Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsverletzung, Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts, Überzeugungsbildung, vorweggenommene Beweiswürdigung, Zustimmung zur Sprungklage

 

Leitsatz (NV)

1. § 293 ZPO ist im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden.

2. Die Deutsche Demokratische Republik ist ein anderer ,,Staat" im Sinne des § 293 ZPO.

3. Umfang der Ermittlungspflicht und Überzeugungsbildung des FG, wenn ein in Bayern lebender Kläger behauptet, er sei 1951 in der Deutschen Demokratischen Republik aus der evangelisch-lutherischen Kirche ausgetreten und dürfe deshalb in Bayern nicht zur Kirchensteuer (1967, 1970-1972) herangezogen werden.

4. Die Zustimmung des FA zur Sprungklage ist eine Prozeßerklärung, die gegenüber dem Gericht abzugeben, also an dieses gerichtet sein muß.

 

Normenkette

FGO § 45 Abs. 1, § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 118 Abs. 1, § 155; ZPO §§ 293, 550; KiStG 1967 Bay Art. 18 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Bauunternehmer, ist 1931 geboren und in A (DDR) evangelisch-lutherisch getauft worden. Im Jahre 1960 übersiedelte er mit seiner Ehefrau und seinem Sohn in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Er erzielte in den Jahren 1967, 1970, 1971 und 1972 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen und wurde mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den jeweiligen Einkommensteuererklärungen hatte er als seine Religionsgemeinschaft ,,evang." angegeben und jeweils versichert, daß er die Angaben in der Steuererklärung ,,nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe".

Der Beklagte, das Evangelisch-Lutherische Kirchensteueramt für Oberbayern in München (EKA), setzte die Kirchensteuer in Form einer Kirchenumlage als Kircheneinkommensteuer durch Bescheide vom 2. Dezember 1974 für 1967, 1970 und 1971 fest; die Einsprüche wies er zurück. Im April 1975 hat der Kläger Klage erhoben und begehrt, die Kirchensteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. In der Klagebegründung vom Juli 1975 hat er erklärt, er ,,erweitere die Klage" auch auf den ihm inzwischen zugegangenen Kirchensteuerbescheid für das Jahr 1972 vom 13. Mai 1975. Die Kirchensteuerbescheide seien rechtswidrig, denn er sei in den angegebenen Zeiträumen nicht Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gewesen, weil er ,,bereits im Februar 1951 in A aus der Kirche ausgetreten" sei. Das sei vor Beginn seines Studiums bei der Kasernierten Volkspolizei gewesen. Es sei ihm ,,leider bis heute noch nicht gelungen, eine Bestätigung darüber zu erhalten". Ersatzweise biete er eine eidesstattliche Erklärung seiner Schwester S an, die seinen damaligen Kirchenaustritt bezeugen könne. Rein vorsorglich habe er ,,den Kirchenaustritt am 12. Mai 1975 nochmals vor dem Standesamt B (Bayern) erklärt".

Das Finanzgericht (FG) hat den Schriftsatz über die Erweiterung der Klage auf den Kirchensteuerbescheid 1972 dem EKA am 28. Juli 1975 zugestellt. Es hat beide Klagen verbunden und sie abgewiesen.

Die Klage wegen Kirchensteuer 1967, 1970 und 1971 sei unbegründet. Das FG sehe es ,,nicht als erwiesen an", daß der Kläger 1951 aus der evangelischen Kirche ausgetreten sei. Es könne auf sich beruhen, ,,gegenüber welcher Institution der damals im Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebende Kl. eine Kirchenaustrittserklärung in wirksamer Form hätte abgeben können". Denn die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche sei eine Frage des Personenstandes und könne deshalb grundsätzlich nur ,,bei Vorlage einer urkundlich von der hierfür zuständigen Stelle bestätigten Austrittserklärung i. S. § 7 KGliedG, Art. 2 Abs. 3 KiStG" angenommen werden. Von diesen ,,Nachweisgrundsätzen" könne nicht allein wegen der ,,Schwierigkeiten, die der Beschaffung von Urkunden aus dem anderen Teil Deutschlands zur Zeit entgegenstehen", abgesehen werden. Der Senat unterstelle zwar, ,,daß die Behauptung des Kl., er sei bereits im Jahre 1951 aus der Kirche ausgetreten, durch eine eidesstattliche Versicherung seiner in der Ostzone lebenden Schwester bestätigt werden" könne. Diese Behauptung würde aber ,,im Wege der Beweiswürdigung allenfalls dann als wahr angesehen werden" können, ,,wenn sich der Kl. in der Zeit nach dem von ihm behaupteten Kirchenaustritt nicht mehr als der evang.-luth. Kirche zugehörig verhalten hätte und er einer Zurechnung seiner Person zu dieser Religionsgemeinschaft durch Dritte, insbesondere durch staatliche Behörden, nachhaltig entgegengetreten wäre". Das aber habe der Kläger unterlassen. Er habe sich vielmehr gegenüber den Einwohnermeldebehörden und gegenüber dem Finanzamt als evang. bezeichnet und dadurch den Anschein erweckt, er gehöre weiterhin (auch in den Jahren 1967, 1970 bis 1972) zur evangelischen Religionsgemeinschaft.

Die Klage wegen Kirchensteuer 1972 sei unzulässig, da es sich insoweit um eine verspätet eingelegte Sprungklage handele.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 76, 155 (i.V.m. § 293 ZPO) und des § 45 Abs. 1 Satz 2 FGO sowie des Art. 2 des Kirchensteuergesetzes (KiStG) i.d.F. vom 15. März 1967 (Bay. GVBl 1967, 317, BStBl II 1967, 178). Er beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und die Kirchensteuerbescheide für die Jahre 1967, 1970 und 1971 aufzuheben und die Klage gegen den Kirchensteuerbescheid für das Jahr 1972 als Einspruch zu behandeln; hilfsweise, die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Auf einen Hinweis des Berichterstatters, daß es zweifelhaft sei, ob die Revision auf die Verletzung von Landesrecht gestützt werden könne, erklärten die Beteiligten übereinstimmend, daß sie die Vorschriften des Bayerischen Kirchensteuergesetzes für revisibel erachteten.

Während des Revisionsverfahrens hat das EKA die angefochtenen Kirchensteuerbescheide für 1971 und 1972 geändert durch Kirchensteuerbescheide vom 30. November 1978. Der Kläger hat beantragt, diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Soweit das Urteil des FG die Kirchensteuerbescheide für 1967 und 1970 betrifft, muß es aufgehoben werden, weil es auf Verfahrensmängeln beruht, die der Kläger ordnungsmäßig gerügt hat (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).

a) Verletzt, das heißt nicht oder nicht richtig angewendet worden (§ 155 FGO, § 550 ZPO) ist zunächst die Rechtsnorm des § 293 ZPO. Nach dieser Vorschrift bedarf das in einem anderen Staate geltende Recht des Beweises nur insofern, als es dem Gericht unbekannt ist. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen. Diese Vorschrift des zivilprozessualen Verfahrens ist sinngemäß auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden, weil die FGO insoweit keine eigenen Bestimmungen enthält und die grundsätzlichen Unterschiede beider Verfahrensarten dem nicht entgegenstehen (§ 155 FGO; im gleichen Sinne Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 155 FGO Tz. 4 zu § 81 FGO, § 118 FGO Tz. 21, § 81 FGO Tz. 3). Das ,,in einem anderen Staate geltende Recht" ist im vorliegenden Falle das in der Deutschen Demokratischen Republik geltende Recht. Die Deutsche Demokratische Republik ist - unbeschadet der unterschiedlichen Auffassungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur nationalen Frage - ein zur Rechtsetzung befugtes Völkerrechtssubjekt. Das ergibt sich unter anderem aus Art. 6 des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972, dem die Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom 6. Juni 1973 zugestimmt hat (BGBl II 1973, 421) und der am 21. Juni 1973 in Kraft getreten ist (BGBl II 1973, 559). Danach gehen die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik von dem Grundsatz aus, ,,daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten". Das stellt auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil zu diesem Vertrage nicht in Frage (Urteil vom 31. Juli 1973 2 BvF 1/73, BVerfGE 36, 1, 29).

Verletzt hat das FG die Vorschrift des § 293 ZPO insofern, als es unterlassen hat, das seinerzeit in der Deutschen Demokratischen Republik geltende Recht über den Austritt aus Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts zu ermitteln. Dieses Recht zu ermitteln, war das FG nicht nur befugt, sondern gemäß § 293 ZPO von Amts wegen verpflichtet (vgl. Urteil des BFH vom 23. Dezember 1981 IV b ZR 643/80, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1982, 263, 265 m.w.N., betreffend die Ermittlung türkischen Rechts). Es ist enthalten in der ,,Verordnung über den Austritt aus Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts" vom 13. Juli 1950 (Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Nr. 78, 1950, 660) und der hierzu ergangenen Durchführungsbestimmung vom 20. März 1952 (Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Nr. 50 vom 28. April 1952, 324).

Weil das FG es unterlassen hat, dieses Recht zu ermitteln, hat es auch keine Kenntnis erlangt von den Tatsachen, die in der Deutschen Demokratischen Republik für einen Kirchenaustritt rechtserheblich sind. Dadurch hat es sich weitgehend selbst außerstande gesetzt, den Sachverhalt zielgerichtet, unter Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel so vollständig wie möglich zu erforschen und hat dadurch auch die Rechtsnorm des § 76 Abs. 1 FGO verletzt (vgl. in diesem Zusammenhang Urteil des BFH vom 20. Juni 1967 II 73/63, BFHE 90, 82, 86, BStBl III 1967, 794, 796). Von seiner Erforschungspflicht war das FG nicht etwa deshalb entbunden, weil der Sachverhalt sich auf einen Vorgang außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik bezog und den Kläger deshalb eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Sachverhalts traf (§ 76 Abs. 1 FGO, § 90 Abs. 2 AO 1977). Zumindest hätte es darauf hinwirken müssen, daß der Kläger seine ungenügenden tatsächlichen Angaben ergänzte und sein Beweisangebot verdeutlichte, z. B. angab, wann, wo, in welcher Form und welcher Behörde oder welcher Person gegenüber er was erklärt hatte (§ 76 Abs. 2 FGO). Denn möglicherweise hätten schon diese Angaben eine Sachentscheidung des FG ermöglicht.

Verletzt ist schließlich § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Überzeugungsbildung des FG ist aus mehreren Gründen fehlerhaft. Sie ist zunächst beeinflußt von der unrichtigen Vorstellung, der Kläger könne seinen Kirchenaustritt nur durch Urkunden, nicht durch andere Beweismittel nachweisen, weil der Austritt aus der Kirche eine Änderung des Personenstandes sei. In der Deutschen Demokratischen Republik bewirkt der Kirchenaustritt indes keine Änderung des Personenstandes (vgl. Personenstandsgesetz - PStG - in der Fassung des Gesetzes vom 13. Oktober 1966, Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1966, 87). In der Bundesrepublik Deutschland bewirkt er zwar eine Änderung des Personenstands (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 8, § 69 a Abs. 1 PStG), aber es kann die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche auch auf andere Weise als durch Urkunden und Bescheinigungen nachgewiesen werden (vgl. § 15 b, § 5 Abs. 3 PStG). Auf eine solche Möglichkeit hilfsweise eingehend, meint das FG, auch wenn man unterstellte, die in der Deutschen Demokratischen Republik lebende Schwester des Klägers könne durch eidesstattliche Versicherung bestätigen, daß der Kläger 1951 in der Deutschen Demokratischen Republik aus der Kirche ausgetreten sei, könne ,,diese Behauptung im Wege der Beweiswürdigung" dennoch nicht ,,als wahr angesehen werden" wegen des nachfolgenden Verhaltens des Klägers. Damit hat das FG einen Beweis gewürdigt, den es nicht erhoben hat. Es hat dadurch die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung verletzt. Im übrigen ist seine ,,Beweiswürdigung" aus folgendem Grunde widersprüchlich: War nachgewiesen, daß der Kläger 1951 in der Deutschen Demokratischen Republik aus der Kirche ausgetreten war, so konnte die Rechtswirkung dieses Austritts durch das nachfolgende Verhalten des Klägers nicht ungeschehen gemacht werden. Allenfalls konnte sich die Frage stellen, ob der Kläger durch schlüssiges Verhalten in der Folgezeit Mitglied der evang.-luth. Kirche in Bayern geworden war (vgl. in diesem Zusammenhang die beiden rechtskräftigen Urteile des Verwaltungsgerichts - VG - Hannover vom 16. Mai 1975 VII A 97/74, ZevKR 21, 1976, S. 79-84, und vom 24. September 1975 VII A 99/74, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1976, 911, mit zustimmender Anmerkung von Christian Meyer, DVBl 1976, 913, betreffend den Wiedereintritt in die evang. Kirche).

Das Urteil des FG beruht auf den bezeichneten Verfahrensmängeln, denn es ist nicht auszuschließen, daß es ohne sie zu einem anderen rechtlichen Ergebnis gekommen wäre. Der erkennende Senat verweist die nicht spruchreife Sache an das FG zurück, damit es anderweitig verhandle und entscheide (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

2. Soweit das angefochtene Urteil den Kirchensteuerbescheid 1971 betrifft, hebt der erkennende Senat es auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 127 FGO). Dadurch erhält das FG Gelegenheit, den geänderten und nunmehr allein den Gegenstand des Verfahrens bildenden Kirchensteuerbescheid 1971 vom 30. November 1978 auch auf eine etwaige Verletzung landesrechtlicher Vorschriften zu prüfen, was dem BFH versagt ist (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1982 II R 179/79, BFHE 137, 385, 387, BStBl II 1983, 278, 279, und vom 4. Mai 1983 II R 180/79, BFHE 138, 303, 308, BStBl II 1983, 484, 487).

3. Soweit das angefochtene Urteil den Kirchensteuerbescheid 1972 betrifft, ist es aufzuheben, weil es auf einer Verletzung des § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO beruht. Nach dieser Vorschrift ist die Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid nur dann ,,ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die ihn erlassen hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zustimmt". Die Vorschrift gilt auch für Kirchensteuerbescheide (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i.V.m. Art. 5 Nr. 3 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung - AGFGO - Bayern). Verletzt hat das FG diese Vorschrift insofern, als es davon ausgegangen ist, das EKA habe der Sprungklage zugestimmt. Als Zustimmung angesehen hat es das Schreiben des EKA an den Kläger vom 13. Mai 1975 ,,in Verbindung mit den nachfolgenden Erklärungen" des EKA, u. a. dessen Schriftsatz an das FG vom 2. September 1975. Diese Beurteilung steht aus folgenden Gründen nicht in Einklang mit dem Gesetz. Die Zustimmung zur Sprungklage ist eine Prozeßerklärung, die gegenüber dem Gericht abgegeben, also an dieses gerichtet sein muß (BFH-Beschluß vom 28. August 1968 IV B 20/68, BFHE 93, 41, 44, BStBl II 1968, 661). Das an den Kläger gerichtete Schreiben des EKA vom 13. Mai 1975 konnte demnach nicht als Zustimmung zur Sprungklage verstanden werden. Abgesehen davon war es inhaltlich in diesem Punkt keineswegs eindeutig. Gegen die Auslegung des Schreibens als Zustimmung zur Sprungklage spricht, daß es zwei Monate vor Zustellung der Klageschrift dem Kläger zugesandt worden ist und nicht erkennbar ist, daß das EKA damals den Willen äußern wollte, einer etwaigen künftigen Klage ohne Vorverfahren zuzustimmen. Auch in Verbindung ,,mit den nachfolgenden Erklärungen" des EKA kann das erwähnte Schreiben vom 13. Mai 1975 nicht als Zustimmung zur Sprungklage gedeutet werden. Zwar ist die Zustimmungserklärung - anders als z. B. die Zustimmung des Gegners zur Sprungrevision gemäß § 161 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (Beschluß des BSG vom 9. Dezember 1975 3 RK 67/75, NJW 1976, 536) und gemäß § 566 a Abs. 2 Satz 2 ZPO - an keine besondere Form gebunden und kann auch in einem rügelosen Einlassen auf die Streitsache gesehen werden (BFH-Urteil vom 19. August 1969 VI R 261/67, BFHE 96, 458, 462, BStBl II 1970, 11, 13). Aber eingelassen auf die Klage hat sich das EKA erstmals in seinem Schreiben vom 2. September 1975 (eingegangen beim FG am 4. September 1975). Zu diesem Zeitpunkt war die Frist für die Zustimmung bereits abgelaufen. Eine Anfechtungsklage hat der Kläger sonach nicht wirksam erhoben. Das hat zur Folge, daß sein Antrag, den geänderten Kirchensteuerbescheid 1972 vom 30. November 1978 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, keine Wirkungen entfalten kann. Denn § 68 FGO setzt voraus, daß gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt Klage erhoben worden ist.

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Der als Klage bezeichnete Rechtsbehelf des Klägers ist als Einspruch zu behandeln (§ 45 Abs. 1 Satz 2 FGO) und zu diesem Zweck an das EKA zu verweisen, das über den Einspruch zu entscheiden hat (Art. 18 Abs. 5 KiStG 1967 Bay).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413712

BFH/NV 1986, 176

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge