Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Geht ein Betrieb auf einen dem übergeber nicht gesetzlich unterhaltsverpflichteten Familienangehörigen über und zahlt dieser dem übergeber eine Versorgungsrente, so beruht die Einräumung des Rentenrechts in der Regel auf einer sittlichen Pflicht. Die Rentenleistungen können nicht deshalb als Betriebsausgaben abgezogen werden, weil die Nichterfüllung dieser Pflicht dem geschäftlichen Ansehen des Erwerbers abträglich wäre. Soweit in dem Urteil IV 265/58 U vom 30. Juli 1959 (BFH 69, 387, BStBl III 1959, 406) eine abweichende Rechtsauffassung zum Ausdruck kommt, hält der Senat an ihr nicht fest.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Ziff. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1958, ob die von einem Nacherben an den Vorerben im Zusammenhang mit der übernahme des zur Erbschaft gehörenden Betriebs gezahlten Leibrentenbeträge als betriebliche Versorgungsrenten (Betriebsausgaben) in voller Höhe (§ 4 Abs. 4 EStG) oder als außerbetriebliche Versorgungsrenten (Sonderausgaben) nur mit dem Ertragsanteil (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) abgezogen werden können.

Der Erblasser betrieb ein Briefmarkengeschäft. Er wurde von seiner Ehefrau, der Stiefmutter des Revisionsklägers (Steuerpflichtigen - Stpfl. -), als Vorerbin beerbt. Als Nacherben waren der Stpfl. und seine Schwester eingesetzt. Beide arbeiteten in dem Geschäft mit. Durch Vertrag vom 11. Februar 1958 übernahm der Stpfl. das Geschäft. Die Vorerbin befand sich im 67. Lebensjahr. Der Stpfl. setzte ihr auf Lebenszeit eine monatliche Rente von 150 DM aus. Er zog bei der Veranlagung 1958 die gesamten Leistungen in Höhe von 1800 DM als Betriebsausgaben ab.

Das Finanzamt (FA) behandelte die Rentenleistungen als Sonderausgaben. Es ließ sie nur in Höhe des Ertraganteils zum Abzug zu. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Vorinstanz gab der Berufung statt. Unter Hinweis auf das Urteil des BFH IV 265/58 U vom 30. Juli 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 387 - BFH 69, 387 -, BStBl III 1959, 406) führte sie aus, daß die Rente aus betrieblichen Gründen gezahlt werde. Die Stiefmutter habe dem Stpfl., wie dieser glaubhaft vorgetragen habe, den Betrieb mit ihrer Arbeitskraft solange erhalten, bis er nach Ausbildung und Lebensalter im Stande gewesen sei, den Betrieb allein fortzuführen. Es handle sich bei der Rente um ein nachträgliches Zusatzentgelt für die frühere Arbeitsleistung der Stiefmutter. Das betriebliche Interesse erfordere es, daß der Stpfl. seine Stiefmutter nicht unversorgt lasse. Es wäre dem geschäftlichen Ansehen des Stpfl. abträglich gewesen, wenn er bei dieser Sachlage seiner Stiefmutter einen geringeren, nur auf den Wert des Geschäfts abgestellten Kaufpreis gezahlt hätte, von dem sie möglicherweise nicht hätte leben können. Der Stpfl. habe davon ausgehen dürfen, daß ihm - neben seiner Schwester - nach dem Tode der Stiefmutter der Betrieb ohnedies zugefallen wäre. Als Erbauseinandersetzung könne der Vorgang nicht angesehen werden, da der Nacherbfall noch nicht eingetreten sei.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des FA unrichtige Rechtsanwendung. Er führt aus, daß die Vorinstanz die Bedeutung der erbrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten verkannt habe. Die sehr enge erbrechtliche Bindung der Vor- und Nacherben untereinander könne bei der steuerlichen Beurteilung nicht außer Betracht bleiben. Sie zwinge dazu, die Betriebsübertragung und die Rentenvereinbarung als Vorgänge der familien- und erbrechtlichen Privatsphäre, nämlich als zeitlich vorgezogenen Vollzug des Eintritts der Nacherbfolge, anzusehen. Die Rente habe daher außerbetrieblichen Charakter.

 

Entscheidungsgründe

Die als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Berufung des Stpfl.

Die Rechtsprechung betonte wiederholt, daß Renten, die im Zusammenhang mit Betriebsübertragungen von Eltern auf Kinder vereinbart werden, grundsätzlich außerbetrieblicher Natur sind. Regelmäßig handelt es sich um eine vorweggenommene Erbfolge. Es besteht eine Vermutung für den privaten Charakter der Vereinbarungen, der nur in Ausnahmefällen widerlegt werden kann (vgl. BFH-Urteile I 347/56 U vom 8. Oktober 1957, BFH 65, 535, BStBl III 1957, 440; I 141/58 U vom 16. Juni 1959, BFH 75, 4, BStBl III 1962, 271). Diese Grundsätze sind auch in den Fällen anzuwenden, in denen es sich um die übernahme eines Betriebes des Vorerben durch den Nacherben handelt. Im Streitfall liegt, wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird, nur eine Vorwegnahme des Nacherbfalles vor.

Die Vorinstanz führte demgegenüber eine Reihe von Gründen an, die nach ihrer Auffassung für den betrieblichen Charakter der Rente sprechen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um tatsächliche Feststellungen, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 der FGO gebunden wäre, sondern um Würdigungen des Sachverhalts, bei denen die Vorinstanz sich zum Teil wörtlich der Ausführungen des BFH in der Entscheidung IV 265/58 U bediente. Weder der Umstand, daß es dem geschäftlichen Ansehen des Stpfl. abträglich gewesen wäre, wenn er die Stiefmutter unversorgt gelassen hätte, noch die Feststellung, daß es sich um ein nachträgliches Zusatzentgelt für die frühere Arbeitsleistung der Stiefmutter gehandelt habe, rechtfertigen es, die Rentenleistungen als Betriebsausgaben zu behandeln.

Wird einem Familienangehörigen ein Betrieb übergeben und räumt der Erwerber dem übergeber, dem er nicht gesetzlich unterhaltsverpflichtet ist, eine Versorgungsrente ein, so beruht diese Vereinbarung in der Regel auf einer sittlichen Pflicht. Das gilt besonders dann, wenn der übergeber - wie im Streitfall - den Betrieb dem übernehmer so lange erhalten hat, bis dieser in der Lage war, ihn selbst zu führen. Der Grund, einem nahestehenden Angehörigen den Betrieb zu erhalten, ist nicht betrieblicher, sondern familiärer Art. Die im Hinblick darauf dem übergeber eingeräumte Rente ist entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung des Gesamtvorgangs familiärer Natur. An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, daß es dem geschäftlichen Ansehen des Erwerbers abträglich gewesen wäre, wenn er jener sittlichen Verpflichtung, den übergeber zu versorgen, nicht nachgekommen wäre. Es ist nicht ungewöhnlich, daß sich Vorgänge der Privatsphäre im betrieblichen Bereich auswirken. Diese Vorgänge verlieren dadurch nicht ihren außerbetrieblichen Charakter. Aufwendungen, die gemacht werden, um die Verhältnisse der Privatsphäre so zu regeln, daß sie ohne nachteilige Auswirkungen auf den Betrieb, z. B. auf das geschäftliche Ansehen, bleiben, sind privater Natur. Soweit in dem Urteil IV 265/58 U eine andere Rechtsauffassung zum Ausdruck gekommen ist, hält der Senat an ihr nicht fest.

Die Versorgungsrente könnte nur dann unter dem Gesichtspunkt eines nachträglichen Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe abgezogen werden, wenn sie unter gleichen Umständen auch von einem fremden Erwerber gezahlt worden wäre. Die Vorentscheidung geht aber selbst davon aus, daß ein fremder Erwerber nur einen geringen Kaufpreis gezahlt haben würde, von dem die Verkäuferin möglicherweise nicht hätte leben können. Daraus ergibt sich, daß die Rente auf persönlichen Beweggründen der Beteiligten beruht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412258

BStBl III 1966, 675

BFHE 1966, 797

BFHE 86, 797

BB 1966, 1434

DB 1966, 1952

DStR 1967, 62

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