Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der außergewöhnlichen zwangsläufigen Belastung bei Beschäftigung einer Hausgehilfin.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, § 33a/3

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage einer Steuerermäßigung nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin.

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist 75 Jahre alt und verwitwet. Er bezieht eine monatliche Pension von 605,80 DM brutto. Seine 16jährige Tochter Ursula, für die auf der Lohnsteuerkarte Kinderermäßigung eingetragen ist, ist in der Klosterschule untergebracht; die Kosten hierfür betragen jährlich 830 DM. Im Haushalt des Stpfl. lebt seine 36jährige Tochter Elisabeth, sie ist Kriegerwitwe und war bis April 1951 Sekretärin beim Caritasverband. Diese Stellung mußte sie aufgeben; seitdem besucht sie zur Ausbildung als Fürsorgerin die Soziale Frauenschule des Caritasverbandes e. V.

Der Stpfl. hat die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte 1952 wegen erhöhter Sonderausgaben und wegen außergewöhnlicher Belastungen beantragt. Das Finanzgericht hat den steuerfreien Jahresbetrag auf 2.179,50 DM, aufgerundet auf 2.180 (182 DM monatlich), festgesetzt. Es hat hierbei wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin eine außergewöhnliche zwangsläufige Belastung von jährlich 1.584 DM (= 132 DM monatlich) anerkannt. Nach Abzug der auf 322,38 DM berechneten zumutbaren Belastung (ß 25 Abs. 5 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1952) wurde ein überbelastungsbetrag von 1.261,62 DM vom Einkommen abgezogen.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich der Finanzamtsvorsteher ausschließlich dagegen, daß das Finanzgericht die Aufwendungen für die Hausgehilfin in voller Höhe als außergewöhnliche, zwangsläufige Belastung anerkannt habe. Er beantragt, als außergewöhnliche, zwangsläufige Belastung wegen der Beschäftigung der Hausgehilfin einen Betrag von 600 DM jährlich (vermindert um zumutbare Belastung) zugrunde zu legen. Wenn dieser Satz in Abschn. 41 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1952 beibehalten worden sei, so lägen die Gründe hierfür zweifellos nicht in der mangelnden Erkenntnis, daß die Beschäftigung einer Hausgehilfin höhere Aufwendungen als 50 DM monatlich erfordere, sondern darin, daß die Aufwendungen für eine Hausgehilfin in fast allen Fällen zum Teil als Kosten der Lebensführung angesehen werden müßten. Das Finanzgericht erkenne die Zwangsläufigkeit und die Außergewöhnlichkeit der gesamten Aufwendungen für die Hausgehilfin an. Die Zwangsläufigkeit werde aber nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen des vorliegenden Falles begründet, sondern mit der allgemeinen Feststellung, daß im Alter des Stpfl. von 75 Jahren allgemein Gesundheitsschädigungen einzutreten pflegten, die es insbesondere einem Witwer mehr ermöglichten, die mit der Führung eines Haushalts und mit der Versorgung der eigenen Person anfallenden Arbeiten zu erledigen. Bei der Prüfung der Frage, ob die Zwangsläufigkeit der Belastung gegeben sei, hätte das Finanzgericht von den tatsächlichen Verhältnissen des Stpfl. ausgehen müssen. Der Stpfl. sei nach seinen eigenen Angaben in den letzten Jahren weder ernstlich krank gewesen, noch habe er, abgesehen von gewissen Ischiasschmerzen, irgendwelche körperliche Leiden aufzuweisen. Hieraus folge, daß er sich mit einer Stundenfrau (Zugehfrau) hätte begnügen können. Es müsse danach bestritten werden, daß das Finanzgericht berechtigt war, die gesamten Aufwendungen für eine Hausgehilfin als außergewöhnliche, zwangsläufige Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG 1951 anzuerkennen.

Der Stpfl. beantragt Zurückweisung der Rb. des Finanzamtsvorstehers. Der Satz von 50 DM monatlich für die Beschäftigung einer Hausgehilfin sei nicht gerechtfertigt. Die Steuererleichterungen, die einem Stpfl. nach dem Gesetz zustünden, könnten nicht im Wege einer Verwaltungsanordnung zum Teil wieder aufgehoben werden. Es werde in weiten Kreisen der Stpfl. nicht verstanden, daß die Steuerbehörden an den Veränderungen der Geldverhältnisse stillschweigend vorübergingen, und daß sie veraltete und überholte Richtsätze immer noch aufrechterhielten. Dies widerspreche der sozialen Gerechtigkeit.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Bis zum Jahre 1932 wurden im Einkommensteuerrecht die Aufwendungen für eine Hausgehilfin als nichtabzugsfähige Kosten der Lebenshaltung behandelt. Eine Steuerermäßigung wegen der Beschäftigung einer Hausgehilfin gab es nicht. Durch den Abschn. IV des Gesetzes zur Minderung der Arbeitslosigkeit vom 1. Juni 1933 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 323, 326, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1933 S. 461, 464) wurde in das Einkommensteuergesetz 1925 als § 56 a eine Vorschrift eingefügt, wonach ab 1. Juli 1933 die im Einkommensteuergesetz vorgesehenen Kinderermäßigungen auch für Hausgehilfinnen gewährt wurden. Durch § 4 des Gesetzes über die Einkommensbesteuerung für 1933 vom 21. Dezember 1933 (RGBl. 1934 I S. 1, RStBl. 1934 S. 1) wurde der bei der Einkommensteuerveranlagung 1933 für eine Hausgehilfin anzusetzende abzugsfähige Betrag auf 50 RM monatlich festgesetzt. Im § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I S. 1005, RStBl. 1934 S. 1261) war bestimmt, daß für jede Hausgehilfin als Sonderausgabe ein Betrag von 50 RM monatlich vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden kann. Im Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 27. Februar 1939 (RGBl. I S. 297, RStBl. S. 337) ist die Steuerermäßigung für Hausgehilfinnen wieder aufgehoben worden. Im Verwaltungswege wurde aber angeordnet, daß in gewissen Fällen (bei Familien mit mehr als drei minderjährigen Kindern, bei Kriegsbeschädigten, deren Beschädigung eine wesentliche körperliche Behinderung zur Folge hat, und bei Personen, die über 70 Jahre alt oder hilflos sind) nach § 33 EStG eine Steuerermäßigung wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin gewährt werden könne (Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. März 1939, RStBl. 1939 S. 505). Im Abschn. 83 der Einkommensteuer-Richtlinien und Körperschaftsteuer-Richtlinien für 1939 (RStBl. 1940 S. 73, 100) war vorgesehen, daß für die Berechnung der Steuerermäßigung wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin vom Einkommen 50 RM monatlich abgesetzt werden können. Der Betrag von 50 RM war ohne Kürzung wegen der zumutbaren Belastung abzugsfähig (zu vgl. auch Abschn. 128 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1941, RStBl. 1942 S. 97, 153). Zu bemerken ist, daß vorübergehend der Satz auf 30 RM monatlich (360 RM jährlich) herabgesetzt war (Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 30. Juni 1941, RStBl. 1941 S. 476).

Im Abschn. 41 Abs. 2 LStR 1948 ist angeordnet, daß in den Fällen, in denen wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG in Frage kommt, die Aufwendungen für die Hausgehilfin mit 50 DM monatlich, vermindert um die zumutbare Belastung, zu berücksichtigen sind. Diese Anordnung ist im Abschn. 41 Abs. 3 LStR 1952 aufrechterhalten. Der Oberste Finanzgerichtshof hat in dem Urteil IV 52/50 U vom 4. Juli 1950 (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay.FMBl. - 1950 S. 427) den Satz von 50 RM monatlich wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin zwar als sehr niedrig bezeichnet; er hat ihn aber gleichwohl als noch möglich und zulässig angesehen.

Im vorliegenden Falle ist mit den Vorbehörden davon auszugehen, dabei dem Stpfl. die Voraussetzungen für die Anwendung des § 33 Abs. 1 EStG 1951 wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin dem Grunde nach vorliegen. Die Beschäftigung einer Hausgehilfin ist bei dem Stpfl. dem Grunde nach sowohl als außergewöhnlich, wie auch als zwangsläufig anzuerkennen. Der Stpfl. ist 75 Jahre alt und verwitwet. Seine 16jährige Tochter ist in einer auswärtigen Schule untergebracht. Die 36jährige Tochter ist Kriegerwitwe und gezwungen, sich eine neue Existenz zu gründen. Wenn sie auch im Haushalt des Stpfl. lebt, so ist sie doch durch die eigene Berufsausbildung als Fürsorgerin in Anspruch genommen und kann nicht neben der Berufsausbildung auch noch die volle Haushaltsführung für ihren Vater besorgen. Die Zwangsläufigkeit der Beschäftigung einer Hausgehilfin kann auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Stpfl. noch rüstig sei, und weil er sich mit einer Stundenfrau (Zugehfrau) hätte begnügen können. Es ist vielmehr anzuerkennen, daß bei dem Stpfl. die Führung des Haushalts eine ständige Arbeitskraft und damit eine Hausgehilfin erfordert.

Was die Höhe der nach § 33 Abs. 1 EStG 1951 zu gewährenden Steuerermäßigung betrifft, so wird in der Rb. des Finanzamtsvorstehers mit Recht darauf hingewiesen, daß die Frage der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit auch bezüglich der Höhe der nach § 33 Abs. 1 EStG 1951 anzuerkennenden Aufwendungen zu prüfen ist. Wie der Senat in dem Urteil IV 444/51 U vom 29. Mai 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 188) ausgeführt hat, ist bei der Höhe der nach § 33 Abs. 1 EStG zu gewährenden Steuerermäßigung unter Beachtung der steuerlichen Gleichmäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit sowie der gesamten Verhältnisse des Stpfl. zu prüfen, ob die Aufwendungen im einzelnen Falle notwendig und angemessen sind. Der Rb. des Finanzamtsvorstehers ist darin beizupflichten, daß das Finanzgericht mit der Berücksichtigung der Aufwendungen für die Hausgehilfin in voller Höhe zu weit gegangen ist. In Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles ist der Senat der Auffassung, daß die Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die Hausgehilfin in Höhe von 100 DM monatlich anzuerkennen ist.

Der Jahresfreibetrag berechnet sich danach wie folgt: 1. Sonderausgaben (unbestritten) ------------ 41,88 DM, 2. Außergewöhnliche Belastungen a) wegen Beschäftigung der Hausgehilfin ---------------- 1.200,00 DM, b) wegen auswärtiger Unterbringung der Tochter Ursula (unbestritten) --------- 300,00 DM, c) wegen Berufsausbildung der Tochter Elisabeth (unbestritten) ---------------- 576,00 DM, insgesamt: ------------------ 2.076,00 DM, hiervon ab zumutbare Belastung (ß 25 Abs. 5 LStDV 1952) wie bisher ------------ - 322,38 DM vom Einkommen abzuziehen ------------------- 1.753,62 DM, Gesamtfreibetrag: -------------------------- 1.795,50 DM, aufgerundet: ------------------------------- 1.796,00 DM. Der monatliche Freibetrag ist 150 DM.Der Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlich einbehaltenen Lohnsteuer und der Lohnsteuer, die sich bei Zugrundelegung des vorstehenden Freibetrages ergibt, ist dem Stpfl. zu erstatten (ß 152 Abs. 2 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung). Dem Stpfl. etwa bereits gutgebrachte Beträge wären anzurechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407540

BStBl III 1953, 38

BFHE 1954, 97

BFHE 57, 97

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