Leitsatz (amtlich)

1. Eine auf einem Grundstück installierte Regenwasser-Hebeleitung ist nicht Gebäudebestandteil; Aufwendungen zu ihrer Errichtung sind daher nicht als nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Gebäude im Sinne des § 19 Abs.1 Satz 3 Nr.2, Abs.2 Satz 4 BerlinFG zulagefähig.

2. Euro-Flachpaletten sind als geringwertige Wirtschaftsgüter von einer Investitionszulage gemäß § 19 Abs.2 Satz 3 BerlinFG ausgeschlossen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1-2; BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 4, 3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt in Berlin eine Fabrik. Im Streitjahr 1981 errichtete sie auf ihrem Grundstück eine "Regenwasser-Hebeleitung"; außerdem erwarb sie 155 Euro-Flachpaletten.

Die Regenwasser-Hebeleitung war erforderlich geworden, nachdem das Bezirksamt die Klägerin im Jahre 1980 aufgefordert hatte, zu verhindern, daß Wasser aus ihrem Regenwasser-Sammelbecken durch Versickern und Überschwemmungen auf das benachbarte Kleingartengelände gelange. Bis dahin wurde das gesamte auf das Grundstück der Klägerin niedergehende Regenwasser in dieses Sammelbecken geleitet, um dort allmählich zu versickern.

An die Stelle des Sammelbeckens wurde nun ein Regenwasserschacht mit einer Hebeleitung eingebaut, die das Regenwasser vom Dach und der Hofbefestigung mit Hilfe einer Pumpe 1.30 m höher bringt, so daß es im Eigengefälle durch ein neuverlegtes Druckrohr in den Regenwasserkanal der Berliner Entwässerungswerke fließen kann.

Die von der Klägerin angeschafften Paletten dienen der Erleichterung des Warentransports und der Warenlagerung. Sie ermöglichen die Zusammenfassung einer Vielzahl verpackter Waren zu einer Lager- und Transporteinheit, indem die Warenkartons entweder mit einem Gabelstapler in ein Hochregal gehoben und dort gelagert oder später mit einer Plastikfolie versehen ausgeliefert werden.

Den Antrag der Klägerin, ihr für diese Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) zu gewähren, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit der Begründung ab, die Regenwasser-Hebeleitung sei kein Bestandteil des Gebäudes und die Paletten seien als geringwertige Wirtschaftsgüter nicht zulagefähig.

Einspruch und Klage gegen den die Investitionszulage ablehnenden Bescheid des FA hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Entwässerungsanlage diene sowohl der Entwässerung des Gebäudes als auch der Entwässerung anderer Bauwerke oder des Grund und Bodens, so daß sie keinem der Wirtschaftsgüter zugerechnet werden könne; sie sei daher ein selbständiges, vom Grund und Boden und dem Gebäude gesondert zu beurteilendes Wirtschaftsgut. Die zur Verbesserung der Entwässerungsanlage angefallenen Kosten seien daher nachträgliche Herstellungskosten für ein nicht begünstigtes Wirtschaftsgut. Eine Investitionszulage komme nach § 19 BerlinFG aber auch für die Euro-Paletten nicht in Betracht, weil diese geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien. Das Gericht gehe zwar davon aus, daß die Paletten zum Anlagevermögen der Klägerin gehörten; sie seien aber einer selbständigen Nutzung fähig, denn sie dienten dazu, eine Vielzahl verpackter Waren zusammenzufassen und stünden als Abstellfläche für eine Vielzahl von Warenkartons zur Verfügung.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie vertritt die Auffassung, daß die Regenwasser-Hebeleitung allein der Gebäudeentwässerung diene, so daß es sich bei den Aufwendungen zu ihrer Errichtung um nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes handele, die nach § 19 BerlinFG zulagebegünstigt seien.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Bescheides vom 12.Mai 1982 die Investitionszulage auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin weder für die Aufwendungen zur Errichtung der Regenwasser-Hebeleitung noch für die Anschaffungskosten der Euro-Flachpaletten eine Investitionszulage zu gewähren ist.

1. a) Nach § 19 Abs.1 und 2 BerlinFG kommt eine Investitionszulage für den Einbau der Hebeanlage und den Anschluß der Entwässerung an die öffentliche Kanalisation nur unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Herstellungsarbeiten an einem Gebäude (§ 19 Abs.1 Satz 3 Nr.2, Abs.2 Satz 4 BerlinFG) in Betracht. Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Einigkeit darüber, daß die Regenwasser-Hebeleitung weder selbst Gebäude noch bewegliches Wirtschaftsgut ist. Sie ist insbesondere keine Betriebsvorrichtung, weil mit ihr das Gewerbe der Klägerin nicht betrieben wird; abgesehen davon, daß nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem beweglichen Wirtschaftsgut im Streitjahr nach § 19 BerlinFG nicht begünstigt waren.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regenwasser-Hebeanlage aber auch kein unselbständiger Bestandteil des Betriebsgebäudes. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich aus diesem Grunde nicht um nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Gebäude.

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) gehören zu der Bewertungseinheit des Gebäudes alle Gebäudebestandteile, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zu dem Gebäude stehen; dagegen sind Anlagen, die unmittelbar besonderen Zwecken dienen und in diesem Sinne in einem von der eigentlichen Gebäudenutzung verschiedenen Funktionszusammenhang stehen, als gegenüber der Gebäudeeinheit selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der erkennende Senat mit Urteil vom 14.Oktober 1977 III R 9/76 (BFHE 124, 125, BStBl II 1978, 163) entschieden, daß eine im Zusammenhang mit einem Betriebsgebäude errichtete Regenwasserauffanganlage kein Gebäudebestandteil ist, weil sie mit der Funktion des Gebäudes als einem Betriebsgebäude unmittelbar nichts zu tun hat; sie stehe vielmehr allein im Zusammenhang mit dem Grundstück, so daß der Umstand, daß sich auf dem Grundstück ein Gebäude befinde, auf den ein Teil des Regens falle, nur einen äußeren Zusammenhang der Anlage mit dem Gebäude begründe.

An diesen Grundsätzen hält der Senat fest; sie sind entgegen der Auffassung der Klägerin auch im Streitfall anzuwenden, in dem die Regenwasser-Hebeleitung lediglich das vorhandene Regenwasser-Sammelbecken ersetzen sollte, das sich als ungeeignet erwiesen hatte, das gesamte Betriebsgrundstück ordnungsgemäß und ohne Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke zu entwässern. Daraus aber folgt, daß die Regenwasser-Hebeleitung nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude steht und infolgedessen auch nicht als unselbständiger Gebäudeteil zu beurteilen ist. Dabei kann es für die Entscheidung des Streitfalles dahinstehen, ob die Hebeanlage dem Grund und Boden zuzurechnen ist oder, wie das FG meint, als Sonderbauwerk selbständig zu bewerten ist.

c) Da auch das FG von diesen Grundsätzen ausgegangen ist, geht die Rüge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze ins Leere. Der von der Klägerin beauftragte Gutachter ist allein aufgrund der technischen Unterschiede zwischen einem Sammelbecken und einer Hebeleitung zu dem Ergebnis gelangt, die Anlage der Klägerin sei die konsequente Fortsetzung der Dachflächenentwässerung. Demgegenüber hat das FG zu Recht die Anlage allein nach ihrer Funktion, nämlich als Ableitung des gesamten Regenwassers zu dienen, beurteilt; denn die Pumpe wurde an die bereits vorhandenen Regenwasser-Ableitungen angeschlossen, so daß sie neben der Gebäudeentwässerung auch der Entwässerung anderer Bauwerke (wie der Hofpflasterung) und des Grund und Bodens dienen konnte. Für die Beurteilung des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs eines Wirtschaftsguts mit einem anderen kann jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht auf dessen technische Besonderheiten, sondern allein auf dessen Funktion abgestellt werden.

2. Der erkennende Senat folgt der Vorentscheidung auch in der Ablehnung einer Investitionszulage für die Euro-Flachpaletten, die als geringwertige Anlagegüter nach § 19 Abs.2 Satz 3 BerlinFG ausdrücklich von der Förderung ausgenommen sind.

a) Der Begriff des geringwertigen Wirtschaftsguts setzt nach § 6 Abs.2 Satz 1 EStG u.a. voraus, daß es einer selbständigen Nutzung fähig ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist ein Wirtschaftsgut einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in diesem Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind; dem steht nicht entgegen, daß das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann (§ 6 Abs.2 Satz 3 EStG).

b) Danach unterliegt es keinem Zweifel, daß die von der Klägerin angeschafften Paletten grundsätzlich einer selbständigen Nutzung fähig sind. Denn allein die Gleichartigkeit, der einheitliche Kauf und die Verwendung nach einheitlichem Plan stehen der selbständigen Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes nicht entgegen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 6 EStG Anm.1257 m.w.N.).

Das FG hat festgestellt, daß die einzelnen Paletten nach ihrer betrieblichen Zweckbestimmung nicht nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, sondern durchaus auch allein genutzt werden können. Aus dem Umstand nämlich, daß die Paletten ihrer Zweckbestimmung nach auch dem Transport (und der Lagerung) von Waren dienen, folgt, daß sie einer selbständigen Nutzung fähig sind. An diese Feststellungen des FG ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Klägerin sieht die Paletten zwar in einem Nutzungszusammenhang mit Regal und Gabelstapler. Da es sich dabei jedoch nicht um den in § 6 Abs.2 Satz 2 EStG bezeichneten ausschließlichen Nutzungszusammenhang handelt, kann die Entscheidung dieser Frage ebenso dahinstehen, wie die Prüfung des weiteren Merkmals einer technischen Abstimmung der Paletten mit diesen Wirtschaftsgütern (§ 6 Abs.2 Satz 2 EStG).

c) Die hier vertretene Auffassung wird sowohl vom Bundesminister der Finanzen (BStBl I 1977, 88 und Abschn.40 Abs.2 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987) als auch vom Schrifttum geteilt, das sich im übrigen in der Ablehnung der Entscheidung des BFH vom 24.November 1967 VI R 249/66 (BFHE 91, 63, BStBl II 1968, 258) einig ist (vgl. etwa Blümich/Ehmcke, Einkommensteuer, 13.Aufl. 1988, § 6 Anm.1380 "Flachpaletten" und Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Anm.1300 "Flachpaletten" jeweils m.w.N.). Im Streitfall bedarf es indessen keiner Auseinandersetzung mit dem Urteil des BFH in BFHE 91, 63, BStBl II 1968, 258, wonach für Flachpaletten, auf denen Ware gelagert wird, eine Investitionszulage gewährt werden kann, da diese Paletten zusammen mit dem Gabelstapler wirtschaftlich ein einheitliches Ganzes bilden. Diese Entscheidung ist zu § 6 Abs.2 EStG a.F. ergangen; nach der Änderung des § 6 Abs.2 EStG durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung vom 14.Dezember 1976 (BGBl I, 3341, BStBl I, 694) ist die wirtschaftliche Einheit für die Auslegung des Begriffs der selbständigen Nutzungsfähigkeit nicht mehr entscheidend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62904

BFH/NV 1989, 51

BStBl II 1990, 82

BFHE 158, 289

BFHE 1990, 289

BB 1989, 2442-2444 (LT1-2)

DB 1990, 90 (S)

HFR 1990, 86 (LT)

WPg 1990, 178 (S)

StRK, BerlinFG 1970 § 19 R.87 (LT)

FR 1990, 49 (KT)

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