Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage an der Auffassung im Urteil I R 15/68 vom 24. Juni 1969 (BFH 96, 101, BStBl II 1969, 581) fest, daß der Unternehmer für die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs an den Handelsvertreter nach § 89b HGB vor Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Handelsvertreter steuerrechtlich keine Rückstellung bilden darf.

 

Normenkette

KStG § 6; EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3; HGB § 89b

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, bildete in der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1965 Rückstellungen für die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs an ihre Handelsvertreter nach § 89b HGB. Der Revisionsbeklagte (das FA) erkannte im Körperschaftsteuerbescheid 1965 und im einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid 1965 diese Rückstellungen nicht an.

Die Einsprüche und Klagen blieben ohne Erfolg.

Das FG hat seine Auffassung, daß die Rückstellungen nicht zulässig seien, auf das Urteil des BFH I R 15/68 vom 24. Juni 1969 (BFH 96, 101, BStBl II 1969, 581) gestützt.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige die Verletzung bundesrechtlicher Normen (§§ 5, 6 Abs. 1 EStG, § 6 Abs. 1 KStG, § 7 GewStG), Verstöße gegen Auslegungsgrundsätze sowie die Außerachtlassung wesentlicher Teile des Streitstoffes. Sie führt - kurz zusammengefaßt - aus:

1. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB sei nichts anderes als eine zusätzliche (nachträgliche) Vergütung für die durch die Provisionen noch nicht voll abgegoltene Tätigkeit des Handelsvertreters. Das wirtschaftliche Schwergewicht der Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs liege daher in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Auch der Anspruch auf Provision sei nicht ausschließlich vom Erfolg abhängig. Das zeige z. B. die Provision des Bezirksvertreters, was deshalb von Bedeutung sei, weil sie, die Steuerpflichtige, ausschließlich Bezirksvertreter mit Bezirksschutz beschäftige, eine Tatsache, die das FG trotz mündlichen Sachvortrags nicht berücksichtigt habe.

2. Aus der handelsrechtlichen Zulässigkeit der Rückstellung für die Verpflichtung zur Zahlung des Ausgleichs nach § 89b HGB, wie sie durch das Urteil des BGH II ZR 134/65 vom 11. Juli 1966 (BB 1966, 915) bestätigt worden sei, ergebe sich nach § 5 EStG, § 6 KStG, daß diese Rückstellung auch steuerrechtlich anzuerkennen sei. Da es sich in Wahrheit handelsrechtlich um kein Passivierungswahlrecht, sondern um ein Passivierungsgebot handele, stehe auch der Beschluß des Großen Senats des BFH Gr.S. 2/68 vom 3. Februar 1969 (BFH 95, 31, BStBl II 1969, 291) dem Ansatz der Rückstellung nicht entgegen.

Die Steuerpflichtige beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die in der Bilanz zum 31. Dezember 1965 gebildete Rückstellung in Höhe von 200 322,50 DM durch Änderung des Steuerbescheids und Veranlagung auf der Grundlage der Steuererklärung auch steuerrechtlich anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Verfahren wegen Körperschaftsteuer 1965 und Gewerbesteuermeßbetrags 1965 werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet. Der Senat hält nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage an der Auffassung im Urteil I R 15/68 (a. a. O.) fest, daß der Unternehmer für die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs an den Handelsvertreter nach § 89b HGB vor Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Handelsvertreter steuerrechtlich keine Rückstellung bilden darf.

I.

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB, der rechtlich mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht (BFH-Urteil I R 141/66 vom 26. März 1969, BFH 95, 497, BStBl II 1969, 485; BGH-Urteil VII ZR 102/66 vom 5. Dezember 1968, BB 1969, 107), ist nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses in der Weise wirtschaftlich verursacht, daß es handelsrechtlich geboten und steuerrechtlich gerechtfertigt wäre, für die entsprechende Verbindlichkeit des Unternehmers eine Rückstellung anzusetzen.

1. Der Senat hat das in dem Urteil I R 15/68 (a. a. O.) vor allem damit begründet, daß der Ausgleichsanspruch ein erfolgsabhängiger Anspruch ist und daß der Erfolg der Tätigkeit des Handelsvertreters, der mit dem Ausgleichsanspruch abgegolten werden soll, erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eintritt. Die Einwendungen der Revision gegen diese Ansicht überzeugen nicht.

a) Wäre der Ausgleichsanspruch, wie die Steuerpflichtige meint, nur eine zusätzliche (nachträgliche) Vergütung für die durch die Provisionen noch nicht voll abgegoltene Tätigkeit des Handelsvertreters, so bliebe es unverständlich, warum das Gesetz den Ausgleichsanspruch davon abhängig macht, daß dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden zufließen (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB). Die Steuerpflichtige mißt dieser Voraussetzung soviel wie keine Bedeutung bei. Sie setzt sich damit in Widerspruch zum Gesetz und zur Rechtsprechung der Zivilgerichte. Mit Urteil VII ZR 40/65 vom 9. November 1967 (BB 1968, 11) hat der BGH entschieden, daß der Handelsvertreter keinen Ausgleichsanspruch erwirbt, wenn der Unternehmer aus wirtschaftlich vertretbaren Erwägungen die Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden nicht fortsetzt, sondern seine Erzeugnisse in Zukunft ausschließlich an einen Großabnehmer liefert. Nach dem BGH-Urteil II ZR 99/58 vom 29. Juni 1959 (Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 89b Nr. 8/9 HGB) entfällt der Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB, wenn der Unternehmer auf Grund sachlicher Erwägungen die Erzeugung der Ware einstellt, für deren Absatz der Handelsvertreter tätig geworden ist. Der BGH hat in dem Urteil VII ZR 40/65 (a. a. O.) wörtlich ausgeführt: "Die Revision … macht geltend, die Vorteile im Sinne des § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB brauchten nicht in Gewinnen aus weiteren Geschäften des Unternehmers mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden zu bestehen. Die Bildung des Kundenstammes als solche sei ein wesentlicher Vorteil im Sinne dieser Vorschrift. Diese Ansicht widerspricht der klaren Fassung des Gesetzes, das weitere Vorteile des Unternehmers aus der Geschäftsverbindung mit vom Handelsvertreter geworbenen Kunden voraussetzt." Damit ist die Bedeutung des § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB als Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch klar herausgestellt.

b) Risse-Albach (BB 1970, 27, 28) meinen, § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB besitze in der Praxis keine Bedeutung, die Vorschrift könne daher bei der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage nicht herangezogen werden. Ein Blick in die Erläuterungsbücher zum HGB und auf die dort angeführte Rechtsprechung zeigt, daß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB nicht bedeutungslos ist, daß vielmehr zwischen Unternehmern und Handelsvertretern oft um die Frage gerungen wird, ob die in § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB genannten Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Anschauliche Beispiele dafür bieten die bereits erwähnten Urteile des BGH VII ZR 40/65 (a. a. O.) und II ZR 99/58 (a. a. O.). Wenn es richtig sein sollte, daß es Fälle gibt, in denen der Unternehmer dem Handelsvertreter einen Ausgleich ohne Rücksicht auf das Vorliegen der in § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB genannten Voraussetzungen zahlt, so könnte diese Tatsache bilanzrechtlich solange nicht berücksichtigt werden, wie nicht im Einzelfall nachgewiesen ist, daß auf Grund bestimmter Umstände schon vor Beendigung des Vertragsverhältnisses eine, wenn nicht rechtliche, so doch tatsächliche Verpflichtung bestand, den Ausgleich ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen in § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB zu gewähren.

c) Der Senat hält daran fest, daß auch der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision erfolgsabhängig und insoweit mit dem Ausgleichsanspruch bilanzrechtlich vergleichbar ist. Durch den Hinweis der Steuerpflichtigen auf die Provision des Bezirksvertreters wird die Erfolgsabhängigkeit des Provisionsanspruchs nicht widerlegt, sondern bestätigt. Nach § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB hat ein Handelsvertreter, dem ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen ist, Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirks oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind. Mit dieser Vorschrift hat das Gesetz den Provisionsanspruch von der Tätigkeit des Handelsvertreters, aber nicht vom Erfolg dieser Tätigkeit, weitgehend, wenn auch nicht vollständig (vgl. Urteil des OLG Stuttgart 2 U 87/69 vom 22. Mai 1970, BB 1970, 1112), gelöst, Hier ist es daher noch weniger als in den Fällen des § 87 Abs. 1 HGB die Tätigkeit des Handelsvertreters als solche, die vergütet wird. Der Provisionsanspruch ist vielmehr geknüpft an einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg, der im Bereich des Unternehmers eintritt, nämlich den Abschluß von Geschäften.

2. Der Provisionsanspruch wie der Ausgleichsanspruch setzen somit - anders als der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste beim gewöhnlichen Dienstvertrag (§ 611 Abs. 1 BGB) - nicht allein die Tätigkeit des Handelsvertreters, sondern auch einen bestimmten Erfolg dieser Tätigkeit voraus.

Bilanzrechtlich liegt das wirtschaftliche Schwergewicht auf dem Eintritt des Erfolgs. Aus der Sicht des Unternehmers, auf die es hier entscheidend ankommt, dient der Ausgleichsanspruch dem Ausgleich der erheblichen Vorteile, die der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses hat (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB; BGH-Urteil II ZR 130/58 vom 25. April 1960, Lindenmaier-Möhring, a. a. O., § 89b Nr. 13 HGB). Nichts liegt daher näher, als den Ausgleichsanspruch als eine wirtschaftliche Last der Geschäftsjahre anzusehen, in denen dem Unternehmer die Vorteile zufließen. Auch die Provision, einschließlich der Provision für Nachbestellungen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 HGB), ist - unbeschadet der Frage eines aktiven Ausgleichspostens - im Jahr des wirtschaftlichen Erfolgs der Tätigkeit des Handelsvertreters (des Abschlusses des Geschäfts) und nicht bereits in den Jahren der Tätigkeit des Handelsvertreters als Verbindlichkeit des Unternehmers zu buchen. Es besteht kein Grund, beim Ausgleich nach § 89b HGB, der mit der Provision für Nachbestellungen auf einer Linie steht (Brüggemann-Würdinger, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, § 89b Anm. 4), anders zu verfahren. Diese Beurteilung führt nicht etwa zu einer Verteilung des Passivpostens auf mehrere künftige Jahre, in denen der Unternehmer Vorteile nach § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB haben wird. Nach dem Gesetz entsteht die Ausgleichsverpflichtung rechtlich mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses und ist daher zu diesem Zeitpunkt passivierungspflichtig, mag auch die wirtschaftliche Verursachung später liegen (BFH-Urteil I R 22/66 vom 23. September 1969, BFH 97, 164, BStBl II 1970, 104).

Wenn es durch die Passivierung der Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs im Jahre der Beendigung des Vertragsverhältnisses zu einer Doppelbelastung in der Bilanz kommt, weil auch an den neuen Handelsvertreter Provisionen für Geschäfte mit den vom alten Handelsvertreter geworbenen Kunden zu zahlen sind (BB 1967, 153; Risse-Albach, BB, a. a. O., 28), so sieht der Senat darin kein falsches, sondern ein richtiges Bild der Wirklichkeit. Die Doppelbelastung ist eine Folge der gesetzlichen Vorschriften (§§ 87, 89b HGB).

3. Nach alledem kann der Senat auch nicht der Auffassung von Risse-Albach (a. a. O., 29 f.) folgen, eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Zahlung des Ausgleichs nach § 89b HGB sei handelsrechtlich und steuerrechtlich dem Grunde nach vor Beendigung des Vertragsverhältnisses entstanden, das Zufließen der erheblichen Vorteile nach § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB betreffe lediglich die Höhe der Rückstellung. Diese Ansicht wird durch das Gesetz widerlegt, in dem es heißt, der Anspruch auf Ausgleich bestehe, "wenn und soweit" der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen, vom Handelsvertreter geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat. "Wenn und soweit" bedeutet nichts anderes als "dem Grund und der Höhe nach".

Wenn Risse-Albach (a. a. O., 29 f.) weiter meinen, die Wahrscheinlichkeit der Zahlung und die Höhe der Zahlung des Ausgleichs seien tragende Faktoren für den Wertansatz der Rückstellung, so steht das im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BFH, nach der die Wahrscheinlichkeit des Bestehens und der Geltendmachung eines Anspruchs als Voraussetzung für den Ansatz einer Rückstellung dem Grunde nach anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil I 162/64 vom 27. November 1968, BFH 94, 383, BStBl II 1969, 247). Der Senat braucht indes auf die Frage der Wahrscheinlichkeit nicht näher einzugehen, da es bereits an einer ausreichenden wirtschaftlichen Verursachung des Ausgleichsanspruchs in der Zeit vor Beendigung des Vertragsverhältnisses fehlt. Nur am Rande sei daher bemerkt, daß der Ausgleichsanspruch, wie der Senat schon in dem Urteil I R 141/66 (a. a. O.) ausgeführt hat, vor Beendigung des Vertragsverhältnisses mit soviel Unsicherheitsfaktoren behaftet ist, daß in dieser Zeit nicht ohne Grund an der Wahrscheinlichkeit des Entstehens des Anspruchs gezweifelt werden könnte. Dabei fiele noch ins Gewicht, daß die Ausgleichslast nicht selten auf den Nachfolger des Handelsvertreters rechtsgeschäftlich abgewälzt wird (Schröder, - DB 1969, 291 -; Eberstein, BB 1971, 200; vgl. BGH-Urteile VII ZR 323/64 vom 29. Juni 1967, BB 1967, 935; VII ZR 48/66 vom 10. Juni 1968, BB 1968, 927).

4. Der Ansatz einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs nach § 89b HGB kann auch nicht damit begründet werden, daß ein gedachter Erwerber des Unternehmens diese Verpflichtung bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen würde (Labus, BB 1969, 1029). Denn vor Beendigung des Vertragsverhältnisses handelt es sich um einen negativen Bestandteil des Geschäftswerts, der ebensowenig passiviert werden darf, wie ein positiver Bestandteil des Geschäftswerts - etwa der Vertreterstamm - aktiviert werden darf (§ 153 Abs. 5 AktG), auch wenn ihn ein gedachter Erwerber des Unternehmens bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen würde.

II.

Handelsrechtlich kann sich der Senat auf die Aussage beschränken, daß die Rückstellung für die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs nach § 89b HGB mangels einer ausreichenden wirtschaftlichen Verknüpfung mit der Zeit vor Beendigung des Vertragsverhältnisses jedenfalls nicht geboten ist. Diese Aussage steht nicht im Widerspruch zum BGH-Urteil II ZR 134/65 (a. a. O.), das die Rückstellung handelsrechtlich nicht für geboten, sondern für zulässig erklärt hat. Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I 1968, 661) kommt daher nicht in Betracht. Zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. § 11 Abs. 4 FGO) kann der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht angerufen werden.

1. Da nach dem Beschluß des Großen Senats Gr.S. 2/68 (a. a. O.) das Steuerrecht allenfalls durch ein handelsrechtliches Passivierungsgebot gebunden wäre, entfaltet die Entscheidung des BGH keine bindende Wirkung auf das Steuerrecht. Was handelsrechtlich nicht passiviert werden muß, darf nach dem Urteil des Senats I R 15/68 (a. a. O.) steuerrechtlich im allgemeinen nicht passiviert werden. Das schließt nicht aus, daß im Einzelfall steuerrechtlich - ohne Bindung an das Handelsrecht - eine bereits am Bilanzstichtag bestehende wirtschaftliche Last anzunehmen ist, für die eine Rückstellung gebildet werden darf. Dabei werden allerdings aus den im Beschluß des Großen Senats Gr.S. 2/68 (a. a. O.) angegebenen Gründen an die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit im vergangenen Geschäftsjahr, auf die es hier entscheidend ankommt, strengere Anforderungen zu stellen sein, als sie möglicherweise im Handelsrecht gelten. Bei der Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs nach § 89b HGB sind - wie unter I. und im Urteil des Senats I R 15/68 (a. a. O.) näher dargelegt ist - vor Beendigung des Vertragsverhältnisses diese Anforderungen nicht erfüllt.

2. Die Einwendungen, die im Schrifttum gegen die steuerrechtliche Behandlung der handelsrechtlichen Wahlrechte im Beschluß des Großen Senats Gr.S. 2/68 (a. a. O.) erhoben worden sind, geben dem erkennenden Senat keinen Anlaß, von der Entscheidung des Großen Senats abzuweichen und zu diesem Zweck den Großen Senat anzurufen (§ 11 Abs. 3 FGO). Wenn eine Rückstellung handelsrechtlich zulässig, aber nicht geboten ist, so bedeutet das, daß die Bilanz durch das Weglassen der Rückstellung nicht falsch wird, insbesondere, daß darin keine Überbewertung liegt (vgl. § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG 1965). An die Bilanz ohne den Ansatz der Rückstellung darf daher auch das Steuerrecht anknüpfen und muß im allgemeinen daran anknüpfen, da es - wie im Beschluß des Großen Senats Gr.S. 2/68 (a. a. O.) näher ausgeführt ist - steuerrechtlich nicht im Belieben des Kaufmanns stehen kann, sich durch den Ansatz eines - handelsrechtlich nicht gebotenen - Passivpostens ärmer zu machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412958

BStBl II 1971, 601

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