Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Veranlagung im Hinblick auf eine zu erwartende Betriebsprüfung gemäß § 100 Abs. 2 AO vorläufig durchgeführt, so können die Bescheide, die sodann auf Grund dieser Betriebsprüfung ergehen, nicht abermals nach § 100 Abs. 2 AO vorläufig sein.

2. Ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung ein Gesamtgewinn festgestellt worden, der sich aus dem Bilanzgewinn der Personengesellschaft und dem Veräußerungsgewinn eines ausgeschiedenen Gesellschafters zusammensetzt, so kann das wegen des Veräußerungsgewinns angerufene FG die Entscheidung über den Veräußerungsgewinn nicht mit dem Hinweis darauf unterlassen, daß schon der richtige Bilanzgewinn der Gesellschaft den festgestellten Gesamtgewinn erreicht. Die äußerliche Zusammenfassung von Gewinn der Gesellschaft und Veräußerungsgewinn des Gesellschafters im Gesamtgewinn berechtigt nicht zu einer Saldierung.

 

Normenkette

AO § 100 Abs. 2, § 215 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 2, § 100 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Streitig sind die steuerlichen Rechtsfolgen, die aus dem Ausscheiden des K. (Beteiligter des Revisionsverfahrens - Kläger des Verfahrens vor dem FG) aus der Firma M.-KG - KG - (Revisionsklägerin - Beigeladene im FG-Verfahren) zu ziehen sind. Zudem sind Verfahrensfragen streitig.

Dem Rechtsstreit liegt materiell folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach Unstimmigkeiten zwischen K. und den übrigen Gesellschaftern der KG kam es im Jahre 1952 zu einem von der Gesellschaft eingeleiteten Verfahren vor dem LG. Am 15. Dezember 1952 wurde ein Vergleich protokolliert, in dem u. a. das Datum des Ausscheidens des K. aus der Gesellschaft mit dem 31. Dezember 1952 bestimmt wurde. Dieser Vergleich wurde von der KG 1953 wegen formeller Mängel für rechtsunwirksam erklärt bzw. angefochten. Der damit zusammenhängende Rechtsstreit wurde vor dem OLG mit einem Vergleich vom 28. Oktober 1954 beendet. In Ziff. I des Vergleichs wird festgestellt, daß K. mit Wirkung zum 31. Dezember 1952 aus der KG ausgeschieden ist. In Ziff. II wird bestimmt, daß der Wirtschaftsprüfer Dr. M. den Wert der KG-Beteiligung des K. zum 31. Dezember 1952 ermitteln solle. Mit Urteil vom 21. September 1960 des LG wurde das Abfindungsguthaben K. mit 662 618 DM festgestellt. Gegen dieses Urteil wurde von der KG Berufung und von K. Anschlußberufung eingelegt. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Höhe der Ansprüche des K. stand z. Zt. des Urteils des FG noch aus.

Das Besteuerungs- und sich anschließende Rechtsbehelfsverfahren nahm den nachstehend aufgezeigten Verlauf:

1. Die dem Revisionsbeklagten (FA) zunächst vorgelegte Bilanz der KG für 1952 weist einen Gewinn von 39 076,89 DM aus. Der Jahresabschluß trägt das Datum des 4. November 1953. Die Vorgänge, die mit dem Ausscheiden des K. zusammenhängen, blieben unberücksichtigt. Die Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung 1952 entsprach dem Inhalt dieser Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Das FA stellte den Gewinn 1952 durch Bescheid vom 9. März 1954 "mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene BP" vorläufig nach § 100 AO fest. Die einzige Änderung gegenüber der Erklärung betraf eine Gewinnerhöhung um 4 370 DM, die darauf zurückzuführen war, daß das FA zunächst den Abzug von Spenden als Betriebsausgaben nicht zugelassen hatte.

2. Nach einem von der Gesellschaft im Januar 1954 eingeholten Gutachten Dr. B. betrug der Wert der Unternehmung zum 31. Dezember 1952 6 800 000 DM und der Anteil des K. am Liquidationsgewinn 442 130,94 DM. Auf Grund dieses Gutachtens bildete die Gesellschaft in einer Nachtragsbilanz vom 16. März 1954 eine "Rückstellung K." in Höhe von 625 118,19 DM, die wie folgt aufgeschlüsselt wurde:

Abfindung K einschließlich Prozeßkosten 825 000,- DM

./. Kaptalkonto K. 31. Dezember 1952 199 881,81 DM

= Differenz (Rückstellung) 625 118,19 DM

Unter gleichzeitiger gewinnerhöhender Auflösung einer Rückstellung für Pensionsverpflichtung in Höhe von 96 903 DM ergab sich ein "normaler" Gewinn von (96 903 DM + 39 076,89 DM) = 135 979,89 DM, der wegen der Rückstellung K. in Höhe von 625 118,19 DM zu einem Verlust von 489 138,30 DM führte. Die Rückstellung von 625 118,19 DM wurde auf die Gesellschafter mit Ausnahme des K. verrechnet. Bei K. wurde nur der Anteil am "normalen" Gewinn ausgewiesen. Das FA legte diese neue Gewinnermittlung der KG einem nach § 94 AO erlassenen Gewinnfeststellungsberichtigungsbescheid vom 30. April 1954 zugrunde, der den Vermerk trägt: "Veranlagung bleibt vorläufig".

Der Bevollmächtigte der KG hatte mit Schreiben vom 23. März 1954 darauf hingewiesen, daß die Rückstellung für K. als lästigen Gesellschafter gebildet worden sei. Das FA teilte in seinem Antwortschreiben vom 28. April 1954 mit, daß die Frage der Aktivierung der Abfindung K. noch endgültig entschieden werden müsse.

3. Auf Grund eines Schreibens des Bevollmächtigten der KG führte das FA am 23. Oktober 1954 eine weitere vorläufige Berichtigung des Gewinnfeststellungsbescheids 1952 durch, wobei nicht die Höhe des Gewinns, sondern nur die Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern geändert wurde.

4. Im Jahre 1956 wurde eine Betriebsprüfung bei der KG durchgeführt, die sich auf die Jahre 1950 bis 1952 bezog. Auf Grund dieser Prüfung veränderte sich das Kapitalkonto K. zum 31. Dezember 1952 auf 237 626,80 DM. Dieser Betrag ist zwischen den Beteiligten unstreitig. In Tz. 48 des Prüfungsberichts vom 14. Juni 1957 wird zunächst auf die Vorgeschichte der Rückstellung K. eingegangen. Es wird ausgeführt, nach dem Gutachten Dr. B. sei das Guthaben K.

einschließlich der Prozeßrückstellung auf 825 000,- DM

geschätzt worden. Bei Abzug des

Guthabens zum 31. Dezember 1952 von 237 626,80 DM

verbleibe für die Prozeßrückstellung

ein Betrag von 587 373,20 DM.

In dem Protokoll über die Schlußbesprechung vom 16. Oktober 1956 wird festgestellt, daß die KG in der berichtigten Bilanz zum 31. Dezember 1952 über das Kapitalkonto des K. hinaus eine Rückstellung für das Abfindungsguthaben und die zu erwartenden Gerichts-, Anwalts- und Gutachterkosten in Höhe von 625 118,19 DM gebildet habe.

Auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfer erging am 15. Oktober 1958 ein Gewinnfeststellungsberichtigungsbescheid für 1952 gemäß § 222 AO, mit dem ein Verlust der KG von 401 147 DM ausgewiesen wurde. Dabei wurde K. nur sein Anteil am normalen Gewinn zugerechnet; lediglich die übrigen Gesellschafter wurden an der den Verlust auslösenden Rückstellung K. beteiligt. Der Berechnungsbogen enthält keinen Vermerk über die Endgültigkeitserklärung der Gewinnfeststellung; er trägt jedoch den Aufdruck "Berichtigung gemäß § 222 AO". Der Bescheid enthält die Erläuterung: "Die Feststellung entspricht dem Ergebnis der Bp."

5. Gegen den Berichtigungsbescheid vom 15. Oktober 1958 legte die KG Einspruch ein. Noch bevor über diesen entschieden wurde, fand im Jahre 1961 eine weitere Betriebsprüfung bei der KG statt, die sich auf die Jahre 1955 bis 1959 bezog, bei der aber im Wege des Ergänzungsberichts vom 22. Mai 1962 auch die Rückstellung K. in 1952 erneut behandelt wurde. Der bei der vorangegangenen Betriebsprüfung festgestellte Verlust blieb unverändert. Unter Berücksichtigung eines inzwischen ergangenen Zivilurteils wurden die Abfindungsverpflichtung der KG mit 662 618 DM und die Rückstellung für Prozeßkosten mit 162 382 DM festgesetzt. Das FA legte die Feststellungen dieses Ergänzungsberichts seiner Einspruchsentscheidung vom 28. November 1963 zugrunde. Der einheitliche Gewinn für 1952 wurde in dieser Einspruchsentscheidung mit 23 844 DM, der Veräußerungsgewinn des K. mit 424 991 DM ausgewiesen. Die Kosten des Einspruchsverfahrens wurden der Staatskasse auferlegt. Unter Übernahme des Inhalts des Ergänzungsberichts wurden die über das Buchkapital des K. hinausgehenden Beträge dabei mit der Maßgabe als Abfindung an einen lästigen Gesellschafter angesehen, daß eine entsprechende Aktivierung bei der Gesellschaft unterblieb.

6. Gegen diese Einspruchsentscheidung wandte sich K. mit folgenden Klageanträgen:

a) Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung den Gewinnfeststellungsberichtigungsbescheid 1952 vom 15. Oktober 1958 wiederherzustellen;

b) hilfsweise den auf ihn entfallenden Veräußerungsgewinn mit 0 DM festzustellen.

Das FG entschied, daß unter Übernahme des in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Gewinns von 23 844 DM unter Aufhebung des Gewinnfeststellungsberichtigungsbescheids 1952 in der Form der Einspruchsentscheidung der Gewinn wie folgt zu verteilen sei:

Gesellschafter Ba ... 29 927,25 DM

Gesellschafter R ... ./. 7 971,- DM

Gesellschafter G ... ./. 7 882,70 DM

Gesellschafter Be ... ./. 3 616,40 DM

Gesellschafter Z ... ./. 3 616,40 DM und

Gesellschafter K ... 17 003,20 DM.

Zur Begründung ging das FG davon aus, daß sich K. nur durch den Ansatz eines Veräußerungsgewinns beschwert fühle und im übrigen den einheitlich festgestellten Gewinn von 23 844 DM nicht angegriffen habe. Wegen des Verböserungsverbots könne aber nicht untersucht werden, ob der vom FA in der Einspruchsentscheidung vom 28. November 1963 erstmals angesetzte Veräußerungsgewinn des K. der Höhe nach zutreffend festgestellt worden sei. Auf die Einwendungen des K. gegen den festgesetzten Veräußerungsgewinn sei daher nicht einzugehen gewesen. Diese Erkenntnis, so führte das FG aus, sei nur im Zusammenhang mit der von ihm vertretenen Ansicht verständlich, nach der die Unterlassung der Aktivierung der über den Buchwert des Kapitalkontos des K. hinausgehenden Abfindung in Höhe von 442 991 DM bei der KG gegen § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG verstoße. Das FG habe aber nicht über den in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Gewinn von 23 844 DM hinausgehen dürfen. Andererseits habe es nach der Rechtsprechung des BFH davon auszugehen, daß "nur die Rechtmäßigkeit des Gewinns selbst in seiner Gesamtheit" Gegenstand des Urteils sei. Danach sei es ihm möglich gewesen, die Abzugsfähigkeit der 424 991 DM als Betriebsaufwand der KG zu versagen, allerdings mit der Folge, daß nunmehr wegen des Verböserungsverbots keine Möglichkeit für den Ansatz eines Veräußerungsgewinns des K. bestehe. Eine andere prozessuale Möglichkeit habe das Gericht nicht gehabt, weil es durch den BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1968 GrS 3/68 (BFHE 94, 436, BStBl II 1969, 192) daran gehindert sei, seine Entscheidung auf eine Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts zu beschränken. Das Gericht sei auch nicht wegen der Grundsätze von Treu und Glauben gehalten, die gewinnmindernde Behandlung der Abfindung zu übernehmen. Allerdings sei dem Vortrag der KG zu folgen, wonach nicht nur die Betriebsprüfer, sondern auch Vertreter des FA zugesagt hätten, daß die über das Kapitalkonto hinaus an K. gezahlten Beträge als Aufwand der Gesellschaft behandelt werden könnten. Das ergebe sich auch aus dem Bericht des FA an die OFD - Konzernprüfungsstelle - vom 1. Februar 1960. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei zwar nach dem BFH-Urteil vom 9. Mai 1967 II 176/63 (BFHE 89, 20, BStBl III 1967, 522) auch in Fällen anwendbar, in denen die Zusage dem Gesetz widerspreche. Das könne jedoch dann nicht gelten, wenn, wie im Streitfall, derjenige, der sich auf Treu und Glauben berufe, die Gesetzwidrigkeit der Zusage habe erkennen müssen.

Im FG-Urteil ist sodann noch ausgeführt: "Da weder der Gewinnfeststellungsberichtigungsbescheid 1952 vom 15. Oktober 1958 noch die Einspruchsentscheidung vom 28. November 1963 einen Endgültigkeitsvermerk enthalten, besteht die Vorläufigkeit der Gewinnfeststellung weiter (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1964 IV 168/61 S, BFHE 79, 559, BStBl III 1964, 436). Dabei muß es als unerheblich angesehen werden, daß die Beteiligten irrtümlich von der Endgültigkeit dieses Bescheides ausgegangen sind."

Mit der Revision beantragt die im Klageverfahren beigeladene KG, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung in vollem Umfang aufzuheben und die Sache an das FG bzw. an das FA mit der Anweisung zurückzuverweisen, den in der Prüferbilanz zum 31. Dezember 1952 und im Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 1958 ausgewiesenen Verlust von 401 147,31 DM entsprechend der berichtigten Gewinnverteilung wie folgt aufzuteilen:

Ba ./. 206 426,27 DM

R ./. 70 535,25 DM

G ./. 70 446,94 DM

Be ./. 34 898,53 DM

Z ./. 34 898,53 DM

K. + 16 058,21 DM

Verlust: 401 147,31 DM

Gerügt wird die Verletzung der §§ 100 Abs. 2, 222, 215 Abs. 2 AO und der §§ 96 Abs. 1, 100 FGO.

Einen Verstoß gegen § 100 Abs. 2 in Verbindung mit § 222 AO sieht die KG in der Feststellung des FG, daß der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid vom 15. Oktober 1958 noch vorläufig sei. In der mündlichen Verhandlung vom 18. September 1970 hätten sowohl das FA als auch die KG übereinstimmend vorgetragen, daß der Berichtigungsbescheid zur einheitlichen Gewinnfeststellung vom 15. Oktober 1958 als ein endgültiger Bescheid erlassen worden sei. Im vorliegenden Falle sei eine besondere Feststellung in den Berichtigungsbescheiden gemäß § 222 AO als endgültig nicht erforderlich gewesen, da grundsätzlich auf Grund einer Betriebsprüfung keine vorläufigen Veranlagungen ausgefertigt würden, sondern die Bescheide einen endgültigen Charakter trügen, wenn die Vorläufigkeit der ursprünglichen Bescheide auf § 100 Abs. 2 AO gestützt gewesen sei. Das FG habe ferner gegen den Grundsatz der Unteilbarkeit des Feststellungsbescheids und damit gegen § 215 Abs. 2 AO verstoßen, indem es zwar angeblich den gleichen Gewinn wie in der Einspruchsentscheidung übernommen, die Frage der Höhe des Auseinandersetzungsguthabens und damit des Veräußerungsgewinns aber offengelassen habe. Das Urteil des FG enthalte eine unzulässige Verböserung (§§ 96 Abs. 1, 100 FGO), denn das FA sei bei der Ausfertigung des streitigen Gewinnfeststellungsbescheides von dem im Betriebsprüfungsbericht ausgewiesenen Verlust von 401 147,31 DM ausgegangen. Auch der Einspruchsentscheidung liege dieser Bilanzverlust zugrunde. Das FG-Urteil weise demgegenüber (ohne Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns) einen Gewinn in Höhe von 23 844 DM aus, was eine Verböserung in Höhe von 424 991,20 DM bedeute.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

K. beantragt, die Revision, soweit diese darauf gerichtet ist, ihm die Kosten des Verfahrens aufzulegen, als unbegründet zurückzuweisen.

Alle Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Angriff der KG gegen die Feststellung im finanzgerichtlichen Urteil, daß der streitige Gewinnfeststellungsbescheid vom 15. Oktober 1958 nur ein vorläufiger sei, ist zulässig. Zunächst kann nicht zweifelhaft sein, daß die Frage, ob ein Bescheid vorläufig oder endgültig erlassen ist (§§ 100, 225 AO), im Rechtsbehelfsverfahren geklärt werden kann und u. U. geklärt werden muß. Das muß auch dann gelten, wenn eine dahin gehende Feststellung ausdrücklich im Rahmen eines aus anderen Gründen anhängigen Klageverfahrens erst vom FG getroffen wird. Durch eine solche Feststellung können die Beteiligten beschwert sein, auch wenn sie nicht im Tenor, sondern in den Gründen des FG-Urteils getroffen wird; im letztgenannten Falle deshalb, weil zumindest ein Rechtsschein gesetzt ist, den es u. U. zu beseitigen gilt. Der insoweit also zulässige Revisionsangriff ist auch begründet. Im Streitfall war nämlich das FG zu einer Entscheidung über die Vorläufigkeit des Bescheides nicht aufgerufen. Da die Beteiligten, wie das FG selbst feststellt, zu jeder Zeit und auch nochmals ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung von der Endgültigkeit des streitigen Bescheides ausgegangen sind, bestand für das FG keine Veranlassung, über diese Frage zu befinden. Die Entscheidung war insoweit vom Klagebegehren nicht gedeckt und sie war auch nicht etwa als Incidententscheidung für die vom Gericht zu beantwortende Frage erforderlich, ob der Kläger in den Grenzen seines Klagebegehrens durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wurde oder nicht.

Auch materiell ist die Entscheidung des FG über die Vorläufigkeit des Bescheides vom 15. Oktober 1958 unzutreffend. Es ist unstreitig, daß der erstmalige einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid 1952 vom 9. März 1954 und die diesem folgenden, auf ihn zum Teil bezugnehmenden berichtigten Bescheide vom 30. April 1954 und 23. Oktober 1954 "mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene Bp.", also nach § 100 Abs. 2 AO in der für das Streitjahr geltenden Fassung, für vorläufig erklärt worden waren. Nachdem die in Aussicht genommene Betriebsprüfung durchgeführt worden war, erging der hier streitige, auf § 222 AO gestützte und mit dem Vermerk "entspricht dem Ergebnis der Bp." versehene Bescheid vom 15. Oktober 1958. Damit war aber der die Vorläufigkeit nach § 100 Abs. 2 AO rechtfertigende Schwebezustand beendet. Der Bescheid hätte nun nicht einmal mehr als ein ausdrücklich auf § 100 Abs. 2 AO gestützter vorläufiger Bescheid ergehen dürfen, da das nur möglich war, solange eine Betriebsprüfung auch tatsächlich noch bevorstand (vgl. Leitsatz 1 des BFH-Urteils vom 11. Dezember 1950 IV 120/50 U, BFHE 55, 63, BStBl III 1951, 25; Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, § 100 Anm. 2 Abs. 10; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 100 AO Anm. 12; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 5. Aufl., § 100 AO Anm. 4). Noch viel weniger konnte die bei den früheren Bescheiden auf § 100 Abs. 2 AO a. F. gestützte Vorläufigkeit stillschweigend in den Berichtigungsbescheid eingehen. Ob das FA im Hinblick auf die Ungewißheit des Ausgangs des Prozesses zwischen K. und der KG den Berichtigungsbescheid vom 25. Oktober 1958 u. U. nach § 100 Abs. 1 AO hätte für vorläufig erklären können, ist eine andere, hier nicht zu entscheidende Frage (wegen Einschränkung des § 100 Abs. 1 AO durch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 1958 I 173/57 U, BFHE 66, 281, BStBl III 1958, 109).

Das FG hat sich für seine Auffassung, daß auch im Streitfall die Vorläufigkeit nur durch eine ausdrückliche Endgültigkeitserklärung beseitigt werden könne, auf das Urteil des Senats IV 168/61 S berufen. Mit diesem Urteil hat der Senat jedoch nicht dahingehend entschieden, daß eine auf § 100 Abs. 2 AO wegen in Aussicht stehender Betriebsprüfung gestützte Vorläufigkeit auch noch den Bescheid erfasse, der gerade auf Grund der geplanten und nunmehr durchgeführten Betriebsprüfung ergangen ist. Mit einem solchen Sachverhalt befaßt sich die Entscheidung nicht, wie auch der Hinweis auf das Urteil des RFH vom 17. April 1934 I A 290/33 (RStBl 1934, 595) zeigt (vgl. auch Becker/Riewald/Koch, a. a. O., § 225 AO Anm. 3 Abs. 3). Soweit aus dem Leitsatz des Urteils IV 168/61 S etwas Weitergehendes (im Sinne der Auffassung der Vorinstanz) gefolgert werden könnte, ist dies weder durch die Gründe der Entscheidung gedeckt, noch könnte dem der Senat folgen.

2. Die Vorentscheidung kann vor allem deshalb keinen Bestand haben, weil das FG das seit Einführung der FGO für das steuergerichtliche Verfahren geltende Verbot der reformatio in peius zum Anlaß genommen hat, über das Klagebegehren des K. überhaupt nicht zu entscheiden. Das FG hat sich einer Entscheidung über die ihm vorgelegte Frage, ob dem Kläger K. durch sein Ausscheiden aus der KG ein Veräußerungsgewinn entstanden und zuzurechnen ist, enthalten und statt dessen über die ihm nicht vorgelegte Frage befunden, ob die Abfindung an K., die nach Auffassung des FA bei diesem zu einem Veräußerungsgewinn führt, bei der KG zu aktivieren ist. Das FG hat damit über ein aliud entschieden. Das ist unzulässig, sofern die Entscheidung nicht durch den Streitgegenstandsbegriff gedeckt ist. Das FG durfte nicht über etwas anderes als das von dem Kläger Begehrte entscheiden (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 313/68, BFHE 102, 202, BStBl II 1971, 591; Tipke/Kruse, a. a. O., § 96 FGO Anm. 18; Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 96 FGO Rdnr. 60).

Die Folgerungen, die aus der Lehre vom Streitgegenstand und dem Verbot der reformatio in peius zu ziehen sind, vermögen die Vorentscheidung nicht zu decken. Die Grundsätze, die für das Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung gelten, stehen ihr entgegen.

a) Nach der Lehre vom sog. weiten Streitgegenstand, die der Rechtsprechung des BFH zugrunde liegt (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344), beschränkt sich der Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren allerdings nicht auf die einzelnen Besteuerungsmerkmale, sondern er umfaßt die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides überhaupt. Das bedeutet, daß, soweit es sich um die zahlenmäßigen Feststellungen in einem Bescheid handelt (z. B. des Steuerbetrages, Höhe des festzustellenden Gewinns oder des einem Mitunternehmer zuzuteilenden Gewinnanteils), zu entscheiden ist, ob - aus welchen Gründen auch immer, also nicht beschränkt auf den von den Beteiligten vorgetragenen Sachverhalt - dieser Betrag richtig ist (vgl. z. B. das BFH-Urteil vom 22. November 1968 VI R 52/67, BFHE 94, 310, BStBl II 1969, 169). Das führt dann u. U. zur sog. Saldierung, nämlich der Möglichkeit, innerhalb der durch das sog. "Verböserungsverbot" gesetzten Grenzen einen im Bescheid festgestellten Betrag gedanklich auszutauschen, d. h. an die Stelle eines fehlerhaft ermittelten und damit weggefallenen Betrages einen sich als fehlerfrei erweisenden Betrag zu setzen. - Soweit es sich nicht um betragsmäßige Feststellungen in einem Bescheid handelt (z. B. Feststellung der Vorläufigkeit des Bescheides, Entscheidung über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, über die Frage der Einkunftsart, Feststellung darüber, wem ein der Höhe nach unstreitiger Betrag zuzurechnen ist), gehört die Rechtmäßigkeit dieser Feststellung zum Streitgegenstand, wiederum ohne Rücksicht darauf, welcher Lebenssachverhalt diese Rechtmäßigkeit ergibt. Eine Saldierung im eigentlichen Sinne ist jedoch bei dieser Art von Feststellung nicht möglich.

Die meisten Steuer- oder Feststellungsbescheide enthalten Feststellungen sowohl betragsmäßiger als auch nichtbetragsmäßiger Art. Dann erstreckt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Bescheides auf beide Arten von Feststellungen. Eine Saldierung ist dann - wie betont - nur insoweit möglich, als es sich um die zahlenmäßige Feststellung handelt. Wird also z. B. ein Gewinnfeststellungsbescheid sowohl hinsichtlich der Höhe des Gewinns als auch hinsichtlich der Feststellung angefochten, daß der Gewinn nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden sei, so kann durch Austausch subsumierbarer Sachverhalte zwar der fehlerhaft ermittelte Gewinnbetrag durch einen fehlerfrei ermittelten ersetzt werden, der Entscheidung über die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kann das Gericht jedoch grundsätzlich nicht ausweichen.

b) An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß im steuergerichtlichen Verfahren das Verbot der reformatio in peius gilt. Dieses Verbot bedeutet, daß der Kläger durch die gerichtliche Entscheidung nicht schlechter gestellt werden darf, als er ohne Klageerhebung auf Grund des Verwaltungsaktes (in der Form der Einspruchsentscheidung) gestellt gewesen wäre. Hieraus folgt für den Bereich der betragsmäßigen Feststellungen im Bescheid, daß die festgestellten Beträge nicht zum Nachteil des Klägers über- oder unterschritten werden dürfen. Diese Konsequenz kann allerdings u. U. dazu führen, daß bisher streitige und für die Besteuerung an sich auch bedeutsame Tat- oder Rechtsfragen deshalb unentschieden bleiben können, weil (mindestens) der im Bescheid festgesetzte Betrag "jedenfalls" rechtmäßig ist. So kann also z. B. die bisher streitige Frage einer gewinnerhöhenden Aktivierung von 1 000 DM dahingestellt bleiben, wenn sich nunmehr ergibt, daß der Kläger einen Betrag von (mindestens) 1 000 DM zu Unrecht als Betriebsausgabe abgesetzt hat. Dagegen kann eine im dargelegten Sinne nichtsaldierungsfähige Feststellung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots der reformatio in peius nicht unentschieden bleiben. Denn eine sich nicht betragsmäßig auswirkende Feststellung (z. B. die Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung) kann grundsätzlich nicht durch die Entscheidung über eine andere Tat- oder Rechtsfrage ersetzt werden.

c) Das bisher gewonnene Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn zu der eigentlichen betragsmäßigen Feststellung eine weitere nichtbetragsmäßige hinzukommt, die ihrerseits zur Feststellung eines Betrages führt, wie dies im Streitfall gegeben ist. Wenn hier die Einspruchsentscheidung feststellt, daß der Gewinn der KG 23 844 DM betrage, worin ein Veräußerungsgewinn des K von 424 991 DM enthalten sei, so umfaßt diese Feststellung neben der Feststellung des Gesamtgewinns der KG in Wahrheit dreierlei, nämlich einmal die zwar nicht ausdrückliche, aber durch Subtraktion evidente Feststellung des "normalen" Gewinns der KG, zum zweiten die Feststellung, daß K. einen Veräußerungsgewinn erzielt habe, und zum dritten, wie hoch dieser Veräußerungsgewinn sei. K. hat sich mit seiner Klage lediglich gegen den Ansatz bzw. hilsweise gegen die Höhe des ihm zugerechneten Veräußerungsgewinns gewandt. Eine "Saldierung" in dem Sinne, daß die Frage des Veräußerungsgewinns sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach dahingestellt bleiben könne, weil jedenfalls der Gesamtgewinn aus anderen Gründen mindestens in der festgesetzten Höhe rechtmäßig sei, war nicht zulässig, weil damit das FG die in der Einspruchsentscheidung zur Ermittlung des Gesamtgewinns hinzukommende Feststellung eines Veräußerungsgewinns eliminiert hat, ohne über sie zu entscheiden.

Entschieden hat das FG dagegen über eine Gewinnverteilung, die von niemandem, auch nicht vom Kläger K., beantragt worden war. Das war ebenfalls unzulässig. K. hatte keine seine früheren Mitgesellschafter berührende andere Gewinnverteilung, sondern lediglich eine Streichung bzw. Herabsetzung des ihm zugerechneten Veräußerungsgewinns begehrt. Über dieses Begehren hat die Vorinstanz nicht entschieden. Darin liegt ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, der zur Aufhebung der Vorentscheidung führen muß.

3. Die Sache muß an das FG zurückverwiesen werden, damit dieses nun entscheiden kann, ob und ggf. in welcher Höhe ein dem K. zustehender Veräußerungsgewinn entstanden ist. Dabei wird die Vorinstanz davon ausgehen, daß die Feststellung eines begünstigten Veräußerungsgewinns im Rahmen einer einheitlichen Gewinnfeststellung einer gewissen Verselbständigung unterliegt (vgl. auch das BFH-Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121). Auch aus diesem Grunde verbietet es sich, bei einem Streit über einen Veräußerungsgewinn der Entscheidung dadurch auszuweichen, daß der diesbezügliche Komplex ausgeklammert und der bisherige Gesamtgewinn unter Heranziehung bislang vom FA irrtümlich außer acht gelassener gewinnbildender Faktoren "aufgefüllt" wird.

Das FG wird nun über den Antrag des K. hinsichtlich des Veräußerungsgewinns zu befinden haben. Dabei wird aber auch K. jetzt nicht mehr die Akzente verschieben und nun zunächst Entscheidung über den richtigen Bilanzgewinn und erst in zweiter Linie, soweit der Gesamtgewinn noch Raum läßt, Entscheidung über seinen etwaigen Veräußerungsgewinn verlangen können. Der Senat ist der Auffassung, daß selbst dann, wenn sich herausstellen sollte, daß das FA den Veräußerungsgewinn des K. zu hoch angesetzt hat, die mit der Herabsetzung des Veräußerungsgewinns verbundene Herabsetzung des Gesamtgewinns hingenommen werden muß. Der Gesamtgewinn kann dann nicht durch Korrektur eines etwa bei der Ermittlung des "normalen" Gewinns unterlaufenen Fehlers wieder "aufgefüllt" werden. Dem steht die Verselbständigung des Komplexes "Veräußerungsgewinn" und die schon oben (2 c) angesprochene Unzulässigkeit einer Saldierung zwischen Veräußerungsgewinn und "normalem" Gewinn entgegen. Ein Fehler, der dem FA bei der Ermittlung des "normalen" Gewinns unterlaufen ist, kann jedenfalls in diesem Verfahren nicht mehr berichtigt werden, so daß es auf die Frage, ob eine solche Berichtigung im Streitfall auch unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen wäre, nicht mehr ankommen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70735

BStBl II 1974, 121

BFHE 1974, 453

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