Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anerkennung einer Organschaft bei der Gewerbesteuer ist Voraussetzung, daß der Organträger selbst und unmittelbar an dem Organ beteiligt ist.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2, § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Am Stammkapital (200.000 DM) der steuerpflichtigen GmbH (Revisionsbeklagte, Steuerpflichtige, - Stpfl. - war die Firma B- GmbH bis 27. Dezember 1960 mit 150.000 DM (= 75 %) beteiligt; ab 28. Dezember 1960 beträgt die Beteiligung nur mehr 120.000 DM (60 %). Die Anteile an der B-GmbH befinden sich zu 100 % in Händen der Firma A- AG.

Die Stpfl. machte gewerbesteuerlich ein Organschaftsverhältnis zur A- AG geltend.

In dem Gewerbesteuerbescheid für 1960 wurde die Stpfl. unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) I 62/59 S vom 25. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 69, Slg. Bd. 72 S. 185) selbständig zur Gewerbesteuer veranlagt, weil nach Ansicht des Revisionsklägers (des Finanzamts, - FA -) mangels einer finanziellen Eingliederung eine Organschaft nicht gegeben war.

Dem Gewerbeertrag wurden gemäß § 8 Ziff. 1 GewStG Dauerschuldzinsen in Höhe von 11.590 DM und dem Gewerbekapital gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG die entsprechenden Dauerschulden in Höhe von 180.000 DM hinzugerechnet. Bei diesen Hinzurechnungen handelt es sich um Verbindlichkeiten gegenüber der A- AG, die bei Vorliegen einer Organschaft nicht hinzuzurechnen wären.

Mit dem Einspruch wendet sich die Stpfl. gegen die übertragung der im Urteil des Senats I 62/59 S vom 25. Oktober 1960, a. a. O., zur körperschaftsteuerlichen Organschaft ausgesprochenen Grundsätzen auf die Gewerbesteuer. Die gewerbesteuerliche Organschaft könne nicht mit der des Körperschaftsteuerrechts verglichen werden, weil diese gesetzlich nicht geregelt sei. Dagegen bestehe eine übereinstimmung der gesetzlichen Vorschriften über die Organschaft des Umsatzsteuerrechtes mit denen des Gewerbesteuerrechtes. Da im Umsatzsteuerrecht für die finanzielle Eingliederung eine mittelbare Beteiligung ausreichend sei, müsse dies auch bei der Gewerbesteuer gelten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Berufung hat das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 232 veröffentlicht ist, stattgegeben und den Gewerbesteuermeßbescheid ersatzlos aufgehoben. Das FG begründet seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß hinsichtlich der Organschaft für die Gewerbesteuer durch § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG und § 3 GewStDV eine gesetzliche Regelung bestehe, während dies auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechtes nicht der Fall sei. Die Grundsätze der körperschaftsteuerlichen Organschaft seien vielmehr im Wege freier Rechtsschöpfung entwickelt worden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung habe deshalb auch die Voraussetzungen selbst regeln können, wie es hier durch das Erfordernis der unmittelbaren Beteiligung der Ober- an der Untergesellschaft geschehen sei. Demgegenüber komme es nach dem GewStG nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Ob die Beteiligung der Obergesellschaft rechtlich eine unmittelbare oder eine mittelbare sei, habe deshalb außer Betracht zu blieben.

Mit der Rb., die nach § 184 FGO als Revision zu behandeln ist, rügt der Vorsteher des FA unrichtige Rechtsanwendung. Wenn das FG glaube, dem Urteil des BFH I 62/59 S vom 25. Oktober 1960, a. a. O., nicht folgen zu können, so übersehe es, daß die Grundvoraussetzungen für die körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft die gleichen seien. Nach ständiger Rechtsprechung liege für die Körperschaftsteuer ein Organverhältnis vor, wenn eine Kapitalgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch einem gewerblichen Unternehmen derart eingegliedert sei, daß sie keinen eigenen Willen habe. Die gleichen Voraussetzungen verlange § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG in Verbindung mit § 3 GewStDV für die Organschaft bei der Gewerbesteuer.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG ein Unternehmen, das dem Willen eines anderen Unternehmens derart untergeordnet ist, daß es keinen eigenen Willen hat, als Betriebstätte des anderen Unternehmens gilt. Die Unterordnung im Willen richtet sich gemäß § 3 GewStDV nach der an Hand des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilenden finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung des Organs in die Obergesellschaft. Unstreitig liegt eine wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung vor. Dem FG kann aber nicht darin zugestimmt werden, daß auch eine finanzielle Beherrschung gegeben ist und das Gesamtbild die Annahme einer Organschaft rechtfertigt. Die Eingliederung des Organs muß auch auf finanziellem Gebiet bestehen; das kann aber nur bedeuten, daß der Organträger durch seine unmittelbare finanzielle Beteiligung einen Einfluß auf das Organ haben muß. Daß die A- AG durch Kredite zur Ausstattung mit Betriebsmitteln schon einen entscheidenden finanziellen Einfluß hat, der zur Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses führt, kann nicht anerkannt werden. Die Beteiligung am Grund- und Stammkapital ist für die Frage der finanziellen Eingliederung wesentlich.

Auch zur Anerkennung einer Organschaft bei der Gewerbesteuer muß der Organträger selbst und unmittelbar an dem Organ beteiligt sein. Für die Körperschaftsteuer hat der erkennende Senat dies im Urteil I 62/59 S vom 25. Oktober 1960, a. a. O., ausgesprochen. Gleiches gilt auch für die Gewerbesteuer.

Es trifft zwar zu, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Umsatzsteuer es als ausreichend angesehen hat, wenn der Organträger an der Organgesellschaft nur mittelbar in der Weise beteiligt ist, daß sich die Anteile am Organ im Privatvermögen der Gesellschaft befinden (Urteile des RFH V A 684/32 vom 27. Oktober 1933, Mrozek-Kartei, Umsatzsteuergesetz 1932, § 1 Nr. 1, Rechtsspruch 71; V 426/38 vom 12. Juli 1940, RStBl 1940 S. 910). Es trifft auch zu, daß § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG dem § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG nachgebildet worden ist. Gleichwohl kann den beiden Vorschriften nicht die gleiche Bedeutung für die unterschiedlichen Gesetze zukommen. Während der Organträger im Umsatzsteuerrecht seine Selbständigkeit verliert, ist die Filialtheorie im Gewerbesteuerrecht nicht in vollem Umfang durchgeführt. Die Tatsache des Bestehens einer Kapitalgesellschaft wird hier nicht beseitigt, wenn auch die Ergebnisse beider Gesellschaften zusammengerechnet werden. Beide Unternehmen bleiben aber selbständige Gesellschaften, die jede für sich eine Bilanz aufstellen, welche Wirkung für die Heranziehung zur Körperschaftsteuer und damit zur Gewerbesteuer besitzt (vgl. BFH-Urteile I 29/53 U vom 6. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 329, Slg. Bd. 58 S. 101; I 162/60 U vom 27. September 1960, BStBl 1960 III S. 471, Slg. Bd. 71 S. 594). § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG dient im wesentlichen dazu, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Gemeinden hinsichtlich der Gewerbesteuer herbeizuführen.

Können somit entscheidende Gemeinsamkeiten zwischen Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die vorliegende Frage nicht hergeleitet werden, so sind die Beziehungen zwischen Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer schon im Hinblick auf § 7 GewStG, wonach sich die Ertragsberechnung nach den körperschaftsteuerrechtlichen Gewinnermittlungsbestimmungen richtet, unverkennbar. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft sind darum im Gewerbesteuerrecht die gleichen wie im Körperschaftsteuerrecht, wo für die Körperschaftsteuerliche Auswirkung allerdings noch der Abschluß eines Ergebnisausschlußvertrags gefordert wird.

Die A- AG hat keine unmittelbare Beteiligung an der Stpfl. Die B-GmbH hatte ihrerseits die Anteile auch nicht treuhänderisch für die A- AG, weil keine Treuhandvereinbarung besteht. Die A- AG ist finanziell nicht an der Stpfl. beteiligt, so daß es an einer finanziellen Eingliederung vollkommen fehlt. Ob eine Hinzurechnung entfallen könnte, wenn die B-GmbH ihrerseits von der A- AG beherrscht würde und die B-GmbH Organträgerin der Stpfl. wäre, kann dahingestellt bleiben, da sich für eine solche Annahme weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag der Beteiligten etwas ergibt.

Auch wenn man mit § 3 GewStDV die Eingliederung nach dem Gesamtbild beurteilt, kann hier die Stpfl. als Organ nicht anerkannt werden. Eine Eingliederung kann sich aus dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ergeben, wenn sie bei einem der drei Merkmale nicht vollkommen, dafür bei den anderen Merkmalen um so eindeutiger ist (vgl. RFH-Urteil V 124/41 vom 26. November 1943, RStBl 1944 S. 6). Auch in einem solchen Falle muß eine Einordnung in jeder der drei Beziehungen zu einem gewissen Teil vorhanden sein: fehlt die finanzielle Eingliederung vollkommen, so reicht eine organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung nicht aus, um das Vorhandensein einer Organschaft zu rechtfertigen (vgl. auch BFH-Urteil V 184/61 U vom 23. April 1964, BStBl 1964 III S. 346, Slg. Bd. 79 S. 316).

Da kein Organschaftsverhältnis zwischen der A- AG und der Stpfl. besteht, sind die Zurechnung der Dauerschuldzinsen zum Gewinn und der Dauerschulden zum Einheitswert mit Recht erfolgt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412095

BStBl III 1966, 376

BFHE 1966, 88

BFHE 86, 88

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