Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Sind Eheleute nach § 26 EStG a. F. zusammen veranlagt worden und sind sie nunmehr nach §§ 26 n. F., 26 a EStG getrennt zu veranlagen, so ist das Feststellungsverfahren im Sinne des § 214 AO durchzuführen, wenn eine gemeinschaftliche Beteiligung der Ehegatten an Einkünften der in § 215 Abs. 2 AO genannten Art geltend gemacht wird. Das Veranlagungsverfahren bzw. das den Zusammenveranlagungsbescheid betreffende Rechtsmittelverfahren ist bis zur Durchführung des Feststellungsverfahrens auszusetzen.

 

Normenkette

EStG §§ 26, 26a; AO §§ 215-216

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits sind die Einkommensteuerveranlagungen 1952 und 1954. Der Beschwerdegegner (Bg.) ist für diese Veranlagungszeiträume zur Einkommensteuer nach § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alter Fassung mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt worden. Den Steuerfestsetzungen liegen gewerbliche Gewinne in Höhe von 36.141 DM bzw. von 40.223 DM zugrunde. Die Einkommensteuer beträgt für beide Veranlagungszeiträume insgesamt 19.430 DM. Die Höhe der gewerblichen Gewinne ist bestritten. Der Einspruch des Bg. blieb für 1952 in vollem Umfange und für 1954 im wesentlichen ohne Erfolg.

In der Berufungsinstanz wies der Bg. darauf hin, daß ein Antrag auf Zusammenveranlagung nach § 26 e EStG nicht gestellt werde. Er beantragte, die gewerblichen Einkünfte im Zuge der nach den §§ 26 neuer Fassung, 26 a EStG durchzuführenden getrennten Veranlagung im Hinblick auf ein zwischen den Eheleuten bestehendes Gesellschaftsverhältnis nach Massgabe seines Schriftsatzes vom 30. November 1957 aufzuteilen. Der Bg. lebt in zweiter Ehe seit dem 5. April 1954. Seine erste Ehefrau ist am 23. Februar 1953 verstorben.

Die Vorinstanz hob die Einspruchsentscheidung auf. Dieser Entscheidung liegt die Auffassung zugrunde, daß "zunächst" die getrennte Veranlagung vom Finanzamt durchzuführen sei und daß die Vorinstanz demgemäß weder zur eigentlichen Streitfrage über die Höhe des Gewinnes noch zu dem vom Bg. behaupteten Gesellschaftsverhältnis Stellung nehmen könne.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beanstandet der Vorsteher des Finanzamts dieses Verfahren. Er ist der Meinung, daß die getrennte Veranlagung von der Vorinstanz durchzuführen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Rechtsauffassung des Vorstehers des Finanzamts ist zutreffend. Sie entspricht den Grundsätzen der Entscheidung des erkennenden Senats IV 27/58 U vom 11. März 1958 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1958 III S. 212), auf die Bezug genommen wird. Danach hat das Finanzgericht die von dem Bg. gewünschte getrennte Veranlagung in eigener Zuständigkeit durchzuführen.

Die Sache geht deshalb zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Diese wird bei ihrer Entscheidung im Hinblick auf das von dem Bg. behauptete Gesellschaftsverhältnis zwischen den Eheleuten folgendes zu beachten haben: Bei behaupteter Mitunternehmergemeinschaft sind grundsätzlich - abweichend von der Regel des § 213 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) - aus Gründen der Einheitlichkeit, d. h. zur Vermeidung einer unterschiedlichen Gewinnermittlung durch die gegebenenfalls verschiedenen Wohnsitzfinanzämter der einzelnen Mitunternehmer, die erforderlichen Feststellungen zur Gewinnhöhe, Gewinnbeteiligung usw. nach § 215 AO gesondert von dem gemäß § 72 AO zuständigen Betriebsfinanzamt zu treffen. Dieses Amt hat also zunächst über die Frage, ob eine Mitunternehmergemeinschaft (ß 15 EStG) anzuerkennen ist, und dann bejahendenfalls über die Höhe des Gewinnes und seine Verteilung zu entscheiden. Es handelt sich dabei um eine für die Durchführung der Einzelveranlagungen grundsätzlich unabdingbare Verfahrensvoraussetzung. Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung nur bei den nach § 26 EStG alter Fassung zusammen zu veranlagenden Ehegatten anerkannt, weil hier eine unterschiedliche Gewinnermittlung infolge der Zusammenveranlagung ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 640/29 vom 13. November 1930, Reichssteuerblatt 1931 S. 109). Da die angefochtenen Einkommensteuerbescheide nach dieser Rechtsprechung ohne vorherige gesonderte Gewinnfeststellung ergehen konnten und die nunmehr durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848 = BStBl 1957 I S. 352) entstandene Rechtslage erst im Laufe des Verfahrens über die Berufung eingetreten ist, kommt eine Aufhebung der Einkommensteuerbescheide nicht in Betracht. Es fragt sich vielmehr nur, ob die Vorinstanz in entsprechender Anwendung des § 264 AO ihr Verfahren bis zur Erledigung eines nach § 215 AO noch durchzuführenden Feststellungsverfahrens auszusetzen hat oder ob es aus Gründen verfahrensmäßiger Zweckmäßigkeit vertretbar erscheint, daß sie die in einem solchen Verfahren zu treffenden Feststellungen schon in dem hier anhängigen Verfahren selbst trifft. Der Senat ist bei der nunmehr gegebenen Sachlage der Auffassung, daß es dem Sinn der steuerlichen Grundordnung entspricht, das Verfahren nach § 215 AO durchzuführen bzw. nachzuholen. Auf diese Weise wird allein sichergestellt, daß die nach dem Gesetz zuständigen Instanzen in dem dafür vorgesehenen Verfahren entscheiden, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn nach der Geschäftsverteilung der Steuergerichte die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Gewinnfeststellung und die Einzelveranlagungen innerhalb des Gerichts aufgeteilt ist.

Die Vorinstanz wird nunmehr im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu verfahren haben. Wird im Verfahren nach § 215 AO ein Gesellschaftsverhältnis zwischen den Eheleuten verneint, so wird auf die weiterbestehende Möglichkeit hinzuweisen sein, an Stelle der getrennten Veranlagung die Zusammenveranlagung zu wählen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409124

BStBl III 1958, 364

BFHE 1959, 237

BFHE 67, 237

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