Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Haften einer Buchführung, die die für die kaufmännische Buchführung erforderlichen Bücher führt, Mängel formeller oder sachlicher Natur an, ohne daß diese Mängel zur Verwerfung und Schätzung des Gewinnes - gegebenenfalls unter Verwertung der Buchführungsunterlagen - führen, wird also das Buchführungsergebnis der Gewinnermittlung bei der Veranlagung zugrunde gelegt, so kann ihr die Ordnungsmäßigkeit auch nicht für die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nach § 10 Absatz 1 Ziffer 3 EStG 1948 abgesprochen werden.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtszuge. Hinsichtlich des ersten Rechtszuges wird auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 15/51 S vom 23. Februar 1951, Bundessteuerblatt (BStBl.) III S. 75, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) 1951 S. 159, verwiesen. Strittig ist, ob der Beschwerdeführerin (Bfin.) die Vergünstigung des § 10 Absatz 1 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Anhanges zum Militärregierungsgesetz (MilRegG) Nr. 64 zusteht. Auf Grund der Zurückverweisung der Sache hat das Finanzgericht nochmals eine Buchprüfung durchführen lassen, die folgendes ergab:

"Die für das II. Halbjahr 1948 vorliegenden Wareneinkaufsrechnungen sind restlos im Wareneingangsbuch verbucht. Eine besondere Spalte, aus der hervorgeht, ob es sich um ein bares oder unbares Geschäfts handelt, ist nicht vorhanden. Jedoch ergibt sich die Art des Geschäftes aus den im Wareneingangsbuch inzwischen nachgeholten Vermerken über den Tag der Begleichung der Einkaufsrechnungen. Die nach Durchführung der Betriebsprüfung vom November 1949 eingetragenen Zahlungsvermerke stimmen mit den Eintragungen in den Kassenberichten und im Kassenbuch bzw. den Bankauszügen und den allerdings nur teilweise vorhandenen Quittungs- bzw. Zahlungsvermerken auf den Rechnungen überein. Der überwiegende Teil der Rechnungen ist danach kurzfristig (innerhalb einer Zeit von 1 bis 2 Wochen) bezahlt worden. Da aber die Warenrechnungen nicht immer der Zeitfolge nach und teilweise erst im Zeitpunkt der Bezahlung eingetragen worden sind, ist eine Warenrechnung vom 29. Dezember 1948 über 46,20 DM - bezahlt am 15. Januar 1949, im Wareneingangsbuch verbucht im Januar 1949 - bei der Feststellung der am 31. Dezember 1948 vorhandenen Kreditoren nicht erfaßt worden. Im übrigen stimmen die am 31. Dezember 1948 bilanzmäßig ausgewiesenen Warenkreditoren von 279,90 DM mit der vorliegenden Einzelaufstellung und den Eintragungen im Wareneingangsbuch überein.

Kreditverkäufe in Höhe von 296,95 DM konnten an Hand der Bankauszüge festgestellt werden. Soweit Kreditverkäufe nicht durch Banküberweisungen reguliert wurden, lassen sie sich nicht mehr ermitteln, da keinerlei Aufzeichnungen darüber vorliegen. Sie sollen aber alle mit Datum über Entstehung und Begleichung der Forderungen in einer Kladde festgehalten worden sein. Während für andere Jahre solche Aufzeichnungen noch vorhanden sind, konnten sie für das 2. Halbjahr 1948 nicht vorgelegt werden. Sie sollen bei baulichen Schäden im Lagerraum und damit verbundenen Umräumungsarbeiten verlegt worden sein. Die laut vorstehender Aufstellung am 31. Dezember 1948 mit Sicherheit noch vorhandenen Außenstände in Höhe von 69,40 DM sind jedenfalls bei Aufstellung der Jahresschlußbilanz nicht berücksichtigt worden. Auf den 20. Juni 1948 konnten Forderungen nicht festgestellt werden. Umsatzsteuerlich sind die Banküberweisungen richtig erfaßt worden.

Sonstige unbare Geschäftsvorfälle, die zu Forderungen geführt haben, konnten nicht festgestellt werden. Die außer den Warenkäufen zu Verpflichtungen führenden Geschäftsvorfälle beschränkten sich im 2. Halbjahr 1948 auf die im vorliegenden Geschäftszweig üblicherweise anfallenden Unkostenposten, wie Licht, Telefon, Kohlenrechnungen usw., die wie die Warenrechnungen kurzfristig (1 bis 2 Wochen) beglichen werden. über diese Geschäftsvorfälle liegen lediglich die Rechnungsbelege mit entsprechenden Zahlungsvermerken vor. Abgesehen von ihrer Verbuchung im Kassenbuch am Tag der Bezahlung werden sie buchmäßig nicht festgehalten."

Das Finanzgericht hat die Vergünstigung versagt. Die Buchführung könne nicht als ordnungsmäßig angesehen werden. Schon die Tatsache, daß nicht auf allen Rechnungen Quittungs- bzw. Zahlungsvermerke vorhanden und die Warenrechnungen nicht immer der Zeitfolge nach, teilweise erst im Zeitpunkt der Bezahlung eingetragen worden seien, spreche gegen eine ordnungsgemäße Buchführung. Aber auch wenn man wegen der Geringfügigkeit der Buchungsfehler in dieser Richtung von einer Beanstandung absehen würde, sei zu beachten, daß die Kladde, in der die Kreditgeschäfte einschließlich der Zahlungen festzuhalten seien, für II/1948 nicht vorhanden sei. Bestehe aber die Möglichkeit zur Vorlage einzelner Unterlagen nicht, so müsse die Buchführung als nicht ordnungsmäßig verworfen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Steuerpflichtigen (Stpfl.) ist begründet.

Wie in der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49 vom 13. Januar 1950, Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen (MinBlFin.) 1950 S. 343, Bay.FMBl. 1950 S. 62 (Rechtssatz 1), ausgeführt ist, liegt eine kaufmännische Buchführung im Sinne der Vergünstigung nicht vor, wenn die baren und unbaren Geschäftsvorfälle nicht nach der Zeitfolge in Grundbüchern und die Betriebsvermögensbestandteile nicht ordnungsmäßig in Inventar-, Bilanz- und Kontokorrentbüchern nachgewiesen werden. Es ist somit zum mindesten eine einfache kaufmännische Buchführung erforderlich. Einnahme- und Ausgabe-Aufzeichnungen, etwa nach der Verordnung über die Buchführung der Handwerker usw. vom 5. September 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 313), genügen nicht (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 188/37 vom 11. Januar 1938, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1938 S. 508; VI 784, 785/38 vom 21. Dezember 1938, RStBl. 1939 S. 309; Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49 vom 13. Januar 1950).

Nach den Berichten der Betriebsprüfer führt die Stpfl. im wesentlichen folgende Bücher:

tägliche Kassenberichte als Unterlagen für das Kassenbuch mit Spalte für Bankverkehr,

Wareneingangsbuch,

jährliche Bestandsaufnahmen, Inventar und Bilanz,

Kladde für Kreditverkäufe.

Die baren Geschäftsvorfälle werden durch ein Kassenbuch vollständig erfaßt. Die unbaren Geschäftsvorfälle werden, soweit es sich um Wareneinkäufe handelt, im Wareneingangsbuch festgehalten, das nach seiner Ergänzung auch die Zahlungsvermerke enthält und damit gleichzeitig der Kontrolle über den Stand der Warenschulden dient. Allerdings ist das Wareneingangsbuch nicht immer nach Zeitfolge geführt worden. Dies hat auch zum 31. Dezember 1948 zu einer zu geringen Darstellung der Schulden in Höhe von 46,20 DM geführt. Der Fehler kann aber nicht als so beachtlich angesehen werden, daß man eine kaufmännische Buchführung nicht mehr als gegeben ansieht. Sonstige unbare Geschäftsvorfälle der Ausgabenseite beschränken sich auf die üblicherweise anfallenden Unkostenrechnungen (Telefon-, Licht- und Kohlenrechnungen usw.), die kurzfristig beglichen werden und nur im Kassenbuch erscheinen. Auch diesem Umstande wird man eine beachtliche Bedeutung nicht zumessen können.

Die unbaren Geschäftsvorfälle der Einnahmeseite betreffen die im Ladengeschäft üblichen, in einer Kladde festgehaltenen Kreditverkäufe. Diese Kladde liegt für II/1948 zur Zeit nicht vor. Sie ist von der Stpfl. verlegt worden. Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß dies einen beachtlichen Mangel der Buchführung darstellt (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 171/38 vom 27. April 1938, RStBl. 1938 S. 491). Die Buchführung ist in der vorgelegten Form nicht vollständig. Es ist zu entscheiden, ob der Mangel als so wesentlich anzusehen ist, daß er den Charakter der Buchführung als einer kaufmännischen Buchführung beseitigt. Im einzelnen siehe hierzu die Ausführungen in der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49 vom 13. Januar 1950. Im vorliegenden Falle spielen die Kreditverkäufe im Laden in II/1948 eine geringe Rolle. Dies ergibt sich daraus, daß am 31. Dezember 1948 Außenstände nur in Höhe von 69,40 DM vorhanden waren. Die Kunden decken ihre Verpflichtungen binnen kurzer Zeit wieder ab, so daß das Jahresergebnis durch diesen Mangel nicht berührt wird. Wenn auch für einen Teil der unbaren Geschäftsvorfälle die Grundbuchungen fehlen, wird man unter diesen Umständen der Buchführung den Charakter einer kaufmännischen Buchführung nicht absprechen können (siehe hierzu auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 560/37 vom 29. September 1937, RStBl. 1937 S. 1117).

Werden die für eine kaufmännische Buchführung erforderlichen Bücher geführt, so ist zu prüfen, ob ihnen Mängel formaler oder sachlicher Natur anhaften, die zu einer Verwerfung der Buchführung und Schätzung des Gewinnes führen (Rechtssatz 2 der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49). Der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entspricht es, daß über die Frage, ob ordnungsmäßige Buchführung im Sinne des § 5 EStG vorliegt, nur einheitlich entschieden werden kann. Wird die Buchführung für die Gewinnermittlung bei der Veranlagung anerkannt, so kann ihr die Ordnungsmäßigkeit auch für die Vergünstigungen, die das Steuergesetz hieran knüpft, nicht abgesprochen werden (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 423/37 vom 14. Juli 1937, Steuer und Wirtschaft - StW - 1937 Nr. 475; VI 342/37 vom 18. November 1937, StW 1937 Nr. 626). Der Reichsfinanzhof und der Oberste Finanzgerichtshof haben deshalb in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß formelle und sachliche Mängel geringen Umfanges, die lediglich zu Berichtigungen und unwesentlichen, ergänzenden Schätzungen führen, die Versagung der steuerlichen Vergünstigungen nicht rechtfertigen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 115/38 vom 9. März 1938, StW 1938 Nr. 229, Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 69/50 vom 4. August 1950, Bay.FMBl. 1950 S. 547). Auch dort, wo die Absicht der Steuerverkürzung nicht vorliegt und der Wille zur ordnungsmäßigen Führung der Bücher besteht, werden Beanstandungen in dem umfangreichen Rechenwerke der Buchführung eines größeren Betriebes möglich sein. Eine in jeder Beziehung fehlerfreie Buchführung wird zu den Ausnahmen gehören.

Bei der Beurteilung der an die Buchführung zu stellenden Anforderungen darf der Zweck, weshalb die Vergünstigung des § 10 Absatz 1 Ziffer 3 EStG in der Fassung des Anhanges zum MilRegG Nr. 64 von dem Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung abhängig gemacht ist, nicht unbeachtet bleiben. Dieser besteht im wesentlichen darin, daß die Höhe des nicht entnommenen Gewinnes aus der Buchführung zuverlässig festgestellt und eine etwaige Entnahme dieses Gewinnes in späteren Wirtschaftsjahren zuverlässig überwacht werden kann.

Im vorliegenden Falle haben die Vorbehörden die Ergebnisse der Buchführung in vollem Umfange als zutreffend anerkannt, den Gewinn also nicht im Wege der Schätzung ermittelt. Es kann deshalb der Bfin. die Vergünstigung des § 10 Absatz 1 Ziffer 3 EStG 1948 nicht versagt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407391

BStBl III 1952, 122

BFHE 1953, 310

BFHE 56, 310

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