Leitsatz (amtlich)

Auch nach §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG 1974 galten die Ermäßigungen der Steuermeßzahlen nur für den Betrieb inländischer Handelsschiffe im internationalen Verkehr, d. h. von Schiffen, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen waren und die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führten (vgl. die dementsprechende Neufassung der §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG ab Erhebungszeitraum 1977 durch Gesetz vom 6. September 1976, BGBl I, 2641).

 

Normenkette

GewStG 1974 und 1977 § 11 Abs. 4, § 13 Abs. 3; EStG 1974 § 34c Abs. 4

 

Tatbestand

Für den Erhebungszeitraum 1974 ist streitig, ob das Unternehmen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr im Sinne der §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG 1974 zum Gegenstand hatte.

Die Klägerin betreibt seit dem 21. Januar 1974 das unter liberianischer Flagge fahrende und im liberianischen Schiffsregister eingetragene, in der internationalen Trampschiffahrt eingesetzte MS "X".

Mit Bescheid vom 5. Januar 1976 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1974 für die Klägerin auf 48 985 DM und die Gewerbesteuer auf 154 302,75 DM fest.

Hiergegen erhob die Klägerin Sprungklage. Sie machte geltend, das FA habe für die Ermittlung der Meßbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital unrichtige Steuermeßzahlen angewandt. Die Steuermeßzahl nach dem Gewerbeertrag betrage bei ihr nur 2,5 v. H. und die Steuermeßzahl nach dem Gewerbekapital nur 1 v. T. Dies ergebe sich aus den §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG. Aus der Auslegung dieser Bestimmungen folge, daß ihr Unternehmen im Streitjahr ausschließlich den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand gehabt habe. Der Begriff "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" sei im Gewerbesteuerrecht ein anderer als in § 34 c Abs. 4 EStG 1974. Die einengende Begriffsbestimmung im Einkommensteuergesetz, nach der Handelsschiffe im internationalen Verkehr nur betrieben würden, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen seien und die Flagge der Bundesrepublik führten, gelte nicht im Gewerbesteuerrecht.

Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe zu Recht im Falle der Klägerin die allgemeinen Steuermeßzahlen angewandt. Die Klägerin betreibe i. S. des Gewerbesteuergesetzes keine Handelsschiffe im internationalen Verkehr, da das von ihr betriebene Handelsschiff nicht die deutsche Flagge führe und nicht in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sei. Denn nach der Legaldefinition des § 34 c Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG 1974 liege ein Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr nur vor bei Handelsschiffen, die in ein inländisches Seeschiffsregister eingetragen seien und unter der Flagge der Bundesrepublik führen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für 1974 - wie schon bisher beantragt - auf 24 564 DM festzusetzen. Die Klägerin führt aus, die Vorentscheidung, derzufolge die Definition des Begriffs "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" in § 34 c Abs. 4 EStG 1974 auch für die §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG gelte, komme zu diesem Ergebnis, weil sie § 34 c Abs. 4 EStG 1974 als eine allgemeine Legaldefinition für den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr ansehe. In Wirklichkeit handle es sich bei § 34 c Abs. 4 EStG 1974 um eine zusätzliche einschränkende Tatbestandsdefinition speziell für die einkommensteuerrechtliche Vergünstigungsvorschrift. Eine einschränkende Definition für eine bestimmte Steuerbegünstigung könne nicht als eine allgemeine Definition eines Begriffes bezeichnet werden. Zwischen Gewerbesteuer und Einkommensteuer sei auch hinsichtlich des Begriffs "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" eine differenzierende Betrachtung notwendig. Es entbehre nicht eines Sinnes, wenn Reedereien, die ihre Schiffe unter fremder Flagge fahren ließen, gewerbesteuerrechtlich ebenso gestellt würden wie die Reedereien, die ihre Schiffe unter inländischer Flagge fahren ließen, weil die aus der Gewerbesteuer zu finanzierenden kommunalen Einrichtungen von den Schiffsbesatzungen beider Schiffsarten überhaupt nicht beansprucht würden. Dies gelte bei ausgeflaggten Schiffen um so mehr, als deren Mannschaften zur Bundesrepublik in der Regel keinerlei Beziehungen unterhielten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es trägt vor, auch wenn man nicht auf die Legaldefinition des § 34 c Abs. 4 EStG 1974 zurückgreife, müsse man die an den Begriff "internationaler Verkehr" anknüpfenden Begünstigungsvorschriften so auslegen, daß damit nur die deutsche Seeschiffahrt begünstigt werden solle, d. h. eine Seeschiffahrt, die mit Handelsschiffen betrieben werde, die die deutsche Bundesflagge führten und in ein inländisches Seeschiffsregister eingetragen seien. Diese Auffassung habe der BFH im Urteil vom 5. August 1976 IV R 12/73 (BFHE 119, 473, BStBl II 1976, 710) vertreten. Hiermit habe der BFH das die entgegengesetzte Auffassung vertretende Urteil des FG Hamburg vom 21. November 1972 III 27/72 (EFG 1973, 114) aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG 1974 sind - ebenso wie die Neufassung des § 34 c Abs. 4 EStG in das Einkommensteuergesetz 1974 - durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18. Juli 1974 (BGBl I 1974, 1489, BStBl I 1974, 521) in das Gewerbesteuergesetz 1974 eingefügt worden. Mit den §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG wurde eine 50 %ige Ermäßigung der Steuermeßzahlen für den Gewerbeertrag und für das Gewerbekapital für diejenigen Unternehmen festgelegt, die den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung des Deutschen Bundestages: "Der Finanzausschuß ist der Auffassung, daß für Unternehmen, die den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, auch für die Gewerbesteuer eine entsprechende Vergünstigung gesetzlich geschaffen werden soll, wie sie für die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer vorgesehen ist (vgl. Art. 1 Nr. 2 a und Art. 2 Nr. 1 c)" (Bundestags-Drucksache 7/1871, Abschn. II Art. 3 zu Nr. 1 a § 11 GewStG). Die entsprechende Bestimmung für die Einkommensteuer ist der durch das gleiche Gesetz neu gefaßte § 34 c Abs. 4 EStG 1974. Damit ist klargestellt, daß die Ermäßigung der Gewerbesteuer für dieselben Unternehmen erfolgen soll, für die nach § 34 c Abs. 4 EStG 1974 die Einkommensteuer zu ermäßigen ist. Außerdem läßt sich aus der angeführten Begründung auch ableiten, daß der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Ermäßigung der Gewerbesteuer derselbe sein soll wie bei der Einkommensteuer.

§ 34 c Abs. 4 EStG 1974 regelt nicht nur die Ermäßigung der Einkommensteuer für Unternehmen, die den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, sondern bringt erstmals auch eine Legaldefinition dafür, was unter dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Nach dieser Definition werden Handelsschiffe "im internationalen Verkehr betrieben, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führen, im Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt werden...".

Da nach den obigen Darlegungen die durch die §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG begünstigten Unternehmen, die den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, nach dem Wortlaut des Gesetzes und auch nach der Gesetzesbegründung dieselben Unternehmen sind, die auch nach § 34 c Abs. 4 EStG 1974 begünstigt werden, können Schiffe deutscher Reedereien, die unter ausländischer Flagge fahren, die Tarifvergünstigung bei der Gewerbesteuer genauso wenig beanspruchen wie die Tarifvergünstigung des § 34 c Abs. 4 EStG 1974.

Nach der Gesetzesbegründung hat die Beschränkung der Begünstigung des § 34 c Abs. 4 EStG 1974 auf Schiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und die Flagge der Bundesrepublik führen, den Zweck, der Ausflaggung deutscher Schiffe entgegenzuwirken (Bundestags-Drucksache 7/1871 Abschn. I 2 b letzter Absatz; Abschn. II Art. 1 Zu Nr. 2 a - § 34 c Abs. 4 EStG -). Da der Zweck der Tarifvergünstigung in den §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG derselbe ist wie bei der Tarifvergünstigung des § 34 c Abs. 4 EStG 1974, ergibt sich daraus auch, daß gewerbesteuerrechtlich nur Unternehmen begünstigt sein sollen, deren Handelsschiffe in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und unter der Flagge der Bundesrepublik fahren.

Der erkennende Senat hat schon im Urteil IV R 12/73 zu § 34 c Abs. 4 EStG 1969 die Auffassung vertreten, daß auch ohne die erst in das Einkommensteuergesetz 1974 eingefügte Definition des Begriffs "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" aus dem Sinn und Zweck der besonderen steuerrechtlichen Begünstigung des Betriebes von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, die deutsche Handelsflotte im internationalen Verkehr gegenüber den sog. billigen Flaggen durch steuerrechtliche Maßnahmen wettbewerbsfähig zu halten, gefolgert werden muß, daß nur deutsche Schiffe, d. h. Schiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und unter der Flagge der Bundesrepublik fahren, begünstigt sein können. Diese Ausführungen gelten in gleicher Weise für die §§ 11 und 13 GewStG.

Danach bedurfte es in den §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG keines ausdrücklichen Hinweises dafür, daß die Definition des "Betriebes von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" in § 34 c Abs. 4 EStG 1974 auch für die gewerbesteuerrechtlichen Bestimmungen über die Tarifermäßigung dieser Betriebe gilt.

Die durch das Einführungsgesetz zum Körperschaftsteuerreformgesetz vom 6. September 1976 (BGBl I, 2641, BStBl I 1976, 476 [488]) ab dem Veranlagungszeitraum 1977 beschlossene Neufassung der §§ 11 Abs. 4 und 13 Abs. 3 GewStG, wonach die Ermäßigung der Steuermeßzahlen nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital bei Unternehmen gilt, soweit sie den Betrieb von Schiffen der in § 34 c Abs. 4 EStG 1974 bezeichneten Art zum Gegenstand haben, stellt demnach wiederum nur eine Klarstellung aus Gründen der Rechtssicherheit dar, die der Gesetzgeber wegen der verschiedentlich vertretenen gegenteiligen Auffassung für erforderlich gehalten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72630

BStBl II 1978, 113

BFHE 1978, 568

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