Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Tapetengeschäftes für Tapetenbücher können sofort in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten jedes Buches 600 DM nicht übersteigen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist in den Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellungen 1955 bis 1957, ob Aufwendungen für die Anfertigung von Tapetenmusterbüchern aktiviert werden müssen.

Die Bgin. betrieb einen Einzel- und Großhandel mit Tapeten. Alle zwei Jahre entstanden ihr größere Aufwendungen für die Anfertigung von Tapetenmusterbüchern. Sie wurden den Handwerkern kostenlos überlassen. Die Musterbücher blieben Eigentum der Bgin. Sie wurden jedoch in der Regel nicht zurückverlangt.

Die Bgin. setzte die Aufwendungen im Jahre der Anfertigung als Werbeaufwand bei der Gewinnermittlung ab. Nach einer Betriebsprüfung aktivierte sie der Betriebsprüfer und ließ eine Abschreibung in den zwei auf die Aktivierung folgenden Jahren zu, in denen die Musterbücher zum Verkauf der Kollektion beitrugen. Das Finanzamt folgte bei den berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungen dem Betriebsprüfer.

Die Sprungberufung der Bgin. hatte Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, die Bgin. dürfe die Kosten der Anfertigung der Musterbücher sofort in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen, da es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG handele.

Mit der Rb. wendet sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die sofortige Absetzung der Aufwendungen für die Herstellung der Tapetenmusterbücher nach § 6 Abs. 2 EStG. Außerdem weist er darauf hin, daß die Berechnung der Gewinne durch das Finanzgericht wegen eines Fehlers bei der Ermittlung der Gewerbesteuerrückstellungen unrichtig sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Finanzamt zur Neufestsetzung der Gewinne im Einspruchsverfahren.

Zutreffend hielt das Finanzgericht die Tapetenmusterbücher für geringwertige Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG. Die Bücher sind während des zweijährigen Kollektionszeitraums ein notwendiges Hilfsmittel für den Verkauf. Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen einem Musterbuch und einem Werbekatalog, so daß die Grundsätze der Rechtsprechung über die Aktivierung der Kosten für die Anfertigung von Werbekatalogen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 433/62 S vom 25. Oktober 1963, BStBl 1964 III S. 138, Slg. Bd. 78 S. 355) für die Beurteilung der Anfertigungskosten der Musterbücher nicht anwendbar sind. Der Werbekatalog ist ein Warenverzeichnis, in dem die angebotene Ware abgebildet, beschrieben und in ihrer Anwendung erläutert wird (Seyffert, Wirtschaftliche Werbelehre, 4. Auflage, S.66). Muster sind dagegen kleine Mengen der Ware selbst, die die Qualität der übrigen vorhandenen oder herzustellenden Waren kennzeichnen sollen (Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Band III Spalte 4055, Stichwort "Musterung"). Sie dienen nicht der Werbung. Sie können als nicht zur Veräußerung bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angesehen werden.

Die Musterbücher verlieren ihren Charakter als Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht dadurch, daß sie Dritten übergeben werden, um dort dem Zweck des Unternehmens zu dienen. Entscheidend ist, daß die Bücher unentgeltlich abgegeben und nicht im Rahmen des Betriebes veräußert werden. Die Bücher verbleiben im Betriebsvermögen der Bgin. Der Eigentumsvorbehalt hat für die Bgin. eine wirtschaftliche Bedeutung. Denn die Bgin. hat ein berechtigtes Interesse daran, daß der Empfänger der Musterbücher während der Kollektionsdauer nicht wie ein Eigentümer darüber verfügt. Die Finanzverwaltung hat in dem ähnlichen Falle der Musterkollektionen im Tuchhandel die Abschreibung der an Dritte übergebenen Kollektionen mit Recht als geringwertige Wirtschaftsgüter anerkannt (Oberfinanzdirektionen Köln und Düsseldorf, Rundverfügung vom 17. Februar 1955 S 2209 A, Der Betrieb 1955 S. 252).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411875

BStBl III 1966, 86

BFHE 84, 232

BB 1966, 234

DB 1966, 288

DStR 1966, 279

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