Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung; Rücklagen

 

Leitsatz (amtlich)

Das für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche Merkmal der Zuwendung eines Vermögensvorteils ist dann nicht gegeben, wenn im Jahresabschluß einer GmbH Rücklagen auf ausstehende Einlagen umgebucht werden.

 

Normenkette

EStG 1971 § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; GmbHG § 19 Abs. 2; KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zur Einkommensteuer

zusammenveranlagt wurden. Der Ehemann ist Alleininhaber eines Installationsgeschäfts für sanitäre Anlagen und geschäftsführender Gesellschafter der K GmbH (GmbH) in K. Vom Stammkapital der 1969 gegründeten GmbH in Höhe von 20 000 DM hält der Kläger 19 000 DM, sein Sohn als Mitgesellschafter der GmbH 1 000 DM. Die Stammeinlagen waren zu einem Viertel noch vor Eintragung der Gesellschaft, der Rest nach Abruf durch die Geschäftsführung einzuzahlen (§ 3 des Gesellschaftsvertrags der GmbH).

Auf die ausstehenden Stammeinlagen --Stand 1.Januar 1971: Beim Kläger 14 250 DM, beim Sohn 750 DM-- wurden im Zuge der Aufstellung des Jahresabschlusses 1971 von "Gewinnanteilguthaben", bei denen es sich um nicht ausgeschüttete Gewinne aus den Vorjahren handelte, Beträge von 6 250 DM für den Kläger und 750 DM für den Sohn umgebucht.

Der Jahresabschluß 1971 trägt das Datum 20.Januar 1973 und ist vom damaligen Steuerbevollmächtigten der GmbH unterschrieben. Die Körperschaftsteuererklärung 1971, mit der der Jahresabschluß dem zuständigen Finanzamt vorgelegt wurde (dortiger Eingang 1.Februar 1973), trägt das Datum 5.Januar 1973 und die Unterschrift des Klägers.

Der damalige Steuerbevollmächtigte gab dazu folgende Erläuterungen ab: Am 29.Dezember 1972 habe eine Unterredung mit dem Geschäftsführer über den vorläufigen Entwurf des Jahresabschlusses 1971 und eine Umbuchung der "Gewinnanteile" stattgefunden, der 5.Januar 1973 bezeichne das Datum des Entwurfs der Steuererklärung, der 20.Januar 1973 das der Reinschrift der Bilanz mit Anlagen. Schriftliche Unterlagen über die Genehmigung des Jahresabschlusses durch beide Gesellschafter habe es nicht gegeben. Sinn der Umbuchung sei auch gewesen, in der Bilanz für Kreditauskünfte eine höhere Einzahlung auf das vereinbarte Gesellschaftskapital nachweisen zu können.

In der Bilanz zum 31.Dezember 1973 vom 29.April 1975 --der Berater hatte inzwischen gewechselt und bei dem Einzelunternehmer war 1974 eine Betriebsprüfung durchgeführt worden-- wurden die Umbuchungen rückgängig gemacht und die ausstehenden Einlagen wiederum mit insgesamt 15 000 DM auf der Aktivseite der Bilanz angesetzt. Bei der am 18.Juni 1975 abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurden die Jahresabschlüsse 1970 bis 1973 "in der vorliegenden Form einstimmig genehmigt" und dem Geschäftsführer für diese Jahre Entlastung erteilt.

Aufgrund der Betriebsprüfung war der Prüfer zu dem Ergebnis gekommen, daß die GmbH-Anteile notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers seien. Die Einzahlungsverpflichtung passivierte er daher. Die Ausschüttungen der GmbH sah er als Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers an. Der Ansicht des Prüfers folgend rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den vom "Gewinnanteilguthaben" des Klägers auf dessen Einzahlungsverpflichtung umgebuchten Betrag von 6 250 DM dem gewerblichen Gewinn des Einzelunternehmens 1973 mit der Begründung hinzu, der Kläger habe insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung erhalten.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Zwar sei dem Kläger darin zuzustimmen, daß die Umbuchung von nicht ausgeschütteten Gewinnen der GmbH aus den Vorjahren auf die ausstehenden Stammeinlagen der beiden Gesellschafter zivilrechtlich nicht wirksam gewesen sei, weil die mit der Umbuchung dokumentierte Aufrechnung fällige Ansprüche der GmbH einerseits und ihrer Gesellschafter andererseits vorausgesetzt hätte (§ 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Mangels eines ordnungsgemäß herbeigeführten Beschlusses der Gesellschafterversammlung hätten Ansprüche der Gesellschafter nicht bestanden. Darauf komme es aber nicht entscheidend an, weil bei einer kleinen Familien-GmbH zwischen Vater und Sohn --wie im Streitfall-- häufig nicht streng darauf geachtet werde, ob die Organe den im Gesellschaftsvertrag niedergelegten sowie den gesetzlichen Normen entsprechend handelten. Wichtig sei den Beteiligten, was geschehe, und an das tatsächlich Vollzogene hielten sie sich dann gebunden.

Das FA sehe in der Umbuchung zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung, denn durch den Vorgang seien Vermögensteile --der Betrag von 6 250 DM-- von der GmbH an den Kläger geflossen. Der Betrag sei zwar nicht ausgezahlt, aber in einem gleichzeitigen Akt als Leistung des Klägers auf seine offene Einzahlungsverpflichtung behandelt worden, wodurch er von dieser teilweise befreit worden sei.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts und tragen im wesentlichen vor:Die Bilanz 1971 beruhe auf Umbuchungen, welche die tatsächlichen Verhältnisse nicht zutreffend wiedergäben. Nur wenn diese der buchmäßigen Darstellung entsprächen, sei eine Betriebseinnahme in den Betrieb des Klägers geflossen und zugleich ein Teil des von der GmbH erwirtschafteten Gewinns abgeflossen. Dies setze einen Beschluß der Gesellschafter über die Verteilung des Reingewinns gemäß § 46 Nr.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) voraus, an dem es hier fehle. Zivilrechtlich sei also der Gewinn nicht ausgeschüttet worden und habe daher nicht zur Erfüllung der Einzahlungsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft verwendet werden können. Somit könne jeder Gesellschaftsgläubiger den Einzahlungsanspruch pfänden und im Wege der Klage gegen die Gesellschaftergeltend machen. Dies habe zur Folge, daß der Gesellschafter den vollen Betrag zahlen müsse, ohne dafür etwas von der Gesellschaft erhalten zu haben, während er gleichzeitig vom Fiskus so behandelt würde, als habe er diesen Anteil bereits gezahlt, und zwar mit Gewinn, den er bereits der Besteuerung unterworfen habe.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Steuer unter Zugrundelegung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26 765 DM festzusetzen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

Die Vorentscheidung verletzt § 19 Abs.2 GmbHG sowie § 15 Nr.1 i.V.m. § 20 Abs.1 Nr.1, Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in den für 1973 gültigen Fassungen. Zu Unrecht hat das FG in dem 1973 vollzogenen Umbuchungsvorgang eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen, die beim Kläger als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt eine verdeckte Gewinnausschüttung voraus, daß eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. Urteile vom 3.Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408; vom 27.Januar 1972 I R 28/69, BFHE 104, 353, BStBl II 1972, 320, und vom 30.Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74).

Im Streitfall fehlt es an einem Vermögensvorteil. Ein solcher läge nur dann vor, wenn der Kläger durch die im Zuge der Aufstellung der Bilanz 1971 vorgenommenen Umbuchungen wirksam von seiner Einlageschuld befreit worden wäre. Dies ist zu verneinen.

a) Ein Erlöschen der Einlageverpflichtung tritt --abgesehen vom Falle der Zahlung-- nur ein, wenn eine wirksame Herabsetzung des Stammkapitals oder eine wirksame Aufrechnung vorliegt (§ 19 Abs.2, 3 GmbHG).

Eine Aufrechnung durch den Gesellschafter gegen den Anspruch der Gesellschaft ist ausgeschlossen (§ 19

Nr.2 Satz 2 GmbHG).

Aber auch durch Aufrechnungsvertrag konnten die GmbH und der Kläger die Verpflichtung zur Leistung der Einlagen nicht zum Erlöschen bringen. Denn im Gegensatz zum allgemeinen Zivilrecht, das es den Parteien gestattet, sich über eine noch nicht bestehende Fälligkeit hinwegzusetzen (hierzu Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 43.Aufl., § 387 Anm.2), setzt im GmbH-Recht eine vertragliche Aufrechnung wie auch eine einseitige Aufrechnung durch die GmbH mit ihrer Einlageforderung zwingend voraus, daß die Gegenforderung des Gesellschafters rechtlich entstanden, fällig, liquide und vollwertig ist (siehe Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13.Oktober 1954 II ZR 182/53, BGHZ 15, 52, und vom 13.Juli 1964 II ZR 110/62, BGHZ 42, 89, 93; auch das Kammergericht geht in seinem Beschluß vom 10.Januar 1935 I b >X 605/34, Juristische Wochenschrift 1935, 1796 davon aus, daß der Dividendenanspruch fällig war; sieheferner Ulmer in Hachenburg, Kommentar zum GmbH-Gesetz, § 19 Anm.38 bis 40, 43; Winter in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6.Aufl., § 19 Anm.15, 16; Flume, Der Betrieb 1964, 21/22).

Daran fehlt es im Streitfall. Der Anspruch der Gesellschafter auf Zahlung von Gewinnanteilen entsteht erst, wenn die Bilanz festgestellt und der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns gefaßt ist (§§ 29, 46 Nr.1 GmbHG; BFH-Urteil vom 25.März 1983 III R 13/81, BFHE 138, 257, BStBl II 1983, 444; rechtskräftiges Urteil des FG München vom 5.November 1980 V (IX) 57/76 E 2, Betriebs-Berater 1981, 1315, mit weiteren Nachweisen). Die "Gewinnanteilguthaben" auf der Passivseite der Bilanz der GmbH, von denen im Streitfall Beträge auf ausstehende Einlagen "umgebucht" wurden, sind keine Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern, sondern Rücklagen. Verbindlichkeiten der GmbH entstehen erst, wenn die Rücklagen durch Beschluß der Gesellschafter aufgelöst werden und dadurch den Bilanzgewinn erhöhen und wenn dann beschlossen wird, den Bilanzgewinn an die Gesellschafter auszuschütten (§ 46 Nr.1, § 29 GmbHG; Scholz/Emmerich, GmbH-Gesetz, 6.Aufl., § 29 Anm.II, 1, Rz.12). Im Streitfall liegt weder ein Beschluß über die Auflösung der Rücklagen noch ein Beschluß über die Verteilung eines durch die Auflösung der Rücklagen erhöhten Bilanzgewinns vor.

b) Soweit der Reichsfinanzhof in seinem Urteil vom 5.August 1931 VI A 726/31 (RStBl 1931, 889) ohne nähere Begründung davon ausgeht, daß eine Verrechnung der Forderung auf Einzahlung rückständiger Stammeinlagen mit "Gewinnreserven" möglich ist, kann dem nicht gefolgt werden. Einer derartigen freien Verrechenbarkeit steht § 19 Abs.2, 3 GmbHG entgegen.

Hingegen setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu seinen Ausführungen in der Entscheidung vom 24.September 1974 VIII R 64/69 (BFHE 114, 185, 189 a.E., BStBl II 1975, 230, 232). Die dort angedeutete Möglichkeit einer verdeckten Gewinnausschüttung in der Weise, daß die Gesellschaft eine Einlage der Gesellschafter aus ihren Jahresgewinnen oder ihrer Rücklage ganz oder teilweise übernimmt, setzt einen gültigen Beschluß der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung und somit Entstehen und Fälligkeit der Dividendenansprüche voraus.

c) Es handelt sich bei der vom ehemaligen Steuerbevollmächtigten der GmbH durchgeführten Umbuchung auch nicht um eine grundsätzlich zulässige Vorabausschüttung, wie das FA annimmt. Diese würde nämlich voraussetzen, daß ein entsprechender Beschluß der Gesellschafterversammlung vorläge (vgl. Goerdeler/Müller in Hachenburg, Kommentar zum GmbH-Gesetz, § 29 Anm.77), ferner, daß sie im Jahresabschluß vermerkt und mit dem sich aus ihm ergebenden auszuschüttenden Reingewinn verrechnet wird (hierzu BFH-Urteil vom 27.Januar 1977 I R 39/75, BFHE 122, 43, 46 bis 48, BStBl II 1977, 491, 492, 493). Daran fehlt es hier.

d) Mangels handelsrechtlicher Wirksamkeit der vom früheren Berater des Klägers angestrebten Verrechnung (§ 134 BGB) sind auch die vorgenommenen Umbuchungen unwirksam. § 19 Abs.2 GmbHG und die daraus abgeleitete Beschränkung der Aufrechnung durch Aufrechnungsvertrag (oben II, 1 a) sichern die Aufbringung des Stammkapitals und enthalten zwingendes Recht (Fischer, GmbH-Gesetz, Kommentar,10.Aufl., § 19 A, 1). Diesem kann sich entgegen der Auffassung des FG auch eine kleine Familien-GmbH nicht entziehen. Ob die handelsrechtliche Unwirksamkeit der Verrechnung der "Gewinnanteilguthaben" mit den ausstehenden Stammeinlagen nach § 5 Abs.3 des Steueranpassungsgesetzes steuerrechtlich ohne Bedeutung sein könnte, braucht nicht weiter geprüft zu werden. Denn die Beteiligten haben die Verrechnung nicht gelten lassen, sondern die Umbuchung --der handelsrechtlichen Lage entsprechend-- im Jahr 1975 rückgängig gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75079

BStBl II 1984, 717

BFHE 1985, 304

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge