Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Autodidakten im Bereich der EDV als Freiberufler

 

Leitsatz (NV)

1. Die Arbeiten eines Autodidakten im Bereich der EDV sind zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse geeignet, wenn sie den Schluß rechtfertigen, daß sie ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen eines Diplominformatikers entsprechen.

2. Ebenso wie der EDV-Berater mit Hochschulabschluß übt auch der Autodidakt nur insofern einen ingenieurmäßigen Beruf aus, als er im Bereich der Systemtechnik tätig wird.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren als Programmierer und EDV-Berater für verschiedene Firmen tätig. In den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheiden für die Streitjahre (1980, 1981, 1984) beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte als gewerblich. Die Behörde vertrat die Auffassung, daß die Tätigkeit des Klägers weder der eines Ingenieurs noch der eines beratenden Betriebswirtes ähnlich sei.

Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage beim Finanzgericht (FG). Zur Begründung trug er vor, er habe nach einer kaufmännischen Lehre bei der Fa. X eine umfassende theoretische und praktische Ausbildung im EDV-Bereich erhalten. Sein Arbeitsgebiet sei die organisatorische Unterstützung der Kunden bei Umstellungsarbeiten auf eine Anlage der Fa. X gewesen. Anschließend sei er als Leiter der Abteilung Elektronische Datenverarbeitung bei der Fa. Y tätig gewesen, und zwar im Bereich der Einführung neuer EDV-Techniken und der Umstellung des Unternehmens auf eine der EDV entsprechende Form. Bei einer weiteren Firma sei Schwerpunkt seiner Tätigkeit die Entwicklung eines Bildschirminformationssystems für die kassenärztlichen Vereinigungen gewesen. Seine Ausbildung habe er durch firmeninterne Kurse erhalten. Die Ausbildung habe die Bereiche Programmierung, Hardwarekenntnisse und Systemanalyse umfaßt. Von 1979 bis 1981 sei er für die Firma Z tätig gewesen. Seine Aufgabe habe in der Organisation und dem Aufbau der Verwaltung auf einem Rechner bestanden sowie in der Entwicklung eines Produktivitätssystems zur Betriebsdatenerfassung und der Entwicklung eines Produktionsüberwachungs-, Planungs- und Steuerungspaketes für die Textilmaschinenproduktion. Er erstelle eigene Programme, die urheberrechtlich geschützt seien.

Das FG wies die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob der Kläger einen freien Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeübt hat. Allerdings hat das FG zutreffend entschieden, daß die Tätigkeit des Klägers nicht der eines beratenden Betriebswirtes ähnlich war. Er hat auch nicht den Beruf eines Ingenieurs ausgeübt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337). Die Feststellungen des FG lassen jedoch nicht erkennen, ob der Kläger nicht in einem Beruf tätig war, der dem des Ingenieurs ähnlich ist.

Eine ähnliche Berufstätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn sie in ihren wesentlichen Punkten mit einem in dieser Vorschrift genannten Katalogberuf verglichen werden kann. Dazu ist zum einen erforderlich, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen in einem für den Katalogberuf typischen Bereich gelegen hat. Zum anderen muß er über eine Ausbildung verfügen, die der für den Katalogberuf erforderlichen vergleichbar ist (Senatsurteil in BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337 m.w.N.).

2. Hat der Angehörige eines technischen Berufs kein Ingenieur- oder Informatikstudium abgeschlossen, kann er gleichwohl über eine der des Ingenieurs vergleichbare Ausbildung verfügen, wenn er die erforderlichen Kenntnisse im Rahmen des Selbststudiums erworben hat. Den Nachweis darüber kann er insbesondere anhand eigener praktischer Arbeiten erbringen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Oktober 1989 IV R154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73 m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten auch für Autodidakten im Bereich der EDV. Seine Arbeiten sind zum Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse geeignet, wenn sie den Schluß rechtfertigen, daß sie ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplominformatikers entsprechen (Senatsurteil vom 7. November 1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443; Finanz-Rundschau - FR - 1992, 340).

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es hat festgestellt, daß die Tätigkeit des Klägers, die der eines Informatikers vergleichbar sei, eine hochspezialisierte und qualifizierte Ausbildung voraussetze. Sie umfasse jedoch nur einen Spezialbereich, der einerseits über die breitgefächerten Grundlagen eines Ingenieurberufs hinausgehe, ihn andererseits aber nicht - wie bei einer umfassenden Ingenieurausbildung - befähige, auf einem anderen als seinem Spezialgebiet tätig zu werden. Es ist zwar zutreffend, daß eine Vorbildung, die lediglich für die spezielle technische Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreicht, nicht geeignet ist, den Nachweis ingenieurähnlicher Kenntnisse zu erbringen (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769 zur Vorbildung in der für einen beratenden Betriebswirt erforderlichen fachlichen Breite). Das gilt auch dann, wenn eine vergleichbare Tätigkeit vielfach auch von Ingenieuren ausgeübt wird (Senatsurteil vom 11. Juli 1991 IV R 73/90, BFHE 165, 221, BStBl II 1991, 878). Die Ausbildung eines Diplominformatikers ist jedoch der eines Ingenieurs gleichwertig (BFH-Urteile vom 4. August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl III 1983, 677, und vom 19. Juli 1985 III R 175/80, BFHE 144, 413, BStBl II 1986, 15), obwohl die des Ingenieurs allgemeiner sein mag. Deshalb müssen auch die Kenntnisse des Autodidakten, die mit der des Diplominformatikers hinsichtlich ihrer Breite und Tiefe vergleichbar sind, als ingenieurmäßig angesehen werden (Senatsurteil in BFHE 166, 443, FR 1992, 340).

4. Ebenso wie der EDV-Berater mit Hochschulabschluß übt aber auch der Autodidakt nur insofern einen ingenieurähnlichen Beruf aus, als er im Bereich der Systemtechnik tätig wird. Wie sich die diesem Bereich zuzuordnenden Tätigkeitsbereiche bestimmen lassen, hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 166, 443, FR 1992,340 (unter II. 1. c) im einzelnen dargelegt. Den Feststellungen des FG läßt sich nicht entnehmen, ob der Kläger in den Streitjahren im Bereich der Anwender- oder der Systemsoftware tätig war. Nach dem Inhalt der Akten ist eher davon auszugehen, daß der Kläger zumindest vorwiegend Anwendersoftware entwickelt hat. Auf der anderen Seite läßt die Bescheinigung der Fa. Z vom 6. November 1981 möglicherweise darauf schließen, daß der Kläger auch auf dem Gebiet der Systemtechnik tätig war. Die entsprechenden Feststellungen werden im zweiten Rechtszug - ggf. mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens - nachzuholen sein. Sollte das FG feststellen, daß der Kläger sowohl System- als auch Anwendersoftware entwickelt hat, gelten die vom Senat in seinem Urteil in BFHE 166, 443, FR 1992, 340 (unter II. 2. d) aufgestellten Grundsätze.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418994

BFH/NV 1994, 613

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