Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

überläßt eine Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft mietweise Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs gehören, so bezieht sie in der Regel eigengewerbliche Einkünfte.

Bei einem Herstellungsbetrieb gehören die Fabrik- und Bürogebäude im allgemeinen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 1, § 21/1/1; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob nach Betriebsaufspaltung die Besitzfirma (Einzelfirma) mit ihren Einnahmen aus der Vermietung von Grundstücken und Gebäuden nebst Kraft- und Stromversorgungsanlagen an die Betriebs-GmbH der Gewerbesteuer unterliegt.

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) betrieb als Inhaber einer Einzelfirma bis zum 31. März 1949 die Herstellung von Beleuchtungskörpern. Die Herstellung wurde auf die mit Wirkung vom 1. April 1949 von dem Stpfl. und seiner Ehefrau gegründeten GmbH übertragen, an deren Stammkapital der Stpfl. mit 45.000 DM und seine Ehefrau mit 5.000 DM beteiligt sind. Der Stpfl. leistete seine Einlage durch Einbringung des Betriebsvermögens unter Zurückhaltung der bereits erwähnten Wirtschaftsgüter sowie einiger Wertpapiere im Nennbetrag von 2.000 DM. Der Stpfl. vermietete der GmbH seinen Fabrikgrundbesitz nebst den erwähnten Anlagen. Die Mieten betrugen für die Streitjahre je 69.000 DM.

Das Finanzamt hatte zunächst zwischen der Einzelfirma und der GmbH Organschaft anerkannt. Für die Zeit vom 1. Januar 1956 an lehnte es das jedoch ab und zog sowohl die GmbH als auch die Einzelfirma für die Streitjahre in gesonderten Meßbescheiden zur Gewerbesteuer heran.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht ließ sich hierbei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten. Wenn nach der Betriebsaufspaltung die Betriebs-GmbH gegenüber der Besitzfirma vollkommen getrennte Aufgaben habe, ihr als Kunde gegenübertrete und der Besitzfirma eben gerade nicht diene, sei es nicht vertretbar, die Besitzfirma über die Betriebsgesellschaft als am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt anzusehen. Denn dabei werde die Betriebs-GmbH als bloßes Mittel und Werkzeug angesehen, das der Besitzfirma dazu diene, sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu beteiligen. Wenn man einerseits die Organschaft mit der Begründung ablehne, es sei keine wirtschaftliche Eingliederung vorhanden, so könne die Vermietung von Grund und Boden sowie Gebäuden gleichfalls nicht als gewerbliche Betätigung angesehen werden, da sich die Einzelfirma auf die Verwaltung des der Kapitalgesellschaft überlassenen Vermögens beschränke. Hierfür spreche im vorliegenden Fall, daß nur Grundstücke mit den aufstehenden Gebäuden nebst Strom- und Kraftanlagen vermietet seien, die Betriebs-GmbH also über eigenes Anlagevermögen verfüge. In der miet- und pachtweisen überlassung von Anlagewerten lasse sich um so weniger eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erblicken, je geringer der Anteil der überlassenen Gegenstände an den von der Betriebs-GmbH betrieblich genutzten Wirtschaftsgütern sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; die Sprungberufung des Stpfl. wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Bundesfinanzhof ist der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile VI 501/38 vom 26. Oktober 1938, RStBl 1939 S. 282; VI 96/42 vom 1. Juli 1942, RStBl 1942 S. 1081) beigetreten und hat bei der Betriebsaufspaltung die Gewerbesteuerpflicht der Besitzfirma bejaht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 49/54 vom 17. August 1954, Der Betriebs-Berater 1955 S. 217; I 314/55 vom 10. April 1956, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1 Rechtsspruch 61; I 217/58 U vom 3. November 1959, BStBl 1960 III S. 50, Slg. Bd. 70 S. 134; I 131/59 S vom 8. November 1960, BStBl 1960 III S. 413, Slg. Bd. 71 S. 706, und I 57/61 S vom 16. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 104, Slg. Bd. 74 S. 275). Diesen vom I. Senat entwickelten Grundsätzen schließt sich der IV. Senat auch für den vorliegenden Fall an. Die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung geben keinen Anlaß, von ihnen abzuweichen. Der Ansicht der Vorinstanz, die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung widerspreche den Grundsätzen über die Anerkennung bürgerlich-rechtlicher Gestaltung der Steuerpflichtigen, kann nicht gefolgt werden. Die Anerkennung der Betriebsaufspaltung auch für den Bereich des Steuerrechts hat zur Folge, daß bei der steuerlichen Beurteilung die Existenz sowohl der Besitzfirma als auch der Betriebsgesellschaft anerkannt wird. Dies hindert jedoch nicht, bei der Beurteilung der Frage, ob die Besitzfirma einen der Gewerbesteuer unterliegenden Betrieb unterhält, entscheidend auf die zwischen ihr und der Betriebsgesellschaft bestehende enge wirtschaftliche Verflechtung, abzustellen.

Auch die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs I 119/56 U vom 25. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 303, Slg. Bd. 65 S. 181) sprechen nicht für die Annahme, daß bei der Betriebsaufspaltung die Besitzgesellschaft nicht der Gewerbesteuer unterliege. Dieses Urteil bezieht sich lediglich auf das Problem der Organschaft im Gewerbesteuerrecht. Es ist in dem Sinne zu verstehen, daß die für die Organschaft erforderliche wirtschaftliche Eingliederung der Tochtergesellschaft in das beherrschende Unternehmen voraussetzt, daß dieses selbst ein gewerbliches Unternehmen betreibt, in welches das Unternehmen der Tochtergesellschaft nach Art einer Betriebstätte eingeordnet ist. Die herrschende Gesellschaft muß also die Haupttätigkeit ausüben, die durch die Eingliederung der Tochtergesellschaft gefördert werden soll. Eine solche Eingliederung besteht jedoch im Falle der Betriebsaufspaltung nicht. Hier handelt es sich vielmehr um ein Verhältnis der Gleich- oder Nebenordnung. Die Gewerbesteuerpflicht der Besitzfirma wird nur deshalb bejaht, weil sie sich auf Grund der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit der Betriebsgesellschaft über diese am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.

Da die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufgehoben wird und die Sache spruchreif ist, kann der Senat den unstreitigen Sachverhalt selbst würdigen und die Sprungberufung als unbegründet zurückweisen (ß 296 Abs. 3 AO).

Der Streitfall bietet das typische Bild einer Betriebsaufspaltung. Der Inhaber der Einzelfirma hat wesentliche Teile seines Anlagevermögens nicht in sein Privatvermögen überführt und nicht die in ihnen ruhenden stillen Reserven realisiert (Urteil des Bundesfinanzhofs I 217/58 U, a. a. O.). Der Annahme der Gewerbesteuerpflicht steht es auch nicht entgegen, daß die Besitzfirma nur unbewegliches Anlagevermögen der Betriebsfirma vermietete. Es genügt, daß die vermieteten Wirtschaftsgüter eine wesentliche Grundlage des Betriebes der Betriebsfirma bilden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424200

BStBl III 1963, 505

BFHE 1964, 504

BFHE 77, 504

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