Leitsatz (amtlich)

Schuldzinsen, die auf die Zeit der Eigennutzung eines Einfamilienhauses durch den Eigentümer entfallen, sind, soweit sie den nach der Einfamilienhaus-Verordnung anzusetzenden Grundbetrag übersteigen, nicht zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen, auch wenn sie vor Bezug des Einfamilienhauses geleistet worden sind.

 

Normenkette

Einf-Haus-VO §§ 1, 2 Abs. 2; EStG 1972 § 21 Abs. 2 1. Alternative, § 29 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten, Eheleute (Kläger), kauften im Jahre 1972 ein Einfamilienhaus in H (letzter Einheitswert: 13 100 DM). Sie finanzierten den Kaufpreis mit einem von einer Hypothekenbank gewährten Darlehen von 147 400 DM. Nach den Bedingungen der Bank waren Darlehnszinsen von 7,75 v. H. jährlich zu entrichten, zahlbar in vierteljährlichen Teilbeträgen jeweils am 10. März, 10. Juni, 10. September, 10. Dezember für das laufende Kalendervierteljahr. Die Kläger erklärten sich mit diesen Bedingungen in einem - ihren Darlehnsantrag vom 13. April 1972 ergänzenden, gleichzeitigen - Schreiben an die Bank grundsätzlich einverstanden, baten jedoch um die Zusatzvereinbarung, "daß die Zinsen für das Jahr 1972 bereits bis zum 30. April 1972 fällig sind".

Die Bank, die den Darlehnsantrag am 18. April 1972 annahm, zahlte am 25. April 1972 das Darlehen - unter Abzug eines vereinbarten Disagio von 7 370 DM - an die Kläger aus. Diese überwiesen der Bank am 27. April 1972 7 774,34 DM als Darlehnszinsen für die Zeit vom 25. April bis 31. Dezember 1972. Nach Grundstücksübergabe am 1. Mai 1972 und anschließender Renovierung bezogen die Kläger das Einfamilienhaus am 6. Mai 1972. Mit der begehrten Zusatzvereinbarung betreffend die Zahlung der Darlehnszinsen 1972 erklärte sich die Bank mit Schreiben vom 26. Mai 1972 einverstanden.

Außerdem wandten die Kläger am 31. Mai 1972 noch für Zwischenfinanzierungsmittel von 8 000 DM, die ihnen vom 17. April bis zum 31. Mai 1972 zur Verfügung gestanden hatten, Schuldzinsen von 81 DM auf.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) legte der Zusammenveranlagung der Eheleute zur Einkommensteuer 1972 u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhauses von minus 8 959 DM zugrunde, die er wie folgt errechnete:

Disagio 7 370,- DM

Darlehnszinsen 25. April bis 6. Mai 1972

(7 774,34 ./. 7 223,34 =) 551,- DM

Kreditbearbeitungskosten 1 012 99 DM

sonstige Werbungskosten 25,- DM

Summe: - 8 958,99 DM

= rd. 8 959,- DM

Mit ihrer Sprungklage begehrten die Kläger, die Zinszahlung von 7 774,34 DM auch mit dem auf die Zeit nach Bezug des Einfamilienhauses entfallenden Betrag von (7 774,34 ./. 551 =) 7 224 DM voll zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen, andererseits die Mieteinkünfte für die Zeit ab Bezug des Einfamilienhauses um 267 DM - Grundbetrag nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (Einfamilienhaus-Verordnung) - EinfHaus-VO - (3,5 v. H. vom Einheitswert 13 100 DM : 12 x 7) - abzüglich 81 DM Zwischenfinanzierungszinsen, also um 186 DM zu erhöhen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in vollem Umfang statt (Entscheidung veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 596 - EFG 1973, 596 -).

Mit seiner vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 9, 11, 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. V. m. § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger begehren (sinngemäß) Zurückweisung der Revision als unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II.

(1) Die Vorinstanz ist für die Beurteilung der Streitfrage rechtlich zutreffend von der Rechtswirksamkeit der Vorschriften der Einfamilienhaus-Verordnung und ihrem Eingreifen ab Bezug des Einfamilienhauses durch die Kläger am 6. Mai 1972 ausgegangen (zur Rechtsgültigkeit der Einfamilienhaus-Verordnung: Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68; zur Anwendung ab Bezug: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. August 1975 VIII R 120/72, BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9; vgl. auch BFH-Urteile vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70, BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503; vom 11. März 1975 VIII R 23/70, BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659, mit Nachweisen; vom 3. Februar 1976 VIII R 156/74, BFHE 117, 573; ständige Rechtsprechung). Sie ist jedoch einem Rechtsirrtum insofern unterlegen, als sie die vor Bezug des Einfamilienhauses gezahlten Schuldzinsen auch insoweit zum Abzug als Werbungskosten zugelassen hat, als sie auf die Zeit nach Bezug entfallen und den gemäß § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO anzusetzenden Grundbetrag (hier: 7/12 von 3,5 v. H. des Einheitswerts von 13 100 DM = 267 DM) mit (7 774,34 DM ./. 551 DM ./. 267 DM = ) 6 956,34 DM übersteigen.

Nach der Vorschrift des § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO sind Schuldzinsen, die mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, als Werbungskosten nur bis zur Höhe des vorerwähnten Grundbetrages abziehbar. Entscheidend ist hiernach der wirtschaftliche Sachzusammenhang der Aufwendungen mit der tatsächlichen Nutzung des Einfamilienhauses als Wohnung. Ein derartiger Zusammenhang besteht, soweit die Schuldzinsen (als Entgelt für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung) dem Zeitraum ab Bezug des Einfamilienhauses durch die Eigentümer zuzurechnen sind, anders ausgedrückt, soweit sie wirtschaftlich auf die Zeit der tatsächlichen Nutzung des Einfamilienhauses durch den oder die Eigentümer entfallen. Das gilt auch dann, wenn Schuldzinsen - vor Bezug des Einfamilienhauses geleistet - auf die Zeit nach bezug entfallen.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist eine andere Beurteilung aus dem Gesichtspunkt vorweggenommener Werbungskosten nicht herzuleiten.

Stehen Aufwendungen mit Einkünften späterer Jahre im ausreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang - sog. vorweggenommene Werbungskosten -, so richtet sich die steuerliche Behandlung dieser Aufwendungen nach den Regeln, die für die zukünftigen Einkünfte gelten. Dementsprechend sind die Aufwendungen zur Erlangung des Nutzungswerts im eigenen Einfamilienhaus steuerlich nach den Regeln des § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO zu behandeln. Bei Zinsaufwendungen kommt es dieser Bestimmung zufolge darauf an, ob sie wirtschaftlich auf die Zeit vor oder nach dem Bezug des Hauses entfallen. Soweit sie auf die Zeit nach dem Bezug entfallen, können sie nur bis zur Höhe des Nutzungswerts abgezogen werden, und nur soweit sie auf die Zeit vor dem Bezug des Hauses, also vor der Entstehung des Nutzungswerts, wirtschaftlich entfallen, in voller Höhe. Auf den Zeitpunkt der Zahlung kommt es nicht an. Dementsprechend hat die Rechtsprechung den Abzug der Zinsen in voller Höhe zugelassen, wenn sie wirtschaftlich auf die Zeit vor der Entstehung des Nutzungswerts entfallen, auch wenn die Zinsen erst nach der Entstehung des Nutzungswerts gezahlt worden sind (vgl. die BFH-Urteile vom 25. November 1954 IV 622/53 U, BFHE 60, 67, BStBl III 1955, 26; vom 4. März 1966 VI 251/65, BFHE 86, 78, BStBl III 1966, 350; vom 6. November 1973 VIII R 116/69, BFHE 111, 80, BStBl II 1974, 106).

(2) Der Regelungsinhalt des § 11 EStG steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Auszugehen ist für die Beantwortung der Frage nach der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung der Leistung der Schuldzinsen von Absatz 2 Satz 1 der genannten Vorschrift. Hiernach sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Das bedeutet im wesentlichen, daß Ausgaben als Werbungskosten erst im Zeitpunkt ihrer Verausgabung und für das Kalenderjahr der Verausgabung von Einnahmen (hier: Grundbetrag nach der Einfamilienhaus-Verordnung) abzugsfähig sind (Prinzip der Verausgabung). Wenn diese Regelung damit als Erfordernis einer einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Aufwendungen als Werbungskosten u. a. deren Verausgabung verlangt, so berührt sie damit noch nicht den Geltungsbereich derjenigen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften, die den Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten von wirtschaftlichen Sachzusammenhängen mit Einnahmen dem Grunde nach abhängig machen oder deshalb ihren Abzug der Höhe nach beschränken (hier § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO). Für diese Auffassung spricht auch die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG, nach welcher bei regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben kurz vor oder nach Ende eines Kalenderjahres der wirtschaftliche Sachzusammenhang mit den Vorgängen des einen oder des anderen betroffenen Zeitraums für die Zurechnung der Leistung nicht außer acht zu lassen ist.

Käme es allein auf den Zeitpunkt der Verausgabung für die Abzugsfähigkeit an, so könnte die Absetzung von Schuldzinsen, die auf die Zeit der Nutzung des Einfamilienhauses durch den Eigentümer entfallen und deren Abzug - auch nach Ansicht der Vorinstanz - bei Zahlung nach Bezug des Einfamilienhauses nur bis zur Höhe des Grundbetrages gemäß § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO zulässig ist, allein dadurch herbeigeführt werden, daß sie vor Bezug bewirkt werden. Das würde - bei im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalten - zu nicht gerechtfertigten unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen führen.

Entgegen der Ansicht des FG berechtigen die Rechtsnormen über die Ermittlung des Ansatzes von Nutzungswerten für Wohnungen im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 EStG: Mietwohnhaus usw.) nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Insbesondere fehlt es für die Ermittlung des Nutzungswertes nach § 21 Abs. 2 EStG an einer den Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten der Höhe nach aus Gründen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Wohnungsnutzung einschränkenden Vorschrift, wie sie § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO enthält.

Die Ansicht des FG, eine andere Auffassung sei nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung (Urteile vom 17. Januar 1964 VI 108/62 U, BFHE 79, 13, BStBl III 1964, 238; vom 24. Januar 1969 VI R 173/67, BFHE 95, 100, BStBl II 1969, 312; vom 28. Juni 1968 VI R 211/66, BFHE 93, 276, BStBl II 1968, 816; vom 29. Oktober 1953 IV 238/53 U, BFHE 58, 162, BStBl III 1953, 353; IV 622/53 U; VI 251/65) gerechtfertigt, findet in den Ausführungen der genannten Entscheidungen keine ausreichende Stütze. In der die Reparaturkosten betreffenden Entscheidung VI 108/62 U hat der BFH zudem dem Zeitpunkt der Zahlung von Reparaturkosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eines Einfamilienhauses ein ausschlaggebendes Gewicht ebenfalls nicht zugemessen, da dieser Zeitpunkt nicht selten auf Umstände zurückgehe, die mit Beginn oder Ende der Eigennutzung des Einfamilienhauses keinen Zusammenhang hätten. Aus der einkommensteuerrechtlich grundsätzlich berechtigten Zulassung eines vor Bezug des Einfamilienhauses geleisteten Disagios zum Abzug als Werbungskosten in vollem Umfang ist eine abweichende Beurteilung im Streitfall hinsichtlich der geltend gemachten Schuldzinsen nicht herzuleiten. Denn anders als bei laufzeitbezogenen Zinsen i. S. von § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO kann ein nicht laufzeitbezogenes Disagio nicht ohne weiteres und einheitlich als in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der tatsächlichen Nutzung des Einfamilienhauses durch den Eigentümer stehend gesehen werden, jedenfalls dann nicht, wenn das Disagio - wie in aller Regel - Kosten tilgt, die dem Kreditgeber bereits entstanden sind und nicht erst im Laufe der Zeit erwachsen (vgl. Beschluß des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144 ff., 146). Anhaltspunkte, die vorliegend zu einer anderen Wertung Anlaß geben könnten, sind nicht zu ersehen und nicht geltend gemacht worden.

III.

Bei Beachtung dieser Rechtsgrundsätze kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben.

Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die einwandfrei zustande gekommen und wegen Fehlens zulässiger und begründeter Revisionsrügen für den erkennenden Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), entfiel ein Teil der in Rede stehenden, vor Bezug des Einfamilienhauses geleisteten Schuldzinsen von 7 774,34 DM, nämlich (7 774,34 ./. 551 DM = ) 7 224 DM auf den Zeitraum nach dessen Bezug. Da der für die Ermittlung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus anzusetzende Grundbetrag (§ 2 Abs. 1 EinfHaus-VO) mit 267 DM ebenfalls unangegriffen und einwandfrei ermittelt worden ist, war der genannte Teilbetrag von 7 224 DM der Zinsleistung nur bis zur Höhe dieses Grundbetrags abzugsfähig. Das FA hat deshalb mit Recht bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung einen weitergehenden Abzug der Schuldzinsen versagt. Die diesen Abzug - unter Ansatz des um weitere Schuldzinsen von 81 DM geminderten Grundbetrages - zulassende Vorentscheidung war deshalb wegen materiellen Rechtsirrtums aufzuheben.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die Einkommensteuerfestsetzung ist zwar, soweit sie den Abzug der vor Bezug gezahlten, den Grundbetrag überschreitenden Schuldzinsen abgelehnt hat, nicht zu beanstanden. Es ist jedoch von den am 31. Mai 1972 geleisteten Schuldzinsen von 81 DM für in der Zeit vom 17. April bis 31. Mai 1972 zur Verfügung stehende Zwischenkredite der auf die Zeit vor Bezug des Einfamilienhauses entfallende, unbeschränkt abzugsfähige Teil bisher nicht berücksichtigt worden. Mangels tatsächlicher Feststellungen des FG in dieser Hinsicht läßt sich der als Werbungskosten voll zu berücksichtigende Teilbetrag und seine Auswirkung auf die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung nicht bestimmen. Die Sache geht deshalb an die Vorinstanz zurück, die unter Beachtung der Rechtsausführungen des Senats die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen und hiernach zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73013

BStBl II 1979, 178

BFHE 1979, 277

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