Leitsatz (amtlich)

Besteht eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag und wird die Organgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewandelt, so unterliegt ein Umwandlungsgewinn, der beim herrschenden Unternehmen entsteht, insoweit nicht der Gewerbesteuer, als er aus aufgespeicherten Gewinnen der Organgesellschaft herrührt, die auf Grund der Organschaft bereits durch Zurechnung zum Gewerbeertrag des herrschenden Unternehmens versteuert wurden.

 

Normenkette

GewStG §§ 7, 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, stellt Kunststoffgegenstände her. Ihre Erzeugnisse wurden von der A-GmbH vertrieben, mit der die Klägerin durch eine gewerbesteuerrechtlich anerkannte Organschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag verbunden war. Die A-GmbH wurde auf den 1. Januar 1958 in eine OHG (A-OHG) umgewandelt. Die beiden Gesellschafter der Klägerin waren Gesellschafter der A-GmbH und wurden Gesellschafter der A-OHG. Ihre Anteile an der A-GmbH wurden auf Grund der Feststellungen einer Betriebsprüfung zum notwendigen Betriebsvermögen der Klägerin gerechnet.

Durch die Umwandlung der A-GmbH in die A-OHG entstand ein Umwandlungsgewinn nach folgender Berechnung:

Vermögen lt. Umwandlungsbilanz und

Eröffnungsbilanz der A-OHG 2 256 193,98 DM

Anschaffungskosten der GmbH-Anteile 30 184,00 DM

Gewerbesteuerrückstellung 130 937,00 DM

Umwandlungsgewinn 2 095 072,98 DM

Der Revisionskläger (das FA) zog diesen Umwandlungsgewinn nach § 7 GewStG, § 8 Abs. 2 UmwStG 1957 (BStBl I 1957, 468) zur Hälfte beim Gewerbeertrag der Klägerin zur Gewerbesteuer heran.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das FG hat den angefochtenen Gewerbesteuerbescheid 1958 in der Weise abgeändert, daß es den Umwandlungsgewinn nicht als Gewerbeertrag ansetzte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, die darauf gestützt wird, daß § 7 GewStG verletzt sei.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 121, 90 Abs. 2 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet. Die Organschaft, die zwischen der A-GmbH und der Klägerin bestand, hat zur Folge, daß der Umwandlungsgewinn bei der Klägerin nicht der Gewerbesteuer unterliegt (§§ 7, 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG).

Mit Recht hat das FG ausgeführt, die Besteuerung des Umwandlungsgewinns könne nicht auf § 8 Abs. 2 UmwStG 1957 gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist der durch die Umwandlung entstehende Gewinn im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1957 bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Gewerbesteuer nur zur Hälfte anzusetzen. Das setzt aber voraus, daß der Umwandlungsgewinn der Personengesellschaft überhaupt Teil ihres Gewerbeertrags ist (Urteil des BFH I 22/62 U vom 8. Januar 1963, BFH 76, 262, BStBl III 1963, 94). Ob das der Fall ist, richtet sich nach den Vorschriften des GewStG.

Gewerbeertrag ist nach § 7 der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in § 8 bis § 9 bezeichneten Beträge. Danach zählt im Falle der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft auch der Umwandlungsgewinn der Personengesellschaft, der bei der Ermittlung des Einkommens der Gesellschafter anzusetzen ist (§§ 4, 5 Abs. 1 UmwStG 1957), zum Gewerbeertrag der Personengesellschaft. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu prüfen, ob und in welcher Höhe nach diesen Vorschriften ein Umwandlungsgewinn entstanden ist und ob er der Klägerin ohne Rücksicht darauf zuzurechnen ist, daß es sich um eine errichtende Umwandlung handelte (§ 1 UmwStG 1957, § 16 UmwG, BStBl I 1957, 471; vgl. dazu § 9 Abs. 2 UmwStG 1969, BStBl I 1969, 498). Denn § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG schränkt § 7 GewStG dahin ein, daß der Umwandlungsgewinn nicht zum Gewerbeertrag der Klägerin in ihrer Eigenschaft als herrschendes Unternehmen in einer Organschaft zu rechnen ist, soweit er aus Gewinnen der Organgesellschaft stammt, die bereits der Gewerbesteuer unterworfen wurden.

Die Organschaft im Gewerbesteuerrecht hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Wirkung, daß die Gewerbeerträge der beiden verbundenen Unternehmen, die rechtlich selbständig und bilanzierungspflichtig bleiben, zur Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags des herrschenden Unternehmens zusammenzurechnen sind und daß die Gewerbeerträge der beiden Unternehmen nur einmal der Gewerbesteuer unterliegen (vgl. BFH-Urteile I 22/62 U, a. a. O.; I 338/60 U vom 23. März 1965, BFH 82, 559, BStBl III 1965, 449; I 198/65 vom 29. Mai 1968, BFH 93, 289, BStBl II 1968, 807; I R 21/67 vom 30. Juli 1969, BFH 96, 362, BStBl II 1969, 629). Das Verbot der doppelten Erfassung des Gewerbeertrags bedeutet, daß der Gewinn der Organgesellschaft nur durch Hinzurechnung zum einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag des herrschenden Unternehmens der Gewerbesteuer unterliegt. Wird er im Jahr seiner Entstehung an das herrschende Unternehmen offen oder verdeckt ausgeschüttet oder auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrags abgeführt, so erhöht er damit den eigenen Gewinn des herrschenden Unternehmens. Gleichwohl bezweifelt niemand, daß diese Gewinnerhöhung außer Ansatz bleibt. Das gleiche gilt aber, wie auch die Finanzverwaltung anerkennt, wenn der Gewinn im Jahr seiner Entstehung (während der Organschaft) nicht ausgeschüttet oder abgeführt, sondern in eine Rücklage eingestellt wird, und wenn diese Rücklage später an das herrschende Unternehmen ausgeschüttet wird. Auch diese Ausschüttung gehört nicht zum Gewerbeertrag des herrschenden Unternehmens, "weil der Grundsatz, daß bei der Zusammenrechnung der getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und des Organs doppelte Steuerbelastungen zu vermeiden sind, ... auch auf Gewinne anzuwenden ist, die das Organ in den Vorjahren während des Bestehens der Organschaft nicht ausgeschüttet hat" (Verfügung der OFD Düsseldorf vom 16. August 1963, DB 1963, 1236).

Der Gewinn der Organgesellschaft, der bereits durch Hinzurechnung zum einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag des herrschenden Unternehmens erfaßt worden ist, kann aber auch auf andere Weise beim herrschenden Unternehmen selbst bilanzrechtlich zur Entstehung eines Gewinns führen. So, wenn das herrschende Unternehmen die Anteile an der Organgesellschaft veräußert und dabei einen Gewinn erzielt, der ganz oder zum Teil darauf beruht, daß die Organgesellschaft aus den während der Organschaft erzielten Gewinnen Rücklagen gebildet hat. Dieser Teil des Veräußerungsgewinns unterliegt ebenfalls nicht der Gewerbesteuer (Urteil des RFH VI 210/41 vom 6. Mai 1942, RFH 51, 337, RStBl 1942, 858). Der BFH hat zwar durch Urteil I 162/60 U vom 27. September 1960 (BFH 71, 594, BStBl III 1960, 471) entschieden, der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an einer Organgesellschaft gehöre zum Gewerbeertrag des herrschenden Unternehmens. Er hat aber dabei auf das RFH-Urteil VI 210/41 (a. a. O.) Bezug genommen und damit zum Ausdruck gebracht, daß die Organschaft die Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns nicht schlechthin, sondern nur unter den Voraussetzungen, die das RFH-Urteil VI 210/41 (a. a. O.) aufgestellt hat, ausschließt. Das entnimmt der Senat auch der Anmerkung von Grieger zu diesem Urteil (BB 1960, 1196), der der Senat auch darin zustimmt, daß nur Rücklagen, die während des Bestehens der Organschaft aus versteuerten Gewinnen gebildet wurden, zur Kürzung des Veräußerungsgewinns führen.

Zu Unrecht meint das FA, das RFH-Urteil VI 210/41 (a. a. O.) beruhe auf einer Auslegung des Wesens der Organschaft, die durch die Rechtsprechung des BFH überholt sei. Richtig ist, daß der RFH in den Gründen seiner damaligen Entscheidung erklärt hat, aus den einzelnen Bilanzen der verbundenen Unternehmen müsse alles ausgeschieden werden, was sich nicht auswirken würde, wenn man beide Unternehmen als einen wirtschaftlichen Organismus ansähe. Wäre dieser Satz so zu verstehen, daß beide Gesellschaften für die Gewerbesteuer in jeder Beziehung als eine Einheit anzusehen seien, so wäre diese Ansicht mit der Rechtsprechung des BFH insofern nicht vereinbar, als der BFH stets die rechtliche Selbständigkeit der beiden Unternehmen hervorgehoben hat (BFH-Urteil I 198/65, a. a. O., mit weiteren Angaben). Zur Begründung der vom RFH getroffenen Entscheidung bedarf es aber nicht der Annahme der wirtschaftlichen Einheit der Organgesellschaft und des herrschenden Unternehmens. Die Gewerbesteuerfreiheit des Veräußerungsgewinns, soweit dieser auf bereits versteuerten Gewinnen der Organgesellschaft beruht, folgt aus der Hinzurechnung dieser Gewinne zum einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag des herrschenden Unternehmens nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG und aus dem damit verbundenen Verbot der doppelten gewerbesteuerrechtlichen Erfassung dieses Gewinns. Das erkennt nunmehr auch die Finanzverwaltung an (vgl. Schreiben des BMWF vom 30. Dezember 1971 betreffend die körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Organschaft, BStBl I 1972, 2, 12).

Der Gewinn der Organgesellschaft, der bereits durch Hinzurechnung zum einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag des herrschenden Unternehmens besteuert wurde, kann schließlich beim herrschenden Unternehmen auch dadurch als eigener Gewinn erscheinen, daß - wie im Streitfall - durch Umwandlung der Organgesellschaft in der Bilanz des herrschenden Unternehmens an die Stelle des Buchwerts der Anteile an der Organgesellschaft die höhere Summe der Werte der Wirtschaftsgüter der Organgesellschaft tritt (§§ 4, 5 UmwStG 1957). Das FG hat festgestellt, daß der Umwandlungsgewinn im Streitfall aus Gewinnen herrührt, die die A-GmbH aufgespeichert hat und die auf Grund der Organschaft bereits in den früheren Jahren bei der Klägerin der Gewerbesteuer unterworfen wurden. Der Umwandlungsgewinn darf daher ebensowenig noch einmal versteuert werden wie ausgeschüttete oder abgeführte Gewinne oder Veräußerungsgewinne, die aus bereits versteuerten Gewinnen der Organgesellschaft stammen.

Das RFH-Urteil I 242/41 vom 9. Dezember 1941 (RFH 51, 160, RStBl 1942, 335) und das BFH-Urteil I 29/53 U vom 6. Oktober 1953 (BFH 58, 101, BStBl III 1953, 329) stehen dieser Auffassung nicht entgegen. Der BFH hat in dem angeführten Urteil entschieden, der im Rahmen einer Umwandlung (Verschmelzung) infolge Erhöhung der Bilanzansätze entstehende körperschaftsteuerpflichtige Gewinn der aufgelösten Kapitalgesellschaft unterliege der Gewerbesteuer vom Ertrag auch dann, wenn zwischen der Kapitalgesellschaft und der aufnehmenden Personengesellschaft eine Organschaft bestand. Der damalige Fall unterscheidet sich vom Streitfall dadurch, daß er nicht den Umwandlungsgewinn des herrschenden Unternehmens, sondern den Umwandlungsgewinn der umgewandelten Kapitalgesellschaft betraf. Dieser entstand durch die Aufdeckung der stillen Reserven in der Umwandlungsbilanz der Organgesellschaft. Er unterlag daher noch nicht der Gewerbesteuer. Seiner Besteuerung durch Hinzurechnung zum Gewerbesteuermeßbetrag des herrschenden Unternehmens stand daher das Verbot der doppelten Erfassung nicht entgegen. Gleiches gilt - mit umgekehrten Vorzeichen - für das Verhältnis des Streitfalls zum Fall des RFH-Urteils I 242/41 (a. a. O.), der einen Umwandlungsverlust der umgewandelten Kapitalgesellschaft zum Gegenstand hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413121

BStBl II 1972, 358

BFHE 1972, 361

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