Leitsatz (amtlich)

1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger Wertpapiere für sein Privatvermögen mit Kredit, so sind die gezahlten Schuldzinsen auch dann bis zur Höhe der erzielten Erträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar, wenn die Wertpapiere innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG weiterveräußert werden.

2. Eine weitere Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gemäß § 23 EStG ist nur bis zur Höhe der erzielten Spekulationsgewinne zulässig. Soweit Spekulationsgewinne nicht erzielt werden, kommt ein Abzug der verbleibenden Schuldzinsen als Sonderausgaben nicht in Betracht.

2. Entfallen Schuldzinsen auf ertraglose Wertpapire, die nicht innerhalb der Spekulationsfrist veräußert werden, so sind diese als Sonderausgaben abziehbar. Schuldzinsen, die auf ertraglose Wertpapiere entfallen, können nicht mit Erträgen aus anderen Wertpapieren verrechnet werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1, §§ 20, 23 Abs. 1, 4

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe Schuldzinsen für einen Bankkredit, mit dem der Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (Kläger) Wertpapiere erworben hat, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften oder als Sonderausgaben abzugsfähig sind.

Der Kläger erwarb im Jahre 1969 für insgesamt rund 7,5 Millionen DM Wertpapiere, davon 93 v. H. mit Bankkrediten, für die er 63 448 DM Zinsen aufwendete.

In- und ausländische Aktien im Gesamtanschaffungswert von 7 155 000 DM veräußerte er innerhalb von sechs Monaten nach der Anschaffung wieder. Dabei erzielte er Erlöse, die 170 756 DM über und 466 666 DM unter den Anschaffungskosten lagen, so daß er insgesamt einen Verlust aus Spekulationsgeschäften (§ 23 EStG) von 295 910 DM erlitt.

Auf die innerhalb von sechs Monaten nach der Anschaffung veräußerten Aktien im Anschaffungswert von rund 3 755 000 DM wurden Dividenden von insgesamt 40 822 DM ausgeschüttet. Die übrigen mit Kredit erworbenen und innerhalb von sechs Monaten nach der Anschaffung veräußerten Aktien im Wert von 3 400 000 DM brachten dem Kläger keine Erträge.

Außerdem erwarb der Kläger Aktien und festverzinsliche Wertpapiere auf Kredit, die er erst nach Ablauf von sechs Monaten wieder veräußerte. Auf Aktien im Wert von 180 000 DM wurden 8 760 DM Dividenden und auf festverzinsliche Wertpapiere mit Anschaffungswerten von rund 65 000 DM wurden 4 234 DM Zinsen ausgeschüttet. Aktien mit Anschaffungswerten von rund 100 000 DM brachten dem Kläger 1969 keinen Ertrag.

Der Kläger wies in seiner Einkommensteuererklärung 1969 Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 54 130 DM (davon 53 816 DM Wertpapiererträge) und Werbungskosten in gleicher Höhe aus. Bei den Werbungskosten handelte es sich im wesentlichen um Schuldzinsen für die Inanspruchnahme von Bankkrediten zur Anschaffung von Wertpapieren. Außerdem machte der Kläger weitere Kreditzinsen von 9 317,47 DM als Schuldzinsen bei den Sonderausgaben geltend.

Bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 1969 setzte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (FA) von den Einnahmen des Klägers aus Kapitalvermögen abweichend von der Steuererklärung nur 25 380 DM Schuldzinsen als Werbungskosten ab. Die übrigen Schuldzinsen von 38 068 DM sah das FA als nichtabzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften an. Die Aufteilung beruhte auf einer Schätzung. Diese ging von einem bereits bei der Veranlagung 1967 angewendeten Aufteilungsschlüssel aus, wonach 40 v. H. der Schuldzinsen den Einkünften aus Kapitalvermögen und 60 v. H. den Einkünften aus Spekulationsgeschäften zugerechnet waren.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage - mit der der Kläger den Abzug aller Schuldzinsen teils als Werbungskosten, teils als Sonderausgaben begehrt - gab das FG teilweise statt. Es führte in seiner - in den EFG 1973, 161, veröffentlichten - Entscheidung im wesentlichen aus:

Es folge der Auffassung des Niedersächsischen FG (Urteil vom 15. Oktober 1970 II 201/69, EFG 1971, 227), wonach Zinsen für Kredite zum Erwerb von ertraglosen Wertpapieren, die innerhalb der Spekulationsfrist weiterveräußert werden, Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften und deshalb bei der Veranlagung des Klägers nicht zu berücksichtigen seien. Zinsen für Kredite zum Erwerb von ertragbringenden Wertpapieren seien dagegen in Höhe der Erträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig. Entgegen der allgemeinen Auffassung seien diese Werbungskosten vor eventuellen weiteren Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften abzuziehen. Der Zufluß der Einkünfte aus Kapitalvermögen liege zeitlich früher; auch sprächen wirtschaftliche Erwägungen gegen den Vorwegabzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften. Im übrigen folgte das FG dem Urteil des BFH vom 27. November 1964 VI 26/62 S (BFHE 81, 452, BStBl III 1965, 164). Es schätzte die danach als Sonderausgaben abzugsfähigen Schuldzinsen auf 5 000 DM; die restlichen Schuldzinsen verteilte es - nach einem Sicherheitsabschlag von 4/75 - auf die Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften im Verhältnis der Anschaffungswerte der vom Kläger mit Kredit erworbenen, aber ertraglosen und innerhalb der Spekulationsfrist weiterveräußerten Wertpapiere (34/75) zu den Gesamtanschaffungskosten aller Wertpapiere.

Mit seiner Revision rügt der Kläger, mit der Anschlußrevision das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 20, § 23 Abs. 1 EStG). Der Kläger ist der Ansicht, die Schuldzinsen seien gemäß dem BFH-Urteil VI 26/62 S Werbungskosten in Höhe der Gesamteinkünfte aus Kapitalvermögen; im übrigen seien sie Sonderausgaben. Darüber hinaus macht er erstmals in der Revisionsinstanz weitere Schuldzinsen als Sonderausgaben geltend.

Er beantragt,

1. die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben,

2. die Anschlußrevision zurückzuweisen.

Das FA beantragt,

1. die Revision zurückzuweisen,

2. mit der Anschlußrevision: die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1969 unter Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten in Höhe von 33 882 DM, Depotgebühren in Höhe von 235 DM und von Schuldzinsen als Sonderausgaben in Höhe von 774 DM neu festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Auf die Anschlußrevision des FA werden die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Die Einkommensteuer wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 9. Juni 1971 auf 7 093 DM festgesetzt. Im übrigen wird die Anschlußrevision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Schuldzinsen sind als Werbungskosten teils den Einkünften aus Kapitalvermögen und teils den sonstigen Einkünften zuzuordnen; teilweise sind sie als Sonderausgaben abzugsfähig.

1. Schuldzinsen als Werbungskosten

Schuldzisen für Kredite, mit denen Aktien gekauft und Erträge erzielt werden, sind - in Höhe dieser Erträge - als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Darüber hinaus dienen sie als Aufwendungen zum Erwerb der Einkunftsquelle der Vermögensanlage oder als Aufwendungen in Erwartung von Wertsteigerungen dieser Einkunftsquelle der Erzielung von Einkünften, die im Privatvermögen - mit Ausnahme der in den §§ 17 und 23 EStG geregelten Steuertatbestände - nicht steuerbar sind; in diesen Fällen kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten nicht in Betracht (BFH-Urteile vom 21. April 1961 VI 158/59 U, BFHE 73, 449, BStBl III 1961, 431; VI 26/62 S). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Sie beruht auf einer zwar vereinfachenden, aber sachangemessenen Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, die - entsprechend dem System des Einkommensteuerrechts - der doppelten wirtschaftlichen Zwecksetzung des Wertpapiererwerbs Rechnung tragen will. Sie führt - wegen der uneingeschränkten Möglichkeit des Abzugs der restlichen Schuldzinsen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG - zur vollen Berücksichtigung der gezahlten Kreditzinsen. Der Senat sieht deshalb keinen Anlaß zur Änderung dieser Rechtsprechung.

An dieser Differenzierung ist auch für den Fall festzuhalten, daß die angeschafften Wertpapiere innerhalb von sechs Monaten weiterveräußert werden. Hier können sowohl Einkünfte aus Kapitalvermögen als auch sonstige Einkünfte i. S. von § 23 EStG anfallen. Die für ein Anschaffungsdarlehen gezahlten Zinsen können deshalb mit den einen oder den anderen Einkünften oder beiden im Zusammenhang stehen (BFH-Entscheidungen VI 158/59 U und vom 29. November 1968 VI R 41/67, BFHE 94, 578, BStBl II 1969, 259, zu § 17 EStG). Die Besteuerung der Wertsteigerungen der Wertpapiere als Spekulationsgewinne nach § 23 EStG hat auf die Zuordnung der während der Spekulationsfrist erzielten Dividenden und sonstigen Vorteile zu den Einkünften aus Kapitalvermögen keinen Einfluß. Während der Besitzdauer sind diese Wertpapiere Einkunftsquellen wie andere Kapitalanlagen; die Besteuerung aus § 23 EStG erfaßt nur den Veräußerungsgewinn, nicht den laufenden Ertrag (sowohl auch BFH-Urteil vom 19. Februar 1965 VI 291/64 U, BFHE 81, 536, BStBl III 1965, 194). Entsprechend dieser Unterscheidung ist nur ein Teil der Werbungskosten abzugsfähig:

a) Kapitalvermögen i. S. des § 20 EStG ist nicht die - einheitlich zu beurteilende - Gesamtheit der Kapitalanlagen, sondern die Summe der jeweils - gesondert zu beurteilenden - einzelnen Anlagegegenstände als Einkunftsquellen (z. B. Urteil des RFH vom 7. Februar 1929 I A 377/28, RStBl 1929, 193; Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs vom 26. März 1947 IV 1/47 S, Steuer und Wirtschaft 1947 Teil II Nr. 2, mit weiteren Nachweisen). Für jede dieser Quellen ist das Ergebnis getrennt von den anderen Quellen zu ermitteln. Es sind deshalb grundsätzlich auch die Schuldzinsen für jede einzelne Aktie danach zu beurteilen, ob und inwieweit der zur Anschaffung der Aktie aufgenommene Kredit der Ertragserzielung oder Kapitalanlage dient (BFH-Urteil vom 3. November 1961 VI 13/61 U, BFHE 74, 90, BStBl III 1962, 35). Das hat zur Folge, daß - bei einem Verlustausgleich innerhalb der Einkunftsart berücksichtigungsfähige - Verluste im Sinne eines Werbungskostenüberschusses bei der einzelnen Aktie nicht eintreten können. Denn die über den Ertrag dieser Aktie hinausgehenden Schuldzinsen dienen der Kapitalbildung und sind deshalb begrifflich keine Werbungskosten. Das schließt jedoch nicht aus, daß - bei wirtschaftlich gleicher Funktion - eine Gruppe von Wertpapieren als wirtschaftliche Einheit zusammengefaßt und nach einheitlichen Grundsätzen beurteilt werden kann. Auch dann, wenn sich im Einzelfall nicht mehr ermitteln läßt, welcher Schuldzinsenanteil auf die einzelnen Wertpapiere entfällt, können zum Zweck der notwendigen Schätzung (§ 217 AO) Wertpapiere zu Gruppen zusammengefaßt und Erträge und Schuldzinsen nach einem einheitlichen Durchschnittssatz bestimmt werden. Als solche Gruppen kommen - unter Berücksichtigung der in der Grundsatzentscheidung VI 26/62 S getroffenen Differenzierung - vor allem die ertragbringenden und die ertraglosen Aktien in Betracht. Demgemäß muß festgestellt werden, in welchem Verhältnis die Schuldzinsen auf ertragbringende und ertraglose Wertpapiere entfallen (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 I R 148/71, BFHE 109, 25, BStBl II 1973, 509). Dieses Verhältnis ist - mangels anderer Anhaltspunkte - anhand des Verhältnisses der Anschaffungskosten für beide Gruppen von Wertpapieren zu errechnen. Die so ermittelten Schuldzinsenanteile können - soweit sie auf die Gruppe der ertragbringenden Aktien entfallen - unbeschadet der tatsächlichen Erträge der einzelnen Aktien bis zur Höhe des Gesamtertrages der Gruppe ausgeglichen und abgezogen werden; die auf die Gruppe der ertraglosen Aktien entfallenden Schuldzinsen können nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

b) Eine weitere Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften ist nicht möglich. Zwar erweitert die Besteuerung der Wertsteigerungen der Wertpapiere als Spekulationsgewinne grundsätzlich auch die Möglichkeit des Abzugs von Aufwendungen als Werbungskosten (§ 23 Abs. 4 Satz 1 EStG). Darauf, ob mit den Wertpapieren Erträge erzielt werden oder nicht, kommt es insoweit nicht an. Die Abzugsfähigkeit dieser Werbungskosten ist jedoch auf den Ausgleich der positiven und negativen Ergebnisse innerhalb der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften beschränkt. Ein Verlustausgleich mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ist ausgeschlossen (§ 23 Abs. 4 Satz 3 EStG). Die entsprechend ihrem Anteil an den Gesamtanschaffungskosten zu ermittelnden Kreditkosten für Wertpapiere, die innerhalb von sechs Monaten wieder veräußert worden sind, wirken sich als Werbungskosten deshalb nur in Höhe eines eventuellen Spekulationsgewinns aus (so z. B. in dem in der BFH-Entscheidung VI 291/64 U entschiedenen Falle). Einen solchen hat der Kläger im Streitfall nicht erzielt.

2. Schuldzinsen als Sonderausgaben

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Schuldzinsen, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind, als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dies gilt nicht, wenn die Schuldzinsen mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben.

a) Diese Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs sind hinsichtlich der Wertpapiere, die nicht innerhalb von sechs Monaten weiterveräußert wurden, gegeben. Nach der Grundsatzentscheidung des BFH VI 26/62 S sind nur solche Schuldzinsen nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, "die mit Einkünften i. S. von § 2 Abs. 3 EStG zusammenhängen, die bei der Einkommensbesteuerung außer Betracht bleiben". Wertsteigerungen gehören nicht zu diesen Einkünften. Soweit deshalb bei Wertpapieren, die der Vermögensanlage dienen, Schuldzinsen nicht bereits als Werbungskosten zu berücksichtigen sind oder - wegen Ertraglosigkeit dieser Wertpapiere - der Abzug von Werbungskosten ganz entfällt, sind diese im vollen Umfang als Sonderausgaben abzugsfähig. Der für einen solchen Abzug in Betracht kommende Anteil an den gesamten Schuldzinsen ist ebenfalls nach dem Verhältnis des Anteils der der Vermögensanlage dienenden Wertpapiere an den Gesamtanschaffungskosten für alle im Streitjahr erworbenen Wertpapiere zu ermitteln. Für eine Schätzung der Sonderausgaben, wie sie das FG vorgenommen hat, ist deshalb kein Raum.

b) Ausgeschlossen ist der Abzug als Sonderausgaben für Schuldzinsen, die dem Erwerb von Wertpapieren dienten, die im Rahmen der Spekulationsfrist des § 23 EStG weiterveräußert werden. Denn diese Schuldzinsen sind Werbungskosten. Der BFH hat in seinem Grundsatzurteil VI 26/62 S den Abzug der Zinsen als Sonderausgaben zwar grundsätzlich zugelassen; er hat aber die Sonderfälle des § 17 und § 23 EStG hiervon ausdrücklich ausgenommen, denn diese könnten hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs nicht den "normalen" Fällen der Anschaffung von Wertpapieren gleichgestellt werden. Das ergibt sich für den Abzug von Schuldzinsen als Sonderausgaben bei Spekulationsgeschäften unmittelbar aus § 23 Abs. 4 EStG. Danach dürfen die im Rahmen solcher Geschäfte angefallenen Werbungskosten die Einkommensteuer nur bis zur Höhe der erzielten Spekulationsgewinne mindern. Dieses Verbot des Verlustausgleichs unterscheidet sich grundlegend von der fehlenden Möglichkeit eines Ausgleichs von Verlusten bei den einzelnen Wertpapieranlagen. Denn die unter dieses Verbot fallenden Schuldzinsen bleiben ihrer rechtlichen Natur nach Werbungskosten auch dann, wenn sie zu einem Verlust aus Spekulationsgeschäften führen oder einen solchen erhöhen. Denn Werbungskosten verlieren ihren Charakter nicht um des Willen, weil sie nicht oder nur teilweise abgezogen werden können (z. B. BFH-Urteil vom 31. Januar 1969 VI R 114/68, BFHE 94, 531, BStBl II 1969, 294, betreffend den Schuldzinsenabzug nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus, vgl. auch Bericht der Einkommensteuerkommission, Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen, Heft 7 S. 145). Liegen aber dem Wesen nach Werbungskosten vor, ist § 10 EStG nicht anwendbar. Diesem Ergebnis steht das Urteil VI 291/64 U nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der BFH zwar - ohne nähere Begründung - eine Reihenfolge der Prüfung des Abzuges von Schuldzinsen bei Spekulationsgeschäften vorgeschlagen, die das Schrifttum (vgl. z. B. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 10 EStG, Anm. 6, § 23 EStG Anm. 17; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., § 9 EStG Randnr. 40; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. 1970, § 10, S. 1375 ff.) und die Verwaltung (Abschn. 87 Abs. 1 und 153 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1969) übernommen haben und nach der die Schuldzinsen zunächst als Werbungskosten bei den Einkünften des § 23 EStG, die restlichen Schuldzinsen bis zur Höhe der Kapitalerträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und die dann noch verbleibenden Schuldzinsen als Sonderausgaben abzuziehen sind. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt führten jedoch die bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften zu berücksichtigenden Werbungskosten nicht zu Verlusten bei dieser Einkunftsart.

3. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt folgendes:

a) Der Kläger hat im Streitjahr für insgesamt 7 500 000 DM Wertpapiere erworben. Davon haben nach den Feststellungen des FG Wertpapiere mit den Anschaffungskosten von rund 4 Millionen DM Erträge von 53 816 DM abgeworfen. Aktien mit Anschaffungskosten von rund 3 500 000 DM blieben dividendenlos. Danach sind rund 46,6 v. H. des Kredits den ertraglosen Aktien zuzuordnen, rund 53,4 v. H. des Kredits entfallen auf ertragbringende Wertpapiere. Als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind deshalb rund 53,4 v. H. des Gesamtkreditzinses von 63 448 DM, das sind rund 33 882 DM, abzuziehen. Auf die Erträge von 53 816 DM bezogen sind das rund 63 v. H.

b) Der Kläger hat Wertpapiere mit Anschaffungskosten von insgesamt 7 155 000 DM zu Spekulationszwecken und nur den Rest mit Anschaffungskosten von 345 000 DM zu Anlagezwecken erworben. Das entspricht 4,6 v. H. und damit einem Schuldzinsenanteil von rund 2 919 DM. Davon können sich jedoch nur die auf den Anteil der ertraglosen Wertpapiere entfallenden Schuldzinsen einkommensmindernd auswirken. Wie sich aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt ergibt, setzt sich die Gruppe der ertragbringenden Wertpapiere aus Aktien im Anschaffungswert von rund 180 000 DM und festverzinslichen Wertpapieren im Anschaffungswert von rund 65 000 DM zusammen; das entspricht einem Schuldzinsenanteil von rund 1 523 DM und 550 DM. Diesem stehen Erträge von 8 760 DM und 4 234 DM gegenüber. Der genannte Schuldzinsenanteil ist deshalb in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig. Als Sonderausgaben verbleiben nur noch 1,33 v. H. der gesamten Schuldzinsen entsprechend den Anschaffungskosten (100 000 DM) der dividendenlosen Aktien. Der auf den Eigenkapitalanteil von rund 7 v. H. der Gesamtanschaffungskosten entfallende - und bei der Schätzung grundsätzlich mitzuberucksichtigende - Ertragsanteil wirkt sich in beiden Fällen nicht aus.

4. Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers sind - neben den im Streitjahr gezahlten Depotgebühren (235 DM) - deshalb Werbungskosten in Höhe von 33 882 DM und Sonderausgaben in Höhe von 1,33 v. H. aus 63 448 DM = 846 DM zu berücksichtigen. Die vom Kläger erstmals in der Revisionsinstanz als Sonderausgaben geltend gemachten weiteren Schuldzinsen können wegen der Bindung des Revisionsgerichts an den vom FG festgestellten Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht mehr berücksichtigt werden.

5. Berechnung der Einkommensteuer

Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Verlust) ./. 31 854 DM

Einkünfte aus selbständiger Arbeit 50 127 DM

Einkünfte aus Kapitalvermögen:

Einnahmen 54 130 DM

./. Werbungskosten:

Kreditzinsen 33 882 DM

Depotgebühren 235 DM 34 117 DM

Überschuß 20 013 DM 20 013 DM

Einkünfte aus Spekulationsgeschäften 0 DM

Gesamtbetrag der Einkünfte 38 286 DM

./. Freibetrag für freie Berufe 1 200 DM

./. Sonderausgaben:

Kreditzinsen 846 DM

abzugsfähige Versicherungs-

und Bausparkassenbeiträge 3 284 DM

Sonderausgaben insgesamt 4 130 DM

Einkommen 32 956 DM

./. außergewöhnliche Belastungen 1 200 DM

./. besonderer Freibetrag 840 DM

zu versteuernder Einkommensbetrag 30 916 DM

Einkommensteuer (Grundtabelle) 8 590 DM

Den Berliner Einnahmen aus Kapitalvermögen (760 DM)

waren rund 63 v. H. (vgl. oben 3a letzter Satz) Werbungskosten

(= 479 DM) zuzuordnen.

./. Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin:

30 x 18 500 x 8 590 = 1 248 DM

100 x 38 200

Einkommensteuer nach Berlinermäßigung 7 342 DM

./. anzurechnende ausländische Steuer 249 DM

Einkommensteuerschuld 1969 7 093 DM

6. Die Kostenentscheidung folgt

a) für das Revisionsverfahren aus § 135 Abs. 2 und § 135 Abs. 1 i. V. m. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO,

b) für die Klage- und Einspruchsverfahren aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71292

BStBl II 1975, 331

BFHE 1975, 229

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