Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Mehrere Lastschiffe (Schleppkähne) eines Binnenschiffers können in sich geschlossene und mit ausreichender Selbständigkeit ausgestattete Teilbetriebe sein, wenn sie örtlich getrennt und für verschiedene, "eigene" Kundenkreise gefahren werden.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Der Bf., der seinen Gewinn für 1950 - wie für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume - nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt hat, ist Binnenschiffer. Er fährt auf deutschen Kanälen. Zu seinem Betrieb gehörten am 31. Dezember 1949 die beiden Lastschiffe A und B. Das Schiff A wurde im Jahre 1950 mit einem Gewinn von 22.000 DM veräußert. Das im September 1949 erworbene Schiff B wurde, nachdem es zuvor zur Werft gegeben worden war, im Dezember 1949 in Betrieb genommen.

Der Bf. wurde für den Veranlagungszeitraum 1950 zur Einkommensteuer nach seiner Einkommensteuererklärung veranlagt. Dabei wurde der durch die Veräußerung des Schiffes A erzielte Gewinn antragsgemäß gemäß § 34 Abs. 2 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz von 17 v. H. zur Einkommensteuer herangezogen. Eine im Jahre 1955 durchgeführte Betriebsprüfung führte gemäß § 222 AO zur Versagung der bisher nach § 34 Abs. 2 EStG gewährten Steuervergünstigung.

Mit seiner Berufung begehrte der Bf. Steuervergünstigung für den durch die Veräußerung des Schiffes A erzielten Gewinn gemäß § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG, da es sich bei diesem Schiff um einen Teilbetrieb seines Unternehmens im Sinne des § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG handle. Die Berufung blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Die Ausführungen, mit denen die angefochtene Entscheidung die Versagung der Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG begründet, sind rechtlich bedenklich. Das Finanzgericht hat nicht schlüssig begründet, weshalb es sich - entgegen den Darlegungen des Bf. - bei den beiden Schiffen nicht um zwei Teilbetriebe eines Unternehmens im Sinne des § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehandelt habe. Die Sache bedarf insoweit in tatsächlicher Hinsicht weiterer Aufklärung. Es ist richtig, wenn das Finanzgericht darauf hinweist, daß die beiden Schiffe nicht schon deshalb als Teilbetriebe anzusehen sind, weil sie nach ihrem Wert den wesentlichen Teil des betrieblichen Anlagevermögens darstellen. Es müssen weitere Momente hinzutreten, die es rechtfertigen, beide Schiffe als in sich geschlossene und mit ausreichender Selbständigkeit ausgestattete Teile eines Gewerbebetriebes anzusehen. Diese Voraussetzung wäre nicht gegeben, wenn beide Schiffe innerhalb des gleichen örtlichen Wirkungsbereiches für den gleichen Kundenkreis gefahren wären. Der Bf. hat jedoch bereits in dem Verfahren über die Berufung mehrfach ausgeführt, daß beide Schiffe "örtlich getrennt" geführt worden seien und für "verschiedene bzw. eigene Kundenkreise" gefahren seien. Er hat weiter zur Begründung seiner Rb. in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens darauf hingewiesen, daß durch den Verkauf des Schiffes A dessen "Wirkungsfeld und Kundschaft" für ihn verloren gewesen seien und daß andererseits das Schiff B auch nach Veräußerung des Schiffes A "in seinem alten Wirkungsbereich geblieben und auch keinerlei Kundschaft aus dem Bereich des Schiffes A übernommen habe". Damit will der Bf. ausdrücklich klarstellen, daß es sich in seinem Fall nicht lediglich um den im Urteil des Reichsfinanzhofs VI 217/39 vom 19. April 1939 (RStBl 1939 S. 852) erörterten Fall der unveränderten Betriebsfortführung durch ein anderes Schiff handle. Wenn seine Ausführungen zutreffen, dann sind im Sinne der bisherigen Darlegungen gewichtige und entscheidende Momente gegeben, die es rechtfertigen, beide Schiffe als Teilbetriebe anzusehen. Dann kann es - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - auch nicht entscheidend darauf ankommen, wie lange beide Schiffe nebeneinander im Betrieb des Bf. gefahren sind, weil für die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG allein maßgeblich ist, ob der Bf. mit dem Schiff A einen Teilbetrieb im Sinne des § 16 EStG veräußert hat. Nach dieser Richtung wird das Finanzgericht, an das die Sache zurückgeht, die tatsächlich gegebenen Verhältnisse - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - aufzuklären haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409850

BStBl III 1961, 230

BFHE 1961, 628

BFHE 72, 628

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