Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Entschädigung, die ein Omnibusunternehmer dafür erhält, daß er unter dem Druck wirtschaftlicher Verhältnisse den Betrieb von Omnibuslinien aufgibt, unter liegt dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1, 2 Ziff. 2, § 24 Ziff. 1b EStG.

Für eine Entschädigung, durch die eine zeitlich unbefristete Verpflichtung, keinen Wettbewerb zu bereiten, abgegolten wird, kann der Empfänger keinen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden.

 

Normenkette

EStG § 24/1/b, § 34 Abs. 1, 2 Ziff. 2, §§ 5, 16

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Entschädigung für die Aufgabe einer Omnibuslinie dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG unterliegt und ob diese Entschädigung in der Bilanz durch einen Passivposten auf mehrere Jahre zu verteilen ist.

Der Bf. betreibt ein Omnibusunternehmen. Durch Vertrag vom 11. Juli 1956 / 1. September 1956 verpflichtete er sich gegenüber der Deutschen Bundespost, die ihm vom Regierungspräsidenten genehmigten Omnibuslinien aufzugeben und das Recht zum Weiterbetrieb dieser Linien an die Deutsche Bundespost zu übertragen. Er verpflichtete sich ferner, der Deutschen Bundespost auf diesen Strecken keinen Wettbewerb zu bereiten und bei der Genehmigungsbehörde keinen Antrag mehr auf Einrichtung eines Linienverkehrs zu stellen, der die Interessen von im Betrieb befindlichen Kraftposten berührt.

Als Gegenleistung verpflichtete sich die Deutsche Bundespost, dem Bf. eine Entschädigung in Höhe von 60 000 DM zu zahlen und zwei Kraftomnibusse des Bf. auf die Dauer eines Jahres, zwei weitere Kraftomnibusse des Bf. auf die Dauer von zwei Jahren anzumieten.

Der Bf. behandelte die Zahlung von 60 000 DM als Betriebseinnahme des Jahres 1956, ohne eine passive Rechnungsabgrenzung vorzunehmen.

Er begehrte für die Einnahme von 60 000 DM die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG.

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht vertrat den Standpunkt, die Aufgabe der Omnibuslinien stelle keine Betriebsveräußerung im Sinne von § 34 Abs. 2 Ziff. 1, § 16 EStG dar. Der von der Deutschen Bundespost gezahlte Betrag von 60 000 DM sei aber auch keine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG, da der Bf. die Regelung mit der Deutschen Bundespost nicht gegen seinen Willen getroffen habe.

Mit der Rb. werden die Verletzung sachlichen Rechts und Verfahrensmängel gerügt.

Der Bf. weist darauf hin, daß er bei wirtschaftlicher Betrachtung gezwungen gewesen sei, den Vertrag mit der Deutschen Bundespost zu schließen. Denn der Betrieb der beiden Linien durch ihn und durch die Deutsche Bundespost wäre unrentabel gewesen. Der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 und 2 Ziff. 2 EStG (Entschädigungen) könne ihm daher nicht versagt werden.

Der Bf. beruft sich ferner darauf, daß sein Steuerbevollmächtigter vor Abschluß des Vertrages vom 11. Juli 1956 / 1. September 1956 beim Finanzamt telefonisch angefragt habe, ob der Ertrag aus dem Verkauf der Konzession ohne gleichzeitigen Verkauf der Fahrzeuge nach § 34 EStG steuerbegünstigt sei, und daß ihm der Sachgebietsleiter damals eine positive Auskunft gegeben habe. Das Finanzgericht hätte daher den Sachgebietsleiter des Finanzamts und den Steuerbevollmächtigten vernehmen müssen.

Schließlich vertritt der Bf. - erstmalig im Rechtsbeschwerdeverfahren - die Auffassung, nach zwingenden handelsrechtlichen und damit auch steuerrechtlichen Vorschriften sei in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1956 ein Passivposten in Höhe von 4/5 auf 60 000 DM zu bilden gewesen, um so die Entschädigung von 60 000 DM auf die Laufzeit der vom Regierungspräsidenten erteilten Konzession, also auf fünf Jahre, zu verteilen. Für die auf die einzelnen Jahre entfallenden Beträge sei dann die Steuervergünstigung nach § 34 EStG zu gewähren.

In seiner Stellungnahme vom 29. März 1963 bestreitet das Finanzamt, irgendwelche verbindliche Zusagen über die Steuervergünstigung nach § 34 EStG erteilt zu haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet, soweit sie die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 EStG erstrebt.

Die Leistungen des Bf. auf Grund des Vertrages vom 11. Juli 1956 / 1. September 1956 können zwar, wie das Finanzgericht zutreffend festgestellt hat, nicht als Veräußerung des Betriebes oder eines Teilbetriebes (ß 34 Abs. 2 Ziff. 1, § 16 EStG) angesehen werden.

Der Betrag von 60 000 DM, den der Bf. als Gegenleistung erhalten hat, stellt aber eine Entschädigung dar, die für die Aufgabe einer Tätigkeit gewährt wurde (ß 34 Abs. 2 Ziff. 2, § 24 Ziff. 1b EStG).

Unstreitig zählt der Betrag von 60 000 DM zu den gewerblichen Einnahmen des Bf. (ß 2 Abs. 3 Ziff. 2 EStG). Entgegen der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ist § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG auf alle Entschädigungen im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG anzuwenden, gleichgültig, im Rahmen welcher Einkunftsart des § 2 Abs. 3 EStG sie angefallen sind (Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 223/58 S vom 17. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 72, Slg. Bd. 70 S. 195).

Die Entschädigung muß unmittelbar durch den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen bedingt sein, sie darf nicht auf anderen Umständen beruhen und muß an die Stelle von einkommensteuerpflichtigen Einkünften treten, sie muß einen Schaden ausgleichen, der entstünde, wenn die Einnahmen, mit denen zu rechnen war, ersatzlos wegfielen (Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 260/52 U vom 11. Dezember 1952, BStBl 1953 III S. 57, Slg. Bd. 57 S. 144).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Der Kern der Verpflichtung des Bf. nach dem Vertrag vom 11. Juli 1956 / 1. September 1956 besteht darin, daß der Bf. seine bisherige gewerbliche Tätigkeit auf den beiden im Vertrag bezeichneten Strecken aufgegeben hat und der Deutschen Bundespost auf diesen Strecken künftig keinen Wettbewerb mehr bereiten darf. Dadurch fielen seine künftigen Einnahmen aus dem Betrieb dieser beiden Linien weg. Zum Ausgleich dafür erhielt der Bf. den im Vertrag als "Entschädigung" bezeichneten Betrag von 60 000 DM.

Die Tatbestandsmerkmale des § 24 Ziff. 1b EStG sind damit erfüllt.

Der Bundesfinanzhof hat zwar in dem Urteil vom 17. Dezember 1959 (a. a. O.) beiläufig bemerkt, Entschädigungen rührten in der Regel aus einer ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetretenen Sachlage her. Damit sollten aber keine Voraussetzungen für die Annahme einer Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG aufgestellt werden.

Der Bundesfinanzhof hat ferner in dem Urteil VI 255/59 U vom 13. April 1962 (BStBl 1962 III S. 306, Slg. Bd. 75 S. 100) ausgeführt, die Entschädigung solle einen Schaden ausgleichen, den der Steuerpflichtige durch den Wegfall künftiger Einnahmen erleide, der Begriff "Schaden" setze aber voraus, daß die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen durch den Fortfall der Einnahmequelle oder in anderer Weise gegen seinen Willen verschlechtert werde. Ein Schaden liege daher nicht vor, wenn der Steuerpflichtige "aus freien Stücken" ein Arbeitsverhältnis kündige, um sich eine bessere Einnahmequelle zu erschließen oder eine genehmere Tätigkeit auszuüben.

Die Bemerkungen in diesem Urteil über die Unfreiwilligkeit des Schadens dürfen nach Auffassung des Senats nicht von dem damals zu entscheidenden Sachverhalt gelöst und verallgemeinert werden.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich im Sachverhalt von dem Fall, der der Entscheidung vom 13. April 1962 (a. a. O.) zugrunde lag. Der Bf. hat nicht "aus freien Stücken" eine Tätigkeit aufgegeben, um sich eine bessere Einnahmequelle zu erschließen oder eine ihm genehmere Tätigkeit auszuüben. Er handelte vielmehr unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse. Sein Entschluß, die beiden Omnibuslinien zugunsten der Deutschen Bundespost aufzugeben, beruhte auf der Einsicht, daß der Betrieb dieser Linien durch ihn neben der Deutschen Bundespost unrentabel sein würde. Die Deutsche Bundespost hat in ihrem Schreiben vom 8. September 1961 bestätigt, daß die Verhandlungen zwischen ihr und dem Bf., die zu dem Vertrag vom 11. Juli 1956 / 1. September 1956 geführt haben, aus der damaligen Wettbewerbslage heraus in Gang gekommen sind.

Bei dieser Sachlage kann nicht in Abrede gestellt werden, daß der Betrag von 60 000 DM eine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1b EStG darstellt.

Da es sich um eine einmalige Zahlung handelt, durch die die Aufgabe einer Tätigkeit für die künftigen Jahre abgegolten werden sollte und die daher das Merkmal der Außerordentlichkeit trägt, darf dem Bf. der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG nicht versagt werden.

Nach dieser rechtlichen Beurteilung erübrigt es sich, näher auf das Vorbringen des Bf. über die angebliche Auskunft des Finanzamts einzugehen.

Soweit die Rb. verlangt, daß die Bilanz des Bf. für das Jahr 1956 durch Einsetzen eines Passivpostens in Höhe von 4/5 aus 60 000 DM berichtigt wird, kann sie keinen Erfolg haben.

Der Sache nach würde es sich bei einer derartigen Passivierung um einen Posten der Rechnungsabgrenzung handeln (ß 131 Abs. 1 B VI des Aktiengesetzes). Diese setzt handelsrechtlich - und damit auch steuerrechtlich (ß 5 EStG) - voraus, daß es sich um Einnahmen oder Ausgaben handelt, die Aufwand oder Ertrag eines bestimmten späteren Wirtschaftsjahres darstellen, wie es z. B. bei Miet- und Pachtzinsen, Darlehnszinsen, Versicherungsprämien und dergleichen der Fall sein kann.

An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Die Entschädigung von 60 000 DM kann nicht als Ertrag bestimmter künftiger Jahre angesehen werden. Sie war ein Teil der Gegenleistung für die Verpflichtungen, die der Bf. durch den Vertrag vom 11. Juli 1956 / 1. September 1956 übernahm. Deren Kern bestand darin, daß der Bf. der Post in Zukunft - ohne zeitliche Begrenzung - auf den beiden Linien keinen Wettbewerb bereiten durfte. Die Aufgabe der Konzession durch den Bf. war nur eine notwendige Folge, die sich als Nebenpflicht aus der Einhaltung des Wettbewerbsverbots ergab. Die zeitliche Dauer der Konzession des Bf. ist daher kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Rechnungsabgrenzung, zumal bekannt ist, daß derartige Konzessionen auf Antrag verlängert zu werden pflegen.

Die Bilanz des Bf. für 1956, in der für die Einnahme von 60 000 DM kein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet wurde, verstößt somit nicht gegen handelsrechtliche oder steuerrechtliche Vorschriften. Der Bf. kann daher nicht verlangen, daß diese Bilanz berichtigt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411675

BStBl III 1965, 480

BFHE 1965, 645

BFHE 82, 645

DB 1965, 1236

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