Leitsatz (amtlich)

1. Wird auf einem Betriebsgrundstück ein Gebäude errichtet, dessen untere Stockwerke zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, während die darüberliegenden Stockwerke nichtbetrieblichen Zwecken dienen und als Privatvermögen zu behandeln sind, so wird bei einer Entnahme der oberen Stockwerke grundsätzlich auch der dem privaten Gebäudeteil entsprechende Grundstücksanteil entnommen.

2. Zum Zeitpunkt der Entnahme eines Grundstücks oder Grundstücksanteils im Zusammenhang mit einer Bebauung zu (teilweise) privaten Zwecken.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt in E eine Metzgerei. Zu seinem Betriebsvermögen gehörte ein bebautes Grundstück in H. Im Jahre 1971 ließ der Kläger das Gebäude abreißen. Im Jahre 1972 (Streitjahr) wurde ein auf dem Grundstück errichtetes Gebäude, das zu 80 v. H. nichtbetrieblichen Zwecken diente, fertiggestellt. Der Kläger aktivierte 20 v. H. der Herstellungskosten. 80 v. H. des Buchwerts des Grund und Bodens buchte er wegen Entnahme aus. Er wies einen Entnahmegewinn von 9 174 DM aus. Die Einnahmen aus der Vermietung des nichtaktivierten Gebäudeteils behandelte der Kläger als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung in dem geänderten Einkommensteuerbescheid 1972 einen höheren Teilwert als Entnahmewert des Grundstücks an. Dadurch ergab sich ein Entnahmegewinn von 82 454 DM. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

In seiner Revision beantragte der Kläger, der Bemessung der Einkommensteuer einen um 82 454 DM niedrigeren Gewinn zugrunde zu legen. Er wendet sich gegen den Ansatz eines Gewinns aus Grundstücksentnahme, da nach seiner Ansicht der Grund und Boden in vollem Umfang weiterhin als Betriebsvermögen zu behandeln sei. Denn das mit dem Grundstück zusammenhängende Kellergeschoß und das Erdgeschoß des Neubaues seien ausschließlich betrieblich genutzt. Privat genutzt seien die oberen Stockwerke. Die Sache sei daher wie bei einer für private Zwecke bestimmten Gebäudeaufstockung zu behandeln. Die Entnahmebuchung treffe somit sachlich nicht zu und könne daher keine steuerliche Wirkung haben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Der Senat geht mit dem FG davon aus, daß nach ständiger Rechtsprechung in der Bebauung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks für nichtbetriebliche Zwecke unter bestimmten Voraussetzungen eine Entnahme des Grundstücks oder Grundstücksteils (Grundstücksanteil) gesehen werden kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Januar 1977 I R 48/75, BFHE 121, 203, BStBl II 1977, 388; vom 12. Juli 1979 IV R 55/74, BFHE 128, 527, BStBl II 1980, 5; vom 11. März 1980 VIII R 151/76, BFHE 131, 290, BStBl II 1980, 740). In einem solchen Falle ist in der Regel der dem nichtbetrieblich genutzten Teil des Gebäudes entsprechende Anteil des Grundstücks als entnommen anzusehen (vgl. BFHE 121, 203, BStBl II 1977, 388; Abschn. 14 Abs. 3 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR -- 1981). In gleichem Sinne hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 26. Mai 1982 I R 180/80, BStBl II 1982, 695, ausgeführt, daß die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Gebäudeteil (Stockwerk) mit der Übertragung eines entsprechenden Grundstücksanteils verbunden sein muß. In dem dort entschiedenen Falle lag allerdings keine gewinnrealisierende Entnahme vor, weil es sich um die unentgeltliche Übertragung eines weiterhin betrieblich genutzten Gebäudeteils im Rahmen einer Mitunternehmerschaft handelte. Der hierin zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Zusammenhang der als besondere Wirtschaftsgüter anzusehenden Teile eines Gebäudes (Stockwerke) mit entsprechenden Grundstücksanteilen ist auch schon bisher von der Rechtsprechung bejaht worden. Ein solcher Zusammenhang ist nur dann nicht gegeben, wenn es sich um einen Bau auf fremdem Grund und Boden handelt (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 1982 I R 163/78, BStBl II 1982, 693). Diese bilanzrechtliche Behandlung widerspricht nicht dem Grundsatz, daß Grundstücke und Gebäude getrennt zu bilanzieren sind. Denn an dieser getrennten Bilanzierung ändert sich bei Anwendung der dargelegten Grundsätze nichts. Nur haben eben diese Grundsätze unter den genannten Voraussetzungen zur Folge, daß auch ein entsprechender Grundstücksanteil als entnommen anzusehen ist.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß ein Grundstücksanteil auch dann mitentnommen wird, wenn auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet wird, dessen untere Stockwerke betrieblich genutzt sind und daher notwendiges Betriebsvermögen bilden, während die darüberliegenden Stockwerke nichtbetrieblichen Zwecken dienen und als Privatvermögen zu behandeln sind.

2. Gleichwohl kann die Vorentscheidung nicht bestätigt werden.

Die Feststellungen des FG lassen keinen sicheren Schluß zu, daß die Entnahme des Grundstücksteils im Streitjahr stattgefunden hat.

a) Das FG hat festgestellt: "Im folgenden Jahr wurde ein auf dem Grundstück errichtetes Gebäude, das zu 80 v. H. nichtbetrieblichen Zwecken diente, fertiggestellt." Diese Feststellung reicht nicht aus, um aus ihr zu folgern, daß in der Bebauung des Grundstücks eine Entnahme gesehen werden müßte. Eine solche läge nur dann vor, wenn die nichtbetrieblich genutzten Gebäudeteile notwendiges Privatvermögen geworden wären. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger sie zu privaten Wohnzwecken verwendet hätte. Wenn jedoch diese Gebäudeteile, was als vom FG nicht festgestellt offenbleiben muß, für fremde Wohnzwecke und fremde betriebliche Zwecke vermietet wurden, so konnten diese Stockwerke weiterhin als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79, BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63; Abschn. 14 Abs. 3 EStR 1981 und die dort angeführten Urteile des BFH). Es bedürfte dann einer eindeutigen Entnahmehandlung des Klägers, die im Streitjahr stattgefunden haben müßte (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1970 IV R 192/67, BFHE 99, 523, BStBl II 1970, 754; vom 17. Januar 1974 IV R 93/70, BFHE 111, 322, BStBl II 1974, 240).

b) Als solche Entnahmehandlungen kommen im Streitfall mehrere Vorgänge in Betracht, nämlich außer der in das Streitjahr fallenden Bebauung die vom Kläger vorgenommene Ausbuchung eines Grundstücksteils sowie die in der Einkommensteuererklärung 1972 dargelegte Behandlung der Mieteinnahmen als zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehörig, welche beide nicht in das Streitjahr fielen. Eine erst im Rahmen des Jahresabschlusses und der Aufstellung der Steuerbilanz vorgenommene Entnahmebuchung kann nicht auf das abgeschlossene Streitjahr zurückbezogen werden. Sie ist dem Jahr zuzurechnen, in welchem die Buchung stattgefunden hat. Entsprechendes gilt für die dem FA gegenüber abgegebene Erklärung über einkommensteuerrechtliche Behandlung der Mieteinnahmen.

Andererseits kann im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, daß bereits in dem Abbruch des früheren Betriebsgebäudes im Jahre 1971 eine Entnahmehandlung zu erblicken war. Ob dies der Fall ist, kann nur im Zusammenhang mit den Begleitumständen beurteilt werden. Darüber sind keine Feststellungen getroffen.

3. Nach alledem ist das Urteil des FG aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74595

BStBl II 1983, 365

BFHE 1982, 317

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge