Leitsatz (amtlich)

Die Rennwettgewinne, die ein als Gewerbetreibender tätiger Trabertrainer und Trabrennfahrer erzielt, gehören in der Regel nicht zu seinem Gewerbebetrieb.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die vom Steuerpflichtigen, einem Trabertrainer und Trabrennfahrer, in den Jahren 1958 bis 1964 erzielten Rennwettgewinne als gewerbliche Einkünfte zur Einkommensteuer heranzuziehen sind. Der Steuerpflichtige übernimmt von verschiedenen Rennstallbesitzern Pferde, die von ihm betreut, trainiert und in die Rennen geführt werden. Pflege, Unterhaltung und Training der Pferde werden nach bestimmten Sätzen vergütet. Daneben erhält der Kläger 10 v. H. der anfallenden Rennpreise. Bei einer im Rahmen einer Betriebsprüfung durchgeführten Geldrechnung wurde ein Fehlbetrag von ... DM ermittelt, der, wie zwischen den Beteiligten unstreitig, auf entsprechend hohe Rennwettgewinne zurückzuführen ist.

Das FA sah die Rennwettgewinne als gewerbliche Einkünfte an und berichtigte die Einkommensteuerbescheide 1958 bis 1961 gemäß § 222 AO dahingehend, daß die gewerblichen Gewinne um jeweils ... DM erhöht wurden. Bei den nach Abschluß der Betriebsprüfung erstmals veranlagten Jahren 1962 bis 1964 setzte es den ermittelten Einkünften aus Gewerbebetrieb ebenfalls jeweils ... DM hinzu.

Das FG gab nach erfolglos gebliebenem Einspruch der Klage des Steuerpflichtigen statt und ließ die Rennwettgewinne, da nicht steuerpflichtig, außer Ansatz. Es ließ sich dabei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:

Spiel- und Wettgewinne könnten sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich anfallen. Im ersten Fall seien sie steuerfrei, wenn sie unter keine der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsarten fallen. Ergäben sich solche Gewinne jedoch im gewerblichen Bereich, so seien sie in gleicher Weise wie andere gewerbliche Einkünfte zu versteuern. Eine Entscheidung darüber, ob ein Gewinn im privaten oder im wirtschaftlichen Bereich angefallen sei, lasse sich letztlich nur nach den gesamten Umständen des Einzelfalles treffen. Diese seien im Streitfall nicht so geartet, daß die vom Kläger erzielten Rennwettgewinne als gewerbliche Einkünfte angesprochen werden müßten. So reiche die Tatsache allein, daß der Steuerpflichtige aus seiner Tätigkeit als Trainer und Fahrer besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Trabrennsports besessen habe, für sich genommen nicht aus, dem Rennwettgewinn den Charakter von gewerblichen Einkünften zu verleihen. Im Gegensatz zu den Effekten-Geschäften eines Bankiers gehöre der Abschluß von Rennwetten durch einen Trabertrainer nicht zu den berufstypischen Geschäften. Die Mehrzahl der Wetten würde von Personen abgeschlossen, die am Trabrennsport selbst nicht aktiv beteiligt seien. Die besondere Branchenkenntnis allein hebe den Kläger noch nicht aus diesem Kreis der allgemein Wettenden derart heraus, daß der Abschluß von Rennwetten in seiner Person prinzipiell nicht mehr als Ausfluß einer privaten Spielleidenschaft angesehen werden könnte. Es könnten sich auch dritte passionierte Rennbahnbesucher relativ genaue Kenntnisse der jeweiligen Tagesform der an den Start gehenden Fahrer und Pferde beschaffen, so daß bei den beruflich bedingten Risiken des Klägers allenfalls ein gradueller Unterschied bestehe. Was den Steuerpflichtigen von dritten Wetteilnehmern maßgeblich unterscheiden könnte, wäre die Möglichkeit, durch seine eigene Beteiligung am Rennen Sieg und Placierung und damit auch den Ausgang der Wetten in gewissem Rahmen zu beeinflussen. Es sei möglich, daß ein Trabrennfahrer den Rennverlauf geschickt im Sinne der von ihm über Mittelsmänner abgeschlossenen Wetten beeinflussen könne. Die so erzielten Rennwettgewinne stünden in direktem Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit, wären also gewerbliche Einkünfte. Im Streitfall sei jedoch nicht feststellbar gewesen, daß sich der Steuerpflichtige seine eigene Rennbeteiligung effektiv zunutze gemacht habe, um das Ergebnis der Wetten zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Das FA habe in der mündlichen Verhandlung Manipulationen in dem vorerwähnten Sinne für denkbar, im Falle des Steuerpflichtigen jedoch nicht für festgestellt erachtet. Es habe auch keinen weiteren Beweisantrag gestellt, was es mit Sicherheit getan hätte, wenn es eine weitere Beweismöglichkeit gesehen hätte. Es bleibe daher der einzige Zusammenhang zwischen Rennen und Wetten darin bestehen, daß der Steuerpflichtige aus seiner Teilnahme an den Rennen Spezialkenntnisse über die Form der Pferde und dergleichen habe, die ihm außergewöhnliche Chancen bei den Wetten gäben. Dieser Zusammenhang genüge jedoch nicht, um den Rennwettgewinnen einen gewerblichen Charakter zu geben, da jeder andere Rennbesucher sich ebenfalls diese Spezialkenntnisse erwerben könne. Es würde auch niemandem einfallen, jahrelange Rennwettverluste nur wegen der aus seinen Rennen bezogenen Fachkunde als Gewerbeverluste des Steuerpflichtigen anzusehen.

Auch die ständige Beteiligung an Rennwetten für sich allein gesehen stelle keine gewerbliche Tätigkeit dar.

Mit der Revision rügt der Vorsteher des FA mangelnde Sachaufklärung sowie die Verletzung geltenden Rechts (§§ 2 Abs. 3, 15 Nr. 1 EStG).

Im einzelnen führt er aus, daß das FG zu Art und Umfang der gewerblichen Betätigung des Steuerpflichtigen keine eingehenden Feststellungen getroffen habe. Dies hätte bei der Befragung der geladenen Zeugen geschehen können. Die Kenntnisse und Erfahrungen des Steuerpflichtigen auf dem Gebiet des Trabrennsports hätten sich ganz wesentlich von denen nicht aktiv am Rennsport beteiligter Rennbahnbesucher, seien sie auch noch so passioniert, unterschieden. Im übrigen komme es vielmehr darauf an, ob Erwerb und Ausnutzung der Kenntnisse und Erfahrungen in genügend engem Zusammenhang mit einem gewerblichen Unternehmen zum Tragen kämen. Der Steuerpflichtige sei durch seine berufliche Tätigkeit in die Lage versetzt, Rennwetten nicht nur als Glücksspiel, sondern unter Ausnutzung fachlicher Kenntnisse und Erfahrungen erfolgversprechend zu betreiben. Das Gewicht müsse dabei vielmehr auf die positive Einflußnahme des Steuerpflichtigen durch die optimale Ausnutzung der Möglichkeiten von Pferd und Fahrer gelegt werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß Gewinne aus Rennwetten, die nicht in einem Gewerbebetrieb anfallen, der Einkommensbesteuerung nicht unterliegen (vgl. Urteil des RFH VI A 261/27 vom 30. Juni 1927, RStBl 1927, 197). Zutreffend geht daher die Vorinstanz davon aus, daß im privaten Bereich anfallende Spiel- und Wettgewinne steuerfrei bleiben oder steuerfrei sind, weil sie unter keine der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsarten fallen.

Es kommt daher im Streitfall entscheidend darauf an, ob die vom Steuerpflichtigen erzielten Rennwettgewinne in dem von ihm betriebenen gewerblichen Unternehmen angefallen sind. Die Vorinstanz hat dies zutreffend unter Hinweis darauf verneint, daß die Entscheidung darüber, ob ein Gewinn im privaten oder geschäftlichen Bereich angefallen ist, letztlich nur nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu treffen ist. Die Vorinstanz befindet sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung, die schon bisher in Zweifelsfällen darauf abgestellt hat, ob die Tätigkeit, soll sie zu einer gewerblichen werden, dem Bild entspricht, das nach der Auffassung des Verkehrs einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensnutzung wesensfremd ist (z. B. RFH-Urteile VI A 844/30 vom 13. November 1930, RStBl 1931, 110, und III A 30/32 vom 4. Mai 1932, RStBl 1932, 662; Urteil des BFH I 95/63 vom 15. Februar 1966, BFH 85, 171 BStBl III 1966, 274). Die Nähe der Tätigkeit zu einer gleichoder andersgearteten, bereits ausgeübten gewerblichen Tätigkeit und die Schwierigkeit der Aussonderung einzelner angeblich privater Geschäftsvorfälle aus ständig im Gewerbebetrieb vorkommenden Geschäften können dabei eine wichtige Rolle spielen, worauf der BFH z. B. bei Wertpapiergeschäften eines Bankiers entscheidendes Gewicht gelegt hat (vgl. BFH-Urteil I 95/63). Andererseits kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß jede Nutzbarmachung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse und Verbindungen genügt, um sonst private Geschäfte zu gewerblichen zu machen (vgl. Urteil des Senats IV 136/61 S vom 12. März 1964, BFH 79, 366, BStBl III 1964, 364). Geht man bei der Beurteilung des Streitfalles von diesen Grundsätzen aus, so hat die Vorinstanz die Rennwettgewinne des Steuerpflichtigen zu Recht als nicht im Rahmen seines Gewerbebetriebs angefallen betrachtet. Der Steuerpflichtige hatte nicht etwa beruflich mit dem Rennwettgeschäft wie ein Buchmacher zu tun, wenn er auch infolge seiner beruflichen Tätigkeit in der Ausnutzung von Chancen am Totalisator Vorteile vor anderen Steuerpflichtigen gehabt haben mag, die nicht aktiv am Rennsport beteiligt sind. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist in etwa der eines Börsenmaklers bei den von diesem auf eigene Rechnung vorgenommenen An- und Verkäufen von Wertpapieren zu vergleichen. Wie der Senat in seinem Urteil IV 139/63 vom 11. Juli 1968 (BFH 93, 281, BStBl II 1968, 775) ausgeführt hat, gehören in der Regel derartige Geschäfte eines Börsenmaklers nicht zu seinem Gewerbebetrieb, wenn sie eindeutig als Privatgeschäfte behandelt werden und sich im Rahmen des von der Verkehrsauffassung geprägten Bildes einer privaten Vermögensverwaltung halten. Die gleichen Grundsätze müssen für die Rennwetten eines Trabertrainers und Trabrennfahrers gelten, wenn diese eindeutig als Privatgeschäfte behandelt werden und nach Art und Umfang auch von einem Privatmann vorgenommen werden könnten. Beides ist nach dem festgestellten Sachverhalt der Fall. Daß der Steuerpflichtige über seine in der Branche erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet des Trabrennsports hinausgehend Sieg und Placierung der von ihm trainierten und geführten Pferde zugunsten der von ihm abgeschlossenen Wetten beeinflußt hat, ist von der Vorinstanz auf Grund des Ergebnisses der von ihr durchgeführten Beweisaufnahme ausgeschlossen. An diese tatsächliche Feststellung ist der BFH gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Das FA kann demgegenüber auch nicht mit der insoweit vorgebrachten Rüge mangelnder Sachaufklärung durchdringen. Das FA hätte in der mündlichen Verhandlung und der in dieser durchgeführten Beweisaufnahme zu Art und Umfang der gewerblichen Betätigung des Steuerpflichtigen weitere Beweisanträge stellen können. Wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, ist dies nicht geschehen. Das FA hat sich vielmehr, wie sich aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 1968 ergibt, auf die weitere mündliche Verhandlung eingelassen (vgl. § 295 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO). Ebensowenig kann sich das FA darauf berufen, daß in der optimalen Ausnutzung der Möglichkeiten von Pferd und Fahrer eine positive Einflußnahme und damit ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Erfolg der vom Steuerpflichtigen abgeschlossenen Wetten zu sehen ist. Das FA verkennt hierbei, daß der Steuerpflichtige zur Wahrung seines Rufs als Trabertrainer und Trabrennfahrer, also im Interesse seines Gewerbebetriebs, alles tun wird und tun muß, die von ihm trainierten und geführten Pferde zum Sieg zu führen. Dies auch schon deshalb, weil ja von diesem Erfolg seine Beteiligung an den Rennpreisen abhängt.

Da die im Trabrennsport gewonnenen beruflichen Erfahrungen des Steuerpflichtigen allein nicht genügen, einen unmittelbaren Zusammenhang der Rennwettätigkeit des Steuerpflichtigen mit seinem Gewerbebetrieb zu rechtfertigen, bleiben die Gewinne hieraus bei der Einkommensbesteuerung unberücksichtigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68970

BStBl II 1970, 411

BFHE 1970, 494

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