Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Verzichtet der Arbeitgeber, der vom Finanzamt wegen Nichteinbehaltung von Lohnsteuer in Anspruch genommen wird, darauf, gegen den Arbeitnehmer als Lohnsteuerschuldner (ß 38 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 Ziff. 1 EStG) Rückgriff zu nehmen, so kann in dem Verzicht ein zusätzlicher Arbeitslohn liegen.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 38/3

 

Tatbestand

I. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) will im Jahre 1951 die für II/1948 bis 1950 nachgeforderte Lohnsteuer, die sie nach Erlaß des Haftungsbescheides von ihren Arbeitnehmern nicht zurückverlangt hat, als einmaligen Bezug im Jahre 1951 nachversteuern, während die Vorinstanzen in dem Verzicht auf den Rückgriff eine Auszahlung von Nettolohnbezügen für II/1948 bis 1950 sehen.

Das Finanzamt hatte durch Haftungsbescheid vom 30. Juli 1951 wegen unrichtiger Berechnung unter anderem 3.398,76 DM Lohnsteuer nachgefordert. Die Nachforderung war nach festgestellten Mehrbrutto-Lohnbezügen berechnet worden. Mit Schreiben vom 10. September 1951 wies die Bfin. unter anderem darauf hin, daß die nachgeforderten Beträge überwiegend auf die Versagung der Vergünstigung für Mehrarbeit entfielen, während doch das Finanzamt auf die schriftliche Anfrage vom 2. Mai 1950 das Berechnungsbeispiel der Bfin. für überstundenvergütung gebilligt habe. Sie könne doch unmöglich die nachgeforderte Lohnsteuer von den Arbeitnehmern einfordern; es bliebe ihr nichts anderes übrig, als die nachgeforderte Lohnsteuer selbst zu tragen.

Bei einer späteren Lohnsteuerprüfung im Oktober 1953 stellte der Prüfer fest, daß die Bfin. die im Jahre 1951 nachgeforderte Lohnsteuer endgültig getragen hat. Er sah daraufhin nunmehr rückwirkend für II/1948 bis 1950 Nettolöhne als gezahlt an und berechnete dementsprechend die Lohnsteuer für II/1948 bis 1950 nach. Dieser Berechnung schlossen sich Finanzamt und Finanzgericht an.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist in diesem Punkte wegen der Höhe der Nachforderung begründet.

Dem Finanzgericht ist darin beizutreten, daß dem Erlaß des zweiten Haftungsbescheides die Rechtskraft des ersten Haftungsbescheides nicht entgegensteht. Die Bfin. hat den Verzicht auf den Rückgriff nach Ergehen des ersten Haftungsbescheides ausgesprochen. Die Rechtskraft eines Lohnsteuerhaftungsbescheides erstreckt sich nur auf solche Tatbestände, die er erfaßt. Im Streitfall lag der Verzicht auf den Rückgriff erst nach dem ersten Haftungsbescheid, konnte also im ersten Haftungsbescheid noch nicht berücksichtigt sein. Das Finanzamt konnte daher den Vorgang des Verzichts mit einem zweiten Haftungsbescheid erfassen.

Der Bfin. muß darin zugestimmt werden, daß der Verzicht auf den Rückgriff gegen die Arbeitnehmer tatsächlich erst im Jahre 1951 erfolgt ist. Mit der Zahlung der nachgeforderten Lohnsteuer im Jahre 1951 erwarb die Bfin. als Arbeitgeberin bürgerlich-rechtlich einen Ausgleichsanspruch gegen die Arbeitnehmer, die die eigentlichen Schuldner der früher nicht vorschriftsmäßig gekürzten Lohnsteuer waren. Die im ersten Haftungsbescheid nachgeforderte, nach Bruttolohnbezügen berechnete Lohnsteuer von 3.398,70 DM hat unstreitig die tatsächlichen Bruttobezüge der Arbeitnehmer richtig erfaßt. Der nachgeforderte Betrag ist von den Bruttobezügen errechnet. Daß mit der Zahlung von 3.398,70 DM nunmehr der Arbeitgeber im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen bürgerlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch erwarb, berührt, da dieser Ausgleichsanspruch auf die Zahlung im Jahre 1951 zurückgeht, nicht den Lohn der Vorjahre II/1948 bis 1950. Der Verzicht der Bfin. auf den Ausgleichsanspruch ist ein neuer Steuertatbestand des Jahres 1951, der in diesem Jahr und zu den Tarifsätzen dieses Jahres erfaßt werden muß. Der Verzicht ist in der Wirkung dem Falle gleichzusetzen, daß das Finanzamt die Arbeitnehmer und nicht die Bfin. als Arbeitgeberin in Anspruch genommen und dann die Bfin. den Arbeitnehmern die von ihnen an die Finanzkasse bezahlte Lohnsteuer ersetzt hätte. Im Streitfall kann der geldwerte Vorteil, der in dem Verzicht auf den Rückgriffsanspruch liegt, mit dem Nennbetrag der nachgeforderten Steuer von 3.398,70 DM angesetzt werden. In Höhe des Nennbetrags des Verzichts liegt ein zusätzlicher Arbeitslohn vor, der den Arbeitnehmern im Jahre 1951 zufloß. In dem Verzicht liegt nicht, wie die Vorinstanzen wollen, die Vereinbarung von Nettobezügen. Die Bfin. hatte mit den Arbeitnehmern keine Nettolohnvereinbarung getroffen, sondern hatte die Lohnsteuer zutreffend nach Bruttobezügen berechnet. Der Verzicht auf den Rückgriffsanspruch bedeutet nicht eine Nettolohnvereinbarung, sondern ist ein selbständig zu beurteilender späterer Vorgang. Dementsprechend hat das Finanzamt die nachzufordernde Lohnsteuer zu berechnen.

Die Frage, ob in dem Verzicht auf den Rückgriffsanspruch des Arbeitgebers in jedem Fall zusätzlicher Arbeitslohn liegt, ist zweifelhaft (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "übernahme der Lohnsteuer"). Im Streitfall bedeutet der Verzicht jedenfalls einen geldwerten Vorteil, weil die Bfin. ohne Zweifel nach bürgerlichem Recht einen Ausgleichsanspruch hatte und seiner Verwirklichung unmittelbare Schwierigkeiten nicht entgegenstanden.

II. . . . . . . . . . ..

 

Fundstellen

Haufe-Index 408884

BStBl III 1957, 418

BFHE 1958, 480

BFHE 65, 480

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