundesbahn geschlossene Vertrag sei kein Miet- oder Pachtvertrag i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG.

Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 576 veröffentlicht.

Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Das FA ist der Auffassung, der Klägerin sei von der Deutschen Bundesbahn ein Recht – die Befugnis zur Benutzung des amtlichen Prüfungsstempels bei der Anfertigung amtlicher Frachtbriefe – überlassen worden, das Gegenstand eines Pachtverhältnisses sein könne. Die Klägerin zahle das Entgelt für die Überlassung des Stempels und nicht etwa für die Kontrolltätigkeit der Deutschen Bundesbahn, wie das FG annehme. Das folge insbesondere auch aus dem im Vertrag abgedruckten Muster einer Gebührenabrechnung, wonach die Klägerin in einer besonderen Spalte die abzuführenden Stempelgebühren einzutragen habe. In § 7 des Vertrags werde sogar das Wort „Stempelgebühren” zweimal verwendet. Ferner sei aus den Feststellungen des FG über die Weiterzahlung der Gebühren auch nach dem Fortfall der Prüfungstätigkeit der Deutschen Bundesbahn zu entnehmen, daß ein Zusammenhang zwischen der Prüfungstätigkeit der Deutschen Bundesbahn und der Entgeltszahlung seitens der Klägerin nicht bestanden habe. Sonst wäre vernünftigerweise die Entgeltsvereinbarung neu geregelt worden. Das der Klägerin überlassene Recht zur Benutzung des amtlichen Prüfungsstempels stelle einen wirtschaftlichen Wert dar und gehöre demnach zu den in § 8 Nr. 7 GewStG genannten Wirtschaftsgütern. Dadurch sei die Klägerin in die Lage versetzt worden, ihren Kunden amtliche Frachtbriefe zu liefern. Gegenüber anderen Druckereien, denen die Verwendung des Prüfungsstempels nicht eingeräumt worden sei, habe die Klägerin einen Wettbewerbsvorteil. Sie sei daher bereit gewesen, für die Überlassung des Benutzungsrechts ein Entgelt zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Nach § 8 Nr. 7 GewStG ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG werden bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die Werte (Teilwerte) der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, aber im Eigentum eines Dritten stehen, hinzugerechnet, soweit sie nicht im Einheitswert des Gewerbebetriebs des Pächters schon enthalten sind. Die Hinzurechnungen entfallen, wenn der Vermieter oder Verpächter mit den Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und mit den vermieteten oder verpachteten Wirtschaftsgütern der Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital unterliegt. Die Deutsche Bundesbahn als die Empfängerin von Miet- oder Pachtentgelten und als Eigentümerin oder Inhaberin überlassener Pachtgegenstände ist aber nicht gewerbesteuerpflichtig. Sie ist nach § 3 Nr. 1 GewStG ausdrücklich von der Gewerbesteuer befreit. Hinsichtlich der Gründe, die zu der Befreiung der Deutschen Bundesbahn geführt haben, wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Mai 1964 I 367/61 U (BFHE 83, 433, BStBl III 1965, 655) verwiesen. Im Streitfall kämen somit Hinzurechnungen der hier in Rede stehenden Art in Betracht, vorausgesetzt, daß das Vertragsverhältnis der Klägerin mit der Deutschen Bundesbahn als Miet- oder Pachtverhältnis anzusehen ist. Das ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht der Fall.

Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere die Zusammenstellung der Rechtsprechung in dem Urteil vom 27. November 1975 IV R 192/71, BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220) die Ansicht vertreten, daß unter den Begriff der Miet- und Pachtzinsen i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG nur Leistungen aufgrund solcher Rechtsverhältnisse fallen, die ihrem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach Miet- oder Pachtverträge i. S. des bürgerlichen Rechts sind (§§ 535, 581 BGB). Da auf den wesentlichen bürgerlich-rechtlichen Inhalt abzustellen ist, stehen untergeordnete Nebenabreden, die vom Miet- oder Pachtrecht abweichen, einer Einordnung des Vertrags als Miet- oder Pachtverhältnis i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG nicht entgegen. Die Einordnung unter diese Vertragstypen ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Vertrag wesentliche miet- oder pachtfremde Elemente enthält, die ihn einem anderen Vertragstyp zuordnen oder als einen Vertrag eigener Art erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1965 I 174/60 S, BFHE 81, 641, BStBl III 1965, 230). Der erkennende Senat stimmt im Ergebnis mit dem FG überein, daß das Vertragsverhältnis der Klägerin mit der Deutschen Bundesbahn im wesentlichen von Elementen bestimmt wird, die einem Miet- oder Pachtvertrag fremd sind.

In der Vorentscheidung und in der Revisionsbegründung des FA nimmt die Frage einen breiten Raum ein, was Gegenstand des Vertrags ist und ob sich die Entgeltszahlung der Klägerin auf die Überlassung und Benutzung des bahnamtlichen Prüfungsstempels bezieht. Während das FG einen solchen Zusammenhang verneint, geht das FA davon aus, die Deutsche Bundesbahn habe der Klägerin im Wege der Verpachtung ein Recht überlassen, nämlich die Befugnis zur Benutzung des amtlichen Prüfungsstempels bei der Anfertigung von Frachtbriefen. Nach Ansicht des FA zahlt die Klägerin das Entgelt für die Überlassung und Nutzung dieses Rechts. Für die Auffassung des FA könnte die Einleitung und § 1 des Vertrags sprechen, der der Klägerin die Benutzung des ihr übergebenen Prüfungsstempels zu einem bestimmten Zweck und in bestimmter Weise gestattet. Wie sich aus dem weiteren Vertragsinhalt im Zusammenhang mit den Vorschriften der Eisenbahn-Verkehrsordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung der 68. Verordnung vom 22. Dezember 1957 (BGBl II, 2313) über die Beförderung von Gütern auf Eisenbahnen ergibt, ist aber das Vertragsverhältnis mit den Vereinbarungen über die Überlassung des Prüfungsstempels nicht erschöpft.

Die Klägerin ist hinsichtlich des Inhalts, der Raumaufteilung und sogar des zu verwendenden Papiers der anzufertigenden Frachtbriefe, in die der Prüfungsstempel einzudrucken ist, ins einzelne gehenden Vorschriften der Deutschen Bundesbahn unterworfen, die darauf beruhen, daß Eisenbahnfrachtbriefe den Formvorschriften des § 55 der Eisenbahn-Verkehrsordnung und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen entsprechen müssen. Die Deutsche Bundesbahn achtet streng darauf, daß diese Vorschriften befolgt werden und hat nach dem Vertrag ausgedehnte Prüfungsbefugnisse hinsichtlich der Beschaffenheit der von der Klägerin gedruckten Frachtbriefe. Sie ließ sich, jedenfalls in den ersten Jahren des Vertragsverhältnisses, von jedem Neudruck Probestücke vorlegen. Schon hierin zeigt sich ein wesentliches Element, das einem auf Gebrauchsüberlassung gerichteten Miet- oder Pachtvertrag fremd ist.

Daß ein andersartiger Vertrag als ein Miet- oder Pachtvertrag vorliegt, wird besonders deutlich bei dem von der Klägerin zu zahlenden Entgelt. Es kann nicht gesagt werden, daß es sich um eine Vergütung für die Benutzung des Prüfungsstempels im Sinne eines Miet- oder Pachtentgelts handelt. Nach § 55 Abs. 2 der Eisenbahn-Verkehrsordnung müssen Frachtbriefe zum Nachweis, daß sie den in Abs. 1 enthaltenen Formvorschriften entsprechen, den Prüfungsstempel einer inländischen Eisenbahn des öffentlichen Verkehrs tragen. Für die Stempelung ist die im Tarif festgesetzte Gebühr zu zahlen. Diese Stempelung hat die Klägerin nach dem mit der Deutschen Bundesbahn geschlossenen Vertrag selbst vorzunehmen. Sie hat die Stempelgebühren, deren Höhe im Vertrag vereinbart ist, an die Deutsche Bundesbahn abzuführen. Über die Gebührenabrechnung sowie über die Anzahl der hergestellten, verkauften oder auf Lager befindlichen, mit dem eingedruckten Stempel versehenen Frachtbriefe muß die Klägerin nach vorgeschriebenem Muster Buch führen und ist auch hier der Kontrolle der Deutschen Bundesbahn unterworfen. Die Deutsche Bundesbahn hat, was – wie das FG ausführt – aus Vereinfachungsgründen geschehen sein mag, eine ihr zukommende Aufgabe, nämlich die gebührenpflichtige Stempelung der Frachtbriefe, auf die Klägerin übertragen, die ihrerseits beim Verkauf der Frachtbriefe die verauslagten Stempelgebühren von ihren Abnehmern vergütet erhält.

Das Vertragsverhältnis zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Klägerin zeigt somit wesentliche Elemente, die sich nicht einem entgeltlichen Gebrauchsüberlassungsverhältnis (Miete oder Pacht) zuordnen lassen. Es ist ein Vertrag eigener Art. Es entfällt somit eine Hinzurechnung der Hälfte der von der Klägerin an die Deutsche Bundesbahn gezahlten Entgelte zum Gewerbeertrag (§ 8 Nr. 7 GewStG). Für die Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift ist auf dem Gebiet der Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital das Gegenstück zu der genannten Hinzurechnungsvorschrift für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag. Auch bei der Hinzurechnung zum Gewerbekapital kommt es darauf an, ob ein Vermieter oder Verpächter dem Steuerpflichtigen Wirtschaftsgüter im Rahmen eines Miet- oder Pachtverhältnisses zur Nutzung überlassen hat (vgl. das BFH-Urteil I 174/60 S).

 

Fundstellen

Haufe-Index 557334

BStBl II 1979, 47

BFHE 1979, 43

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