Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiratstätigkeit eines Kommanditisten als umsatzsteuerbare Leistung - Vereinbarung eines Gesellschafterbeitrags oder einer Leistung gegen Sonderentgelt

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit eines Kommanditisten als Mitglied eines Beirates, dem vor allem Zustimmungs- und Kontrollrechte übertragen sind, kann als umsatzsteuerbare Leistung gegen Sonderentgelt vereinbart werden.

 

Orientierungssatz

Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft haben es die Beteiligten weitgehend in der Hand, diese als Gesellschafterbeitrag zu vereinbaren oder sie auf der Grundlage eines echten Austauschvertrages gegen Sonderentgelt zu erbringen (vgl. Literatur). Diese Möglichkeit ist nur dann nicht gegeben, wenn --wie im Fall der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers oder des Vorstandsmitglieds einer Körperschaft-- die Tätigkeit des Organwalters unmittelbar der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dient und als eigene Tätigkeit der Gesellschaft zu erfassen ist. Demgegenüber unterliegt die Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates einer AG gegen Zahlung einer Vergütung der Umsatzsteuer (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.06.1993; Aktenzeichen 5 K 634/90 U)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrages vom 23. Dezember 1969 hat die Gesellschaft einen aus drei Mitgliedern bestehenden Beirat. Weiter heißt es: "Die Mitglieder sollen angesehene, im Wirtschaftsleben erfahrene Personen sein, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in der Lage und bereit sind, der Gesellschaft beratend zur Seite zu stehen. Sie dürfen weder Gesellschafter noch Angehörige von Gesellschaftern noch Geschäftsführer der ... Geschäftsführungsgesellschaft mbH sein. Abweichend von Satz 3 kann Herr K.W. zum Beiratsmitglied bestellt werden, wenn er nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist."

Aufgaben des Beirates sind u.a. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, die Beratung und Überwachung der Geschäftsführung und die Entscheidung über die Vornahme von Geschäftsführungshandlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen. Beschlüsse des Beirates werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Die Beiratsmitglieder erhalten für ihre Tätigkeit je Geschäftsjahr eine Vergütung.

Nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer wurde der Gesellschafter K.W. zum Beiratsmitglied bestellt. Über die ihm für seine Beiratstätigkeit zustehende Vergütung erteilte er der Klägerin im Streitjahr eine Rechnung. Die darin ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 7 227,25 DM machte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung 1985 als Vorsteuer geltend.

Anläßlich einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Beiratstätigkeit des K.W. stelle einen nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrag dar, so daß ein Vorsteuerabzug ausscheide. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Auffassung.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1994, 128).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil des FG verletze §§ 1 Abs.1, 2 Abs.1 und 15 Abs.1 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Die Beiratstätigkeit stelle eine Geschäftsführungstätigkeit dar, so daß in dem Mitwirken des K.W. ein umsatzsteuerlich nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag zu sehen sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Tätigkeit des K.W. als Beirat unterliegt der Umsatzsteuer.

1. Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu unterscheiden zwischen Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden, und solchen, die als Gesellschafterbeitrag i.S. des § 706 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind und die durch die Beteiligung an Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 44/90, BFHE 171, 114, BStBl II 1993, 529 m.w.N.). Die Beteiligten haben es weitgehend in der Hand, Leistungen als --durch die Beteiligung an Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegoltenen (unentgeltlichen)-- Gesellschafterbeitrag zu vereinbaren oder die entsprechenden Leistungen auf der Grundlage eines echten Austauschvertrages gegen Sonderentgelt zu erbringen (vgl. Palandt/Thomas, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 53.Aufl. 1994, § 706 Rdnr.5; Ulmer, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl. 1986, § 706 Rdnr.4). Diese Möglichkeit ist nur dann nicht gegeben, wenn --wie im Fall der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers oder des Vorstandsmitglieds einer Körperschaft --die Tätigkeit des Organwalters unmittelbar der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dient und als eigene Tätigkeit der Gesellschaft zu erfassen ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 zur nicht umsatzsteuerbaren Tätigkeit als Geschäftsführer einer Personengesellschaft; vom 4. November 1982 V R 4/77, BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156 zur nicht umsatzsteuerbaren Tätigkeit des Vorstandsmitgliedes einer kassenärztlichen Vereinigung, und vom 18. Mai 1988 X R 57/81, BFH/NV 1989, 262 zur umsatzsteuerbaren Tätigkeit des Geschäftsführers eines Lohnsteuerhilfevereins). Demgegenüber unterliegt die Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates einer AG gegen Zahlung einer Vergütung der Umsatzsteuer (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juli 1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810, und vom 2. Oktober 1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42; vgl. auch § 3a Abs.4 Nr.3 UStG 1980). Das Mitglied eines Aufsichtsrates wird gegenüber der Gesellschaft selbständig tätig und ist nicht in deren Unternehmen eingegliedert (BFH-Urteil in BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810).

Im Streitfall ist die Tätigkeit des K.W. als Mitglied des Beirates kein Gesellschafterbeitrag. Seine Tätigkeit erbringt er gegen Sonderentgelt, das von dem Umfang seiner Beiratstätigkeit abhängt. Die Beiratstätigkeit dient nicht der unmittelbaren Geschäftsführung, sondern --den Rechten eines Kommanditisten und denen eines Aufsichtsrats vergleichbar-- deren Kontrolle (Baumbach/Duden/Hopt, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 28.Aufl. 1989, § 164 Anm.2 B; Riegger, in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd.2, München 1991, § 8, Rdnr.11). Die Klägerin handelt nicht durch den Beirat, sondern durch ihre Geschäftsführungsorgane; nur deren Tätigkeit unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Das FG weist zu Recht darauf hin, daß der Beirat nicht als Geschäftsführungsorgan ausgestaltet ist. Aufgaben des Beirates sind in erster Linie die Beratung und die Überwachung der Geschäftsführung. Die Einflußnahme auf die Geschäftsführung beschränkt sich auf den Zustimmungsvorbehalt zu bestimmten Geschäftsführungshandlungen; auch insoweit ist die Beiratstätigkeit mit dem Aufgabenbereich des Aufsichtsrates einer Kapitalgesellschaft gemäß § 111 Abs.4 des Aktiengesetzes vergleichbar. Dort heißt es: "Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat kann jedoch bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. ..." Entgegen der Auffassung des FA ist dieser Vergleich durchaus sachgerecht. Ebenso wie die AG nicht durch ihren Aufsichtsrat tätig wird, so wenig handelt eine Personengesellschaft durch ihren Beirat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65182

BFH/NV 1995, 28

BStBl II 1995, 150

BFHE 176, 75

BFHE 1995, 75

BB 1995, 341

BB 1995, 341-342 (LT1)

DB 1995, 355-356 (LT)

DStR 1995, 1632 (K)

DStZ 1995, 187 (KT)

HFR 1995, 151-152 (KT)

StE 1995, 6 (K)

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