Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltszahlung nach Erhalt eines Geldbetrags keine dauernde Last - Unterhaltsrente

 

Leitsatz (amtlich)

Erhält jemand von seinen Eltern einen Geldbetrag und verpflichtet sich, ihnen "als Gegenleistung" Unterhalt zu zahlen, führt dies nicht zu einer als Sonderausgabe abziehbaren dauernden Last (Fortführung des BFH-Urteils vom 13.August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709).

 

Orientierungssatz

Der Anhaltspunkt in Abschn. 123 Abs. 3 EStR, wonach eine nichtabziehbare Unterhaltsrente dann nicht vorliegt, wenn der Wert des übertragenen Vermögens mindestens die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung beträgt, hat nur Bedeutung für die steuerrechtliche Beurteilung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.

 

Normenkette

EStG 1977 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2; EStR Abschn. 123 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1978 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Mit privatschriftlichem "Übertragungsvertrag" vom 1.Oktober 1976 erhielt die Klägerin von ihrer im Jahre 1918 geborenen Mutter einen Betrag von 30 000 DM. Die Klägerin übernahm es "als Gegenleistung", lebenslänglich "für die Kosten der Lebensführung" ihrer Mutter zu sorgen. Sie gab den Kapitalwert dieser Verpflichtung mit 59 866 DM an. Die Kläger verwendeten den Betrag in Höhe von 20 000 DM zur Entschuldung ihrer Eigentumswohnung; 8 000 DM zahlten sie auf ein Sparbuch ein; 2 000 DM verbrauchten sie anderweitig.

Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1978 legten die Kläger einen "Nachtrag zum Übertragungsvertrag" vom 15.August 1977 vor. Nach diesem Vertrag erhielt die Klägerin von ihrer Mutter nochmals 20 000 DM und verpflichtete sich, für die monatlichen Krankenkassenbeiträge der Mutter auf deren Lebenszeit aufzukommen. Die Kläger bezifferten den Kapitalwert dieser Verpflichtung auf 17 249 DM. Den Betrag von 20 000 DM verwendeten sie zur Anzahlung für ein Einfamilienhaus. Sie beantragten, einen Betrag von 7 209 DM zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1977) zuzulassen. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Leistungen der Klägerin an ihre Mutter seien weder als Sonderausgaben (§ 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977) noch als außergewöhnliche Belastung (§ 33a EStG) abziehbar. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Verträge wie vereinbart durchgeführt worden seien. Hier liege keine Schenkung unter Auflage vor; vielmehr beruhe die Leistung der Klägerin auf einem "kauf- und darlehensähnlichen Vertrag", bei dem die beiderseitigen Leistungen synallagmatisch verknüpft seien. Es überwiege die Ähnlichkeit mit einem Darlehensvertrag. Die Vereinbarung sei keine "Vermögensübergabe zur vorweggenommenen Erbfolge"; die wiederkehrenden Leistungen der Klägerin seien daher mit dem Wert der Gegenleistung zu verrechnen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der § 12 Nr.2, § 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977. Sie tragen u.a. vor: Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wertverrechnung (Urteile vom 13.August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709, und vom 3.Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674) beträfen nur Verträge, bei denen die Parteien von der Wertgleichheit von Leistung und Gegenleistung ausgingen. Hier liege hingegen eine Schenkung unter Auflage vor. § 12 Nr.2 EStG sei mangels "Zuwendung" nicht anwendbar.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer lt. Bescheid vom 14.Juli 1980 in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise herabzusetzen, daß eine dauernde Last in Höhe von 7 209 DM anerkannt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die wiederkehrenden Zahlungen der Klägerin an ihre Mutter nicht als dauernde Last abziehbar sind.

1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977 = § 10 Abs.1 Nr.1 a EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes --StÄndG-- 1979). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs.1 Nr.1 Satz 1 EStG 1977). Leibrenten können --nach näherer Maßgabe des § 10 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG 1977-- nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der Ertragswerttabelle des § 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG ergibt.

2. Der Große Senat des BFH hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.

a) In seinem Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 ff., BStBl II 1990, 847) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.

In zivilrechtlicher Hinsicht ist der Vermögensübergabevertrag eine Vereinbarung, in der Eltern ihr Vermögen, insbesondere ihren Betrieb oder privaten Grundbesitz mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge auf einen oder mehrere Abkömmlinge übertragen und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlinge Ausgleichszahlungen ausbedingen. Die Besonderheit des Übergabevertrages liegt darin, daß er der folgenden Generation unter Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil sichert. Dadurch, daß sich der Übergabevertrag auch als Schenkung darstellt, unterscheidet er sich von einer Vereinbarung, in der Versorgungszusagen im Rahmen eines Austauschs von als gleichwertig angesehenen Leistungen erteilt werden (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. a).

Der Große Senat hat an der überkommenen Rechtsprechung festgehalten, daß Versorgungsleistungen, die anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, sondern wiederkehrende Bezüge und Sonderausgaben darstellen (BFHE 161, 317, 327 f., BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. b und c).

Die Zurechnung dieser Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben (§ 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977) und wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr.1 EStG) beruht darauf, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr.1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr.2 EStG. Da die Versorgungsleistungen keine Gegenleistung des Übernehmers sind, müssen sie nicht vorab mit dem Wert des übertragenen Vermögens verrechnet werden (BFHE 161, 317, 328 f., BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. c).

b) Durch Beschluß vom 15.Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 unter C. II. 3.) hat der Große Senat des BFH des weiteren entschieden: In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Leistungen --auch abänderbare Geldleistungen-- sind Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last.

3. Der Große Senat hat Bezug genommen auf die Rechtsprechung zu wiederkehrenden Leistungen aus "kauf- und darlehensähnlichen Vorgängen" und darüber hinaus zu wiederkehrenden Leistungen "im Austausch mit einer Gegenleistung" (BFHE 165, 225, 234, BStBl II 1992, 78 unter C. I. 4. d, unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 16.September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706, sowie in BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674). Nach der gleichfalls in Bezug genommenen (BFHE 165, 225, 234, BStBl II 1992, 78) Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine dauernde Last zu verneinen bei entgeltlichen Nutzungsverhältnissen (Urteil vom 24.Oktober 1990 X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175 betr. Erbbauzinsen) sowie dann, wenn eine Auflage aus einem geschenkten Vermögen zu erfüllen ist (Urteil vom 4.April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779 unter 2.). Eine dauernde Last setzt eine wirtschaftliche Belastung voraus; an ihr fehlt es, wenn die Aufwendungen aus einer empfangenen Gegenleistung erbracht werden können. In allen diesen Fällen wird --anders als bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen-- die Überlassung von Substanz oder Nutzung eines Vermögensgegenstandes mittels "Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung" (Wertverrechnung) berücksichtigt.

Der Große Senat hat weiterhin die von der bisherigen Rechtsprechung vorgezeichnete Grenzziehung zwischen den Vorgängen mit und ohne Wertverrechnung bestätigt. Die Anwendung der einschlägigen Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß hier eine Wertverrechnung erforderlich ist (unten 4.).

Der erkennende Senat geht andererseits davon aus, daß der Große Senat die Möglichkeit einer Fortentwicklung der Grundsätze über die Wertverrechnung offengelassen hat. Das Bedürfnis für eine solche Fortentwicklung bejaht der Senat insofern, als stattdessen die Rechtslage für die gesamte Dauer der Verpflichtung zur Erbringung von wiederkehrenden Leistungen unter Anwendung des § 12 EStG sowie unter Berücksichtigung der Verzinslichkeit langfristiger Kapitalforderungen und des Grundsatzes der Nichtsteuerbarkeit der Umschichtung von Privatvermögen (unten 5.) zu bestimmen ist.

4. Im Streitfall unterliegt die Gegenleistung, die die Klägerin von ihrer Mutter erhalten hat, der Wertverrechnung.

a) Sachverhalte der hier zu beurteilenden Art hat der BFH nicht als "sonstige Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen" angesehen. Zur Notwendigkeit einer Wertverrechnung hat er sich in den folgenden Entscheidungen geäußert.

Mit Urteil vom 28.Juni 1963 VI 321/61 U (BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424) hat der BFH entschieden: Verpflichtet sich ein Kind gegen Zahlung eines Einmalbetrages von 12 000 DM, seinen Eltern lebenslänglich wiederkehrende Leistungen zu erbringen, ist --vorbehaltlich einer vorrangigen Prüfung am Maßstab des § 12 EStG-- eine dauernde Last mit dem Wert der Gegenleistung zu verrechnen (vgl. hierzu auch Urteil in BFHE 83, 568, 573, BStBl III 1965, 706 unter 3. letzter Absatz, das erstmals von kauf- oder darlehensähnlichen Vorgängen spricht).

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Urteile in BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424 und BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706 hat der BFH mit Urteil vom 13.August 1985 IX R 10/80 (BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709) zu einem mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt entschieden, daß eine entgeltlich im Austausch mit einer Gegenleistung übernommene dauernde Last nicht als Sonderausgabe abgezogen werden könne, solange der Wert der wiederkehrenden Leistungen den Wert der Gegenleistung nicht erreicht habe. Der IX.Senat des BFH schloß sich der bisherigen Rechtsprechung mit der Maßgabe an, daß eine Wertverrechnung bei kauf- und darlehensähnlichen Verträgen und darüber hinaus in allen Fällen geboten sei, in denen wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung erbracht würden. Der IX.Senat des BFH hat ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob der Kläger die Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen im Hinblick auf das Verwandtschaftsverhältnis übernommen hatte und die Abziehbarkeit deswegen an § 12 Nr.2 EStG scheiterte (ähnlich Urteile in BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424, unter Hinweis auf die Notwendigkeit eines Fremdvergleichs; in BFHE 146, 442, 444, BStBl II 1986, 674 unter 2.).

b) Der erkennende Senat schließt sich der ständigen Rechtsprechung an, daß in Fällen wie dem vorliegenden keine der Hof- und Betriebsübergabe gleichzustellende Vermögensübergabe vorliegt.

Das bei Hof- und Betriebsübergaben als den idealtypischen Fällen der Vermögensübergabe (s. oben unter 2. a) übertragene Vermögen ist eine Wirtschaftseinheit, die die Existenz der weichenden Generation wenigstens teilweise sichert und dem Übernehmer zur Fortsetzung des Wirtschaftens überlassen wird. Eine Wirtschaftseinheit in diesem Sinne kann zum einen nur dann bejaht werden, wenn das übertragene Vermögen für eine generationenübergreifende dauerhafte Anlage geeignet und bestimmt ist. Charakteristisch ist für die Hof- und Betriebsübergabe weiter, daß das "Bewirtschaften" von Hof und Betrieb einen Aufwand an Zeit und persönlicher Arbeitsleistung erfordert, der nur bis zum Erreichen einer selbstgewählten Altersgrenze erbracht werden soll.

Die Frage, wo die Grenze zwischen der Übergabe einer Wirtschaftseinheit und einer sonstigen Vermögensübergabe im einzelnen zu ziehen ist, braucht hier nicht allgemein entschieden zu werden. Bei ihrer Beantwortung im Einzelfall wird auf Rechtskontinuität ebenso wie auf Einfachheit der Rechtsanwendung Bedacht zu nehmen sein. Die --wenn auch nicht in jeder Hinsicht trennscharfen-- Konturen dieses Rechtstypus haben sich aufgrund langjähriger Rechtstradition unter Ausschluß des hier zu beurteilenden "Unterhaltskaufs" gebildet. Jedenfalls ist ein --selbst größerer-- Geldbetrag keine Wirtschaftseinheit, deren Übertragung herkömmlicherweise dem vorstehend beschriebenen Typus der zivil- und steuerrechtlichen Vermögensübergabe zugeordnet wird. Für eine Erweiterung des die Anwendung des § 12 Nr.2 EStG ausschließenden Typus "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" besteht keine Veranlassung.

5. Der erkennende Senat geht davon aus, daß die Vertragsparteien hier abänderbare Leistungen vereinbart haben. Diese sind nicht als dauernde Last abziehbar.

a) Der Große Senat hat in den oben (2.) dargestellten Beschlüssen das Sonderrecht der "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" bestätigt. Im Beschluß in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 (unter C. II. 2.) hat er zu der Leibrente ausgeführt, die Berücksichtigung lediglich ihres Ertragsanteils habe den Zweck, die nichtsteuerbare Vermögensumschichtung vom steuerbaren Zinsanteil zu sondern. Zur Abziehbarkeit von abänderbaren wiederkehrenden Leistungen, die nicht in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe stehen, hat sich der Große Senat in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 nicht geäußert.

b) Die Wertverrechnungslehre ist allerdings bisher davon ausgegangen, daß die Versorgungsleistungen zunächst in vollem Umfang mit den erhaltenen Vermögenswerten zu verrechnen sind und sich erst nach Verbrauch des Verrechnungspotentials die Frage stellt, ob die überschießenden wiederkehrenden Leistungen dauernde Lasten und beim Bezieher steuerbare wiederkehrende Leistungen oder nichtabziehbare und nichtsteuerbare Unterhaltsleistungen sind. Die Frage nach der Tragweite des § 12 EStG ist stets offengelassen worden (oben 4. a). Zu den sich nach Verbrauch des Verrechnungsvolumens ergebenden Rechtsfolgen hat sich die Rechtsprechung nur beiläufig geäußert (s. aber Urteil in BFHE 77, 287, 289 f., BStBl III 1963, 424: dauernde Last).

c) Ebenso wie das BFH-Urteil in BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709 läßt es der erkennende Senat dahingestellt, ob hier nicht das Rechtsverhältnis durch in persönlichen Beziehungen wurzelnde wechselseitige Zuwendungen geprägt ist und daher insgesamt eine nach § 12 Nr.2 EStG nichtabziehbare Zuwendung vorliegt. Des weiteren bleibt dahingestellt, ob die Grundannahme der Wertverrechnungslehre zutrifft, daß Verrechnungswert ein von vornherein feststehender Wert --etwa der Verkehrswert im Zeitpunkt des Vertragsschlusses-- ist. Hiergegen könnte eingewandt werden, daß nach dem zugrunde liegenden Vertrag der erhaltene Gegenwert auch dann noch Gegenleistung für die wiederkehrenden Leistungen ist, wenn sich das solchen Geschäften eigene Risiko in einer den Verkehrswert übersteigenden Zahlung realisiert.

Der Senat kommt hier zur Nichtabziehbarkeit der wiederkehrenden Leistungen bereits aufgrund anderer Überlegungen. Liegt --wie dargelegt (oben 4.)-- keine "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" vor und greift deshalb der Gesichtspunkt der "vorbehaltenen Vermögenserträge" nicht ein, so hat das in § 12 EStG geregelte Abzugsverbot uneingeschränkt Vorrang. Ist der hier zu beurteilende Vertrag keine wechselseitige Schenkung, sondern ein "darlehensähnlicher Vertrag", liegt auf der Hand, daß während der gesamten Laufdauer der wiederkehrenden Leistungen in diesen anteilig eine Kapitalrückzahlung enthalten ist, die steuerrechtlich nicht relevant ist. Das in den Leistungen gleichfalls enthaltene Entgelt für die Kapitalüberlassung --der Zinsanteil-- unterliegt dem Verbot des Abzugs privater Schuldzinsen; auf die Frage, ob dieses Entgelt einer Angemessenheitsprüfung am Maßstab des Fremdvergleichs standhält, kommt es nicht an. Der Anteil der wiederkehrenden Leistungen, der die Kapitalrückzahlung und den Zinsanteil übersteigt, ist eine Zuwendung an eine unterhaltsberechtigte Person und gemäß § 12 Nr.2 EStG vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen. Die Abweichung von dem Urteil in BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424 ist ohne Anfrage bei dem VI.Senat zulässig (§ 184 Abs.2 Nr.5 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Anhaltspunkte dafür, daß die Schuldzinsen --im Rahmen des Angemessenen-- Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein könnten, liegen im Streitfall nicht vor.

d) Offenbar haben die Vertragschließenden die Höhe der wiederkehrenden Leistungen unter Berücksichtigung dessen festgelegt, daß nach Abschn.123 Abs.3 der Einkommensteuer-Richtlinien eine nichtabziehbare Unterhaltsrente dann nicht vorliegt, wenn der Wert des übertragenen Vermögens mindestens die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung beträgt. Dieser Anhaltspunkt für die Bestimmung der nach § 12 EStG nichtabziehbaren Unterhaltsleistungen hat, wie sich aus dem Begründungszusammenhang des Beschlusses in BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78 ergibt, nur Bedeutung für die steuerrechtliche Beurteilung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64395

BFH/NV 1992, 50

BStBl II 1992, 609

BFHE 167, 375

BFHE 1992, 375

BB 1992, 1331

BB 1992, 1331-1334 (LT)

DB 1992, 1456-1458 (LT)

DStR 1992, 858 (KT)

DStZ 1992, 501 (KT)

HFR 1992, 609 (LT)

StE 1992, 345 (K)

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