Leitsatz (amtlich)

1. Unter den Gewinnen im Sinne des § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG 1958 sind die Gewinne zu verstehen, die sich nach den steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften ergeben.

2. Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn die Nachversteuerungspflicht nach § 10a Abs. 2 EStG 1958 dadurch ausgelöst wird, daß der Gewinn des Steuerpflichtigen durch eine Abschreibung an einem Apothekenrealrecht unter den Betrag sinkt, den er entnommen hat.

 

Normenkette

AO § 131; EStG 1958 § 10a Abs. 2

 

Tatbestand

Der Revisionskläger - Steuerpflichtiger - nahm in der Bilanz 1958 eine Teilwertabschreibung an dem ihm gehörigen Apothekenrealrecht in Höhe von rd. 97 000 DM vor. Hierdurch entstand ein gewerblicher Verlust. Da der Steuerpflichtige im Jahr 1958 Entnahmen in Höhe von rd. 56 000 DM gemacht hatte und die für die Nachversteuerung nach § 10a Abs. 2 EStG besonders festgestellten Beträge rd. 49 000 DM betrugen, nahm das FA eine Nachversteuerung gemäß § 10a Abs. 2 EStG vor. Um deren Zulässigkeit geht der Streit.

Der Steuerpflichtige hält die Nachversteuerung für unzulässig, da die Abschreibung auf das Apothekenrecht ihm durch die durch gesetzliche Maßnahmen herbeigeführte Entwertung der Rechte von hoher Hand aufgezwungen sei. Mindestens müsse die Einkommensteuer 1958 nach § 131 Abs. 1 Satz 2 AO niedriger festgesetzt werden.

Sowohl sein Einspruch als auch seine Klage blieben erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung nach § 10a Abs. 2 EStG lägen vor. Bei Berechnung der Mehrentnahme sei von dem der Veranlagung zugrunde gelegten Gewinn auszugehen, auch wenn dieser durch die Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen besonders niedrig sei (Urteile des BFH IV 647/54 U vom 29. September 1955, BFH 61, 386, BStBl III 1955, 348; VI 63/57 U vom 5. September 1958, BFH 67, 394, BStBl III 1958, 424). Auch die Teilwertabschreibung stelle eine solche zu berücksichtigende Steuervergünstigung dar. Teilwertabschreibungen glichen allgemeine Risiken aus. Im Streitfall handele es sich zwar nicht um ein solches allgemeines Risiko, es sei vielmehr für die Teilwertabschreibung letztlich ein staatlicher Eingriff maßgebend gewesen. Diesem Umstand sei jedoch keine besondere Bedeutung beizumessen, da jede Teilwertabschreibung den laufenden Gewinn mindere.

Auch für eine niedrigere Steuerfestsetzung im Billigkeitsweg nach § 131 Abs. 1 Satz 2 AO sei kein Grund ersichtlich. Der Steuerpflichtige übersehe, daß das Wertloswerden des Apothekenrechts bereits durch die Teilwertabschreibung in erheblichem Maße steuerlich berücksichtigt sei. Auch habe sich der Steuerpflichtige bei der zeitlichen Entwicklung der Rechtsprechung zum Apothekenrealrecht bei der Tätigung von Entnahmen auf die Teilwertabschreibung einstellen können.

Wenn sich der Steuerpflichtige auf die Entscheidung des BFH Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963 (BFH 78, 315, BStBl III 1964, 124) berufe, so gehe dies fehl. Die in dieser Entscheidung ausgesprochene Billigkeitsmaßnahme sei nur bei ruhenden und verpachteten Gewerbebetrieben anwendbar, denen eine Abschreibung, die sich bei einer Veräußerung des Betriebs auf den Veräußerungsgewinn auswirke, nach der bisherigen Rechtsprechung versagt gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen ist nicht begründet.

1. Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, daß bei Anwendung der Nachversteuerungsvorschrift des § 10a Abs. 2 EStG unter Gewinn und Entnahmen die allgemeinen Begriffe aus dem Recht der Gewinnermittlung zugrunde zu legen sind (Urteile des BFH VI 340/65 vom 22. Juni 1966, BFH 86, 509, BStBl III 1966, 540; VI 384/65 vom 20. Januar 1967, BFH 88, 49, BStBl III 1967, 287; IV 340/65 vom 25. Juni 1970, BFH 99, 531, BStBl II 1970, 755). Mit Recht weist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, daß hierbei die Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen den für die Errechnung der Mehrentnahmen maßgeblichen Gewinn mindert. Ob man, wie es die Vorinstanz tut, die Teilwertabschreibung als eine Steuervergünstigung bezeichnen kann, erscheint dem Senat zweifelhaft. Denn Teilwertabschreibungen sind Maßnahmen des allgemeinen einkommensteuerlichen Bewertungsrechts, wie § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG zeigen. Es ist nichts besonderes, wenn ein Steuerpflichtiger eine Teilwertabschreibung vornimmt und dadurch seinen Gewinn mindert. Worauf die Teilwertabschreibung beruht, und ob der Steuerpflichtige gerade in dem Wirtschaftsjahr eine Teilwertabschreibung vornehmen muß, weil er sonst das Recht dazu verliert, kann für die Beurteilung im Rahmen der Gewinnermittlung keine Bedeutung haben. Auch wenn der Steuerpflichtige die Teilwertabschreibung am Apothekenrealrecht wegen der durch den Gesetzgeber herbeigeführten Entwertung der Realrechte überhaupt und zum 31. Dezember 1958 im besonderen vornehmen mußte, so ändert das nichts daran, daß sie sich auf die Gewinnermittlung und damit auf den Gewinn im Sinn des § 10a Abs. 2 EStG auswirkte und die Grundlage für die Berechnung der Mehrentnahmen bildete. Da der Steuerpflichtige hiernach im Jahr 1958 Mehrentnahmen in Höhe von rd. 56 000 DM gemacht hat, war ihre Besteuerung durch das FA gerechtfertigt.

2. Die Befugnis zur Entscheidung über das Billigkeitsbegehren des Steuerpflichtigen nach § 131 Abs. 1 Satz 2 AO in diesem Verfahren ergibt sich aus dem Urteil des BFH IV R 59/69 vom 6. Mai 1971 (BFH 102, 493, BStBl II 1971, 664). Mit Recht lehnte jedoch das FG die Anwendung dieser Bestimmung im Streitfall ab. Weder eine persönliche unbillige Härte - die der Steuerpflichtige auch nicht geltend gemacht hat - noch eine in der Sache liegende Unbilligkeit rechtfertigen eine niedrigere Steuerfestsetzung. Die sachliche Unbilligkeit könnte allenfalls darin liegen, daß der Steuerpflichtige die Abschreibung zum 31. Dezember 1958 vornehmen mußte. Dies beruht aber, wie schon ausgeführt, auf allgemeinen Gewinnermittlungsregeln des Steuerrechts, so daß eine sachliche Unbilligkeit für den Einzelfall darin nicht erblickt werden kann. Auch aus der Entscheidung des BFH Gr. S. 1/63 S (a. a. O.) folgt nichts für den Steuerpflichtigen. Der dort behandelte Fall einer Härte, die darin liegen kann, daß vollwertige Apothekenrealrechte verpachtet und nach der vor dem Beschluß liegenden Rechtsprechung als Privatvermögen angesehen wurden, so daß die spätere Entwicklung nicht durch eine Teilwertabschreibung steuerlich berücksichtigt werden konnte, liegt beim Steuerpflichtigen nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70218

BStBl II 1973, 13

BFHE 1973, 115

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