Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerrechtliche Behandlung von "Eigenprovisionen" - Definition: Betriebseinnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

Provisionen, die ein Versicherungsvertreter vom Versicherungsunternehmen für den Abschluß eigener privater Versicherungen (z.B. Lebensversicherungen für sich oder seine Ehefrau) in gleicher Weise erhält wie für die Vermittlung von Versicherungsabschlüssen mit Dritten, sind Betriebseinnahmen.

 

Orientierungssatz

1. Als Betriebseinnahmen (Erwerbsbezüge) sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die durch die in Frage stehende Einkunftsart veranlaßt sind. Ein solcher Wertzuwachs ist durch eine der in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufgezählten Einkunftsarten veranlaßt, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist.

2. Eine als Betriebseinnahme zu beurteilende Vermögensmehrung muß --sofern nur objektiv betrieblich veranlaßt-- nicht notwendig als Entgelt auf eine konkrete betriebliche Leistung bezogen werden können, weswegen z.B. grundsätzlich auch Zuschüsse für Investitionen oder Existenzgründungen zu den Betriebseinnahmen gehören. Unbeachtlich ist neben der Art der Verwendung insoweit auch, ob sich der Wertzuwachs im Betriebsvermögen auswirkt.

3. Parallelentscheidung: BFH, 27.5.1998, X R 66/96, NV.

4. Parallelentscheidung: BFH, 27.5.1998, X R 122/95, NV.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1, 4, § 8 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Vermögensberater und Versicherungsvertreter und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 berücksichtigte er Betriebsausgaben in Höhe von 12 357,46 DM für Provisionen, die ihm im Laufe dieses Veranlagungszeitraums für die Abschlüsse eigener (bzw. seine Ehefrau betreffender) privater Versicherungen (Lebensversicherungen, Unfall-, Haftpflicht- und Kfz-Versicherungen) zusammen mit Provisionen für die Abschlüsse mit fremden Dritten und in gleicher Weise wie diese von seinem Auftraggeber gezahlt und (mangels Trennung) bei den Einnahmen mit erfaßt worden waren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Einkommensteuerbescheid 1991 vom 6. Juli 1993 von dem geltend gemachten Betrag nur 2 336 DM an mit der Begründung, auch die auf die "Eigenverträge" entfallenden Provisionen seien Betriebseinnahmen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Ansicht des FA. Daß die streitigen Provisionszahlungen den Privatbereich des Klägers betroffen hätten, sei eine Frage ihrer Verwendung und für die Zuordnung unbeachtlich.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 EStG. Er meint, vor allem unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. März 1982 IV R 183/78 (BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587), das FG habe zu Unrecht der privaten Bestimmung der "Eigenversicherungen" keine Bedeutung beigemessen und auch die hierfür gezahlten Provisionen als Betriebseinnahmen angesehen.

Der IV. Senat des BFH hat dem erkennenden Senat vorab auf entsprechende Anfrage hin mitgeteilt, daß er an der im Urteil in BFHE 136, 76, BStBl 1982, 587 geäußerten Rechtsansicht nicht festhält.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für 1991 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung abzuändern und die Einkommensteuer von 21 894 DM auf 18 798 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben FA und FG die streitigen Provisionszahlungen ungeachtet dessen als Betriebseinnahmen des Klägers angesehen, daß sie auf ihn bzw. auf seine Ehefrau abgeschlossene private Versicherungen betrafen.

1) Eine einheitliche Bestimmung des Begriffs der Betriebseinnahmen (Erwerbsbezüge) enthält das EStG nicht. In Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG sind darunter alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (BFH in ständiger Rechtsprechung; z.B. Urteile vom 14. März 1989 I R 83/85, BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; vom 13. März 1991 X R 24/89, BFH/NV 1991, 537; vom 9. Oktober 1996 XI R 35/96, BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 61 ff.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 1998, § 4 Rz. 19 und 420 ff.; Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 211, jeweils m.w.N.).

2) Betrieblich veranlaßt ist ein solcher Wertzuwachs, wenn er in einem nicht nur äußerlichen, sondern sachlichen, wirtschaftlichen Zusammenhang zum Betrieb steht (BFH in BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; in BFH/NV 1991, 537, 538; s. auch Urteil vom 1. Oktober 1993 III R 32/92, BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 27 ff. und 440 ff., m.w.N.).

3) Eine derartige Vermögensmehrung muß --sofern nur objektiv betrieblich veranlaßt-- nicht notwendig als Entgelt auf eine konkrete betriebliche Leistung bezogen werden können, weswegen z.B. grundsätzlich auch Zuschüsse für Investitionen (BFH-Urteile vom 17. September 1987 III R 225/83, BFHE 151, 373, BStBl II 1988, 324; vom 22. Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488, und vom 19. Juli 1995 I R 56/94, BFHE 179, 19, BStBl II 1996, 28) oder Existenzgründungen (Urteil in BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125) zu den Betriebseinnahmen gehören. Da es außerdem nicht darauf ankommt, daß sich der Wertzuwachs im Betriebsvermögen auswirkt (BFH-Urteil vom 26. September 1995 VIII R 35/93, BFHE 179, 251, BStBl II 1996, 273), und insoweit auch die Art der Verwendung unbeachtlich ist (BFH-Urteile vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607; in BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 444, jeweils m.w.N.), zählen zu den Betriebseinnahmen ferner:

- Geschenke an den Steuerschuldner, die durch die steuerbare Leistung

veranlaßt sind, aber zusätzlich zum dafür geschuldeten Entgelt erbracht

werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 9. Oktober 1935 VI A 84/35,

RStBl 1936, 139; BFH-Urteil vom 6. September 1990 IV R 125/89, BFHE 161,

552, BStBl II 1990, 1028);

- von einem Geschäftsfreund zugewendete Auslandsreisen (BFH-Urteile vom 22.

Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995; vom 20. April

1989 IV R 106/87, BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641; in BFHE 179, 251,

BStBl II 1996, 273);

- das dem Zahnarzt unentgeltlich überlassene Altgold (Urteil in BFHE 146,

419, BStBl II 1986, 607);

- betriebsbezogene Preise (BFH-Urteil in BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650);

- freiwillige Sozialleistungen eines Versicherungsunternehmens an seine

Vertreter (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507,

BStBl II 1978, 137; vom 27. Februar 1991 XI R 24/88, BFH/NV 1991, 453; in

BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179).

4) Für die Zuordnung der "Eigenprovisionen" entscheidend ist somit, daß die Zahlungen auf der gewerblichen Tätigkeit des Empfängers beruhen, der darin liegende Wertzuwachs infolgedessen den erforderlichen Sachzusammenhang zu einem Tatbestand der Einkünfteerzielung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufweist (s. dazu auch BFH in BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125; Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl., 1996, § 9 Rz. 52, 206 ff., 211 und 226, m.w.N.); unbeachtlich ist dagegen, daß der Zahlungsempfänger zugleich auch Versicherungsnehmer und insofern außerdem ("privater") Nutznießer des "vermittelten" Vertrages ist. Die in dieser Gewichtung liegende Divergenz zum Urteil des IV. Senats in BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587 ist durch dessen Zustimmung zur Anfrage des Senats (s.o., § 11 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) erledigt.

5) Auch, daß die streitigen Zahlungen nicht für wirkliche Vermittlungsleistungen des Klägers erbracht wurden, steht ihrer Erfassung bei den Betriebseinnahmen nicht entgegen, weil das weder eine bestimmte zivilrechtliche Qualifikation noch einen konkreten Leistungsbezug voraussetzt.

6) In Übereinstimmung mit den zuvor dargelegten Grundsätzen haben FA und FG die streitigen Provisionszahlungen zutreffend als Betriebseinnahmen angesehen, obgleich sie für den Abschluß von Versicherungsverträgen des Klägers selbst bzw. seiner Ehefrau geleistet wurden (im Ergebnis ebenso FG des Saarlandes, Urteil vom 4. Februar 1992 1 K 214/91, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1992, 436; Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. September 1994 II 206/93, EFG 1995, 359; FG Münster, Urteil vom 13. Januar 1995 16 K 4384/93 E, EFG 1996, 210; FG München, Urteil vom 16. Mai 1995 13 K 2394/94, EFG 1996, 210; vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Oktober 1994 1 K 1443/89, EFG 1995, 195; Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Steuerlicher Eildienst 1995, 140; - a.M. Hessisches FG, Urteil vom 8. Juni 1983 7 K 59/93, EFG 1984, 122, und FG Münster, Urteil vom 23. April 1991 15 K 8048/88 E, EFG 1992, 132).

Für eine solche Entscheidung kommt es nicht auf Modalitäten und Zweckbestimmung der "vermittelten" Versicherungsverträge an, sondern darauf, daß die für die "Vermittlung" geleisteten Zahlungen ihren Rechtsgrund im Auftragsverhältnis zwischen Versicherungsunternehmen und Kläger, also in dessen Erwerbstätigkeit haben. Verdeutlicht wird hier der Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Wertzuwachs noch dadurch, daß die "Eigenprovisionen" von den Vertragspartnern bis hin zur äußeren Form der Abrechnung genauso behandelt wurden wie die für Fremdverträge geleisteten Entgelte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67334

BFH/NV 1998, 1558

BFH/NV 1998, 1558-1559 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1998, 618

BFHE 186, 256

BFHE 1999, 256

BB 1998, 1990

BB 1998, 1990 (Leitsatz)

DB 1998, 2044

DStR 1998, 1508

DStRE 1998, 740

DStRE 1998, 740 (Leitsatz)

DStZ 1998, 908

HFR 1998, 978

StE 1998, 594

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