Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte sind an Standortbestimmungen der zuständigen Verkehrsbehörden nach §§ 6 Abs. 1, 51 Abs. 1 GüKG ohne Rücksicht darauf gebunden, ob im Einzelfall nach ihrer Meinung ein Scheintatbestand gegeben ist.

Die für Kraftfahrzeuge des Werkverkehrs in Abschn. 1 Abs. 3 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz vom 6. März 1953 (Bundesanzeiger Nr. 47 vom 10. März 1953) allgemein getroffene Standortbestimmung ist keine solche der zuständigen Verkehrsbehörde im Sinne von §§ 6 Abs. 1, 51 Abs. 1 GüKG.

BefStG 1955 § 1 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz; GüKG §§ 2 Abs. 2, 5 Abs. 1, 6 Abs. 1, 51 Abs. 1; StAnpG §

 

Normenkette

BefStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GüKG § 2 Abs. 2, § 5/1, § 6 Abs. 1, § 51 Abs. 1; StAnpG § 5 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht hat - in übereinstimmung mit dem Finanzamt als Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion (Finanzamt) - folgenden Sachverhalt festgestellt: Die Bgin. hat ihren Sitz in T. und betreibt dort eine Baustoffgroßhandlung. Im April 1956 hat sie in M. eine "geschäftliche Niederlassung" gegründet; sie hat zu diesem Zweck die Geschäftsräume und den Lagerplatz einer Baustoffhandlung in M. gepachtet und ihren Lastzug Nr. 13 von T. nach M. umschreiben lassen. Ihr Lastzug Nr. 12 war bereits im Oktober 1955 nach M. umgeschrieben worden. Mit diesen beiden Lastzügen sind dann hauptsächlich Baustoffe aus dem Raum T. in den Raum E. im Werkverkehr befördert worden und umgekehrt. Diese Fahrten sind von M. aus solche im Nahverkehr, von T. aus dagegen Fahrten im Fernverkehr. Das Landratsamt M. als zuständige Verkehrsbehörde hat die "Niederlassung" M. durch Ausstellung entsprechender Standortbescheinigungen anerkannt. Das Finanzamt dagegen hat durch Beförderungsteuerprüfung im April 1958 festgestellt, daß sich in M. keine "nicht nur vorübergehende geschäftliche Niederlassung" im Sinne des § 6 Abs. 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG), sondern nur eine untergeordnete Abteilung des Hauptgeschäfts, eine Niederlage, befinde und die Lastzüge Nr. 12 und 13 ausschließlich durch das Hauptgeschäft in T. eingesetzt würden. Es hat deshalb die "Niederlassung" M. beförderungsteuerrechtlich nicht anerkannt und sämtliche Fahrten mit den beiden Lastzügen als solche im Werkfernverkehr behandelt.

Durch zwei Beförderungsteuerbescheide des Finanzamts für die Zeit vom 1. April 1956 bis 31. Dezember 1957 wurden infolgedessen .... DM Beförderungsteuer von der Bgin. nachgefordert; weitere .... DM für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1956 sind unbestritten. In der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 1959 betreffend die Jahre 1956 und 1957 wurde den Einsprüchen der Bgin. nicht stattgegeben. Das Finanzamt verneinte, daß der Geschäftsraum der Bgin. in M. Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit in M. sei; dort sei nur eine Niederlage. Der Umstand, daß das Landratsamt M. als zuständige Verkehrsbehörde "die fragliche Niederlassung durch Ausstellung von besonderen Standortbescheinigungen" anerkannt habe, schließe ihre steuerrechtliche Nichtanerkennung nicht aus.

Auf die Berufung der Bgin. hat das Finanzgericht unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung für 1956 und des zugrunde liegenden Beförderungsteuerbescheids die Beförderungsteuer für 1956 auf (die unbestritten nachgeforderten) .... DM ermäßigt und die Einspruchsentscheidung, soweit sie sich auf 1957 bezog, und den zugrunde liegenden Beförderungsteuerbescheid für 1957 ersatzlos aufgehoben. Das Finanzgericht hat u. a. ausgeführt: Nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 51 GüKG müsse für jedes Kraftfahrzeug, das im Werkfernverkehr verwendet werden solle, ein Standort bestimmt werden. Zuständig seien die Verkehrsbehörden. Ihre Entscheidung binde die Finanzbehörden und die Steuergerichte.

Das Finanzamt (als Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion) hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Rb. eingelegt. Es bekämpft - im wesentlichen unter Hinweis auf einige Entscheidungen der Finanzgerichte - die Auffassung der Vorinstanz, die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte seien an die von den unteren Verkehrsbehörden ausgestellten Standortbescheinigungen (§§ 6 Abs. 1, 51 Abs. 1 GüKG) gebunden. Weiter habe die Vorinstanz zu Unrecht die Beförderungsteuer für 1956 auf nur .... DM ermäßigt und den Beförderungsteuerbescheid für 1957 ersatzlos aufgehoben; sie sei offensichtlich davon ausgegangen, daß die Bescheide für 1956 und 1957 sich lediglich auf die Beförderungsteuer für die "Zweigniederlassung" M. erstreckt hätten; das sei jedoch unzutreffend; denn die berichtigten Beförderungsteuerbescheide für 1956 und 1957 hätten auch die Beförderungsteuer für die "Hauptniederlassung" in T. enthalten.

Die Bgin. trägt - unbestritten - vor, die beiden für die Lastzüge Nr. 12 und 13 ausgestellten Kraftfahrzeugscheine seien auf die Bgin. in M. ausgestellt worden; eine besondere Standortbestimmung sei nicht erfolgt und eine Standortbescheinigung nicht erteilt worden. Solche Bescheinigungen über Standortbestimmungen für beide LKW sind am 3. September bzw. 30. November 1962 vom Landratsamt M. rückwirkend erteilt worden.

Die Bgin. tritt der Vorentscheidung in der Grundsatzfrage bei. Sie pflichtet im übrigen in der Frage der Höhe der Beförderungsteuer für 1956 und 1957 dem Standpunkt des Finanzamts bei, daß die bisherigen Steuerbescheide für diese Jahre insoweit wieder herzustellen seien, als sie die (nicht bestrittene) Beförderungsteuer der "Hauptniederlassung" T. betroffen hätten. Die Bgin. hat ein Gutachten des Prof. - damaligen Dozenten - Dr. Jesch über den Begriff der geschäftlichen Niederlassung im GüKG, über Rechtsnatur und bindende Wirkung der Standortbestimmung und der Standortbescheinigung nach diesem Gesetz sowie der sie vertretenden Eintragung im Kraftfahrzeugschein und über die Möglichkeit des Widerrufs der Standortbestimmung beigebracht und den Inhalt des Gutachtens zu ihrem Vortrag gemacht. Das Gutachten gelangt zu folgenden Ergebnissen:

Die Niederlassung in M. habe von Anfang an den Anforderungen genügt, die nach dem GüKG an eine geschäftliche Niederlassung zu stellen seien. M. habe als Standort für Kraftfahrzeuge der Bgin. gewählt werden können. Die Fahrten der Lastzüge mit dem Standort in M. seien Fahrten im Werknahverkehr gewesen und hätten damit nicht der Beförderungsteuer unterlegen.

Die Finanzbehörden seien an die Standortentscheidungen der Verkehrsbehörden gebunden. Das gelte für alle Arten der Standortbestimmung und auch für die eine besondere Standortbescheinigung rechtlich vertretende Wohnsitzeintragung im Kraftfahrzeugschein. Die Meinung des Finanzamts, wonach die Niederlassung in M. den Anforderungen des GüKG nicht entsprochen habe, sei daher rechtlich irrelevant. Das Finanzamt sei an die Standortentscheidung des Landratsamts M. gebunden und müsse auch steuerrechtlich von M. als Standort der Lastzüge ausgehen.

Ein Widerruf der Standortbescheinigung durch das Landratsamt M. ex tunc sei keinesfalls zulässig.

Der Vorentscheidung sei im Ergebnis voll beizupflichten; die Erhebung einer Beförderungsteuer für Fahrten der in M. damals stationierten Lastzüge der Bgin. sei unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt unzulässig.

Der Bundesminister der Finanzen ist gemäß § 287 Nr. 2 AO dem Verfahren beigetreten. Er gibt gegenüber der Meinung, daß eine Bindung der Behörde (im Streitfall: der Finanzverwaltungsbehörde) an einen gestaltenden Verwaltungsakt einer anderen Behörde (der Verkehrsbehörde) unmittelbar aus der rechtsgestaltenden Wirkung des Verwaltungsaktes folge, der in dem Gutachten (S. 57 ff., 65/6) vertretenen Auffassung den Vorzug, die streitige Frage nicht als Bindungsproblem, sondern als Anerkennungsproblem zu sehen; es gehe um die Frage, ob die Entscheidung einer Behörde von einer anderen Behörde anerkannt werden müsse. Er folgt dem Gutachten insbesondere darin, daß dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung im allgemeinen der Vorrang vor dem Ressortinteresse gebühre, daß es im Einzelfall aber immer auf eine Untersuchung des Verhältnisses ankomme, in dem die beiden Träger der Staatsgewalt zueinander stünden. Auf Grund der Untersuchung des Verhältnisses, in dem die Verkehrsbehörden und die Steuerbehörden bei der Anwendung des GüKG und des BefStG zueinander stehen, folgere das Gutachten sowohl aus der allgemeinen Konzeption des BefStG als auch aus der Gesetzeserfassung, daß die Verkehrsbehörden für die Steuerbehörden verbindlich über den Standort zu entscheiden hätten. Dem Gutachten sei einzuräumen, daß der Aufbau der Gesetze (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz BefStG 1955, 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 Satz 1 GüKG) für die in dem Gutachten vertretene Ansicht spreche. Es sei jedoch die Wirkung des § 22 AO (Steuergeheimnis) unberücksichtigt geblieben; es würden rechtliche, auch steuerrechtliche Schwierigkeiten entstehen, wenn das Finanzamt die änderung einer von ihm als unrichtig erkannten Standortbestimmung erreichen wollte. Vom Gesichtspunkt des Steuerpflichtigen sei entgegen der wohl von der herrschenden Meinung angenommenen Bindung die Annahme einer Nichtbindung der Finanzverwaltungsbehörden an die Standortbestimmungen der Verkehrsbehörden im Endergebnis günstiger. Andererseits habe die Nichtbindung den Nachteil, daß dadurch ein und derselbe Sachverhalt von verschiedenen Behörden abweichend beurteilt werden könne. Bei Abwägung der Interessen sei sowohl der Wahrung des Steuergeheimnisses der Vorrang einzuräumen; die Finanzämter seien daher für berechtigt anzusehen, bei der Steuerfestsetzung von der Standortbestimmung abzuweichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat nur insoweit Erfolg, als sie bemängelt, daß die Einspruchsentscheidung für 1956 und 1957 und die zugrunde liegenden Beförderungsteuerbescheide von der Vorinstanz voll aufgehoben worden sind.

Zum Tatbestand: Der Vortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren über die (rückwirkende) Erteilung von Bescheinigungen des Landratsamts über Standortbestimmung M. für die in M. stationierten LKW der Bgin. stellt eine neue Tatsache dar, die gemäß § 288 AO vor dem Bundesfinanzhof nicht zu berücksichtigen wäre. Jedoch hat das Finanzgericht ohne Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten festgestellt, daß das Landratsamt M. als zuständige Verkehrsbehörde die "Niederlassung" M. durch Ausstellung entsprechender Standortbescheinigungen anerkannt habe; demgemäß hat die Vorinstanz von § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 GüKG ausgehend die Rechtslage untersucht. Die Frage, ob die Vorinstanzen den Sachverhalt genügend aufgeklärt haben oder ob ihr Verfahren an wesentlichen Mängeln gelitten hat, kann auf sich beruhen, da solche Mängel nicht in der Rechtsbeschwerdebegründung nach § 288 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 289 Abs. 2, § 290 Abs. 1 AO gerügt worden sind. Es ist somit von dem vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalt und demgemäß von den Vorschriften der §§ 51 Abs. 1, 6 Abs. 1 GüKG auszugehen. Im Streitfall kommt § 51 Abs. 1 GüKG noch in der vor der änderung durch das Vierte Gesetz zur änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 1. August 1961 Art. 1 Nr. 18 (BGBl 1961 I S. 1157, 1159) geltenden Fassung zur Anwendung.

Im allgemeinen Verwaltungsrecht gilt nach herrschender Meinung der Grundsatz der Bindung von Verwaltungsbehörden und Gerichten an rechtsgestaltende Verwaltungsakte. Ein erheblicher Teil des Schrifttums schließt unmittelbar aus der Gestaltungswirkung eines Verwaltungsakts auf seine Verbindlichkeit (vgl. S. 55 des Gutachtens). Für das Beförderungsteuerrecht hat der erkennende Senat die Frage der Bindung an Entscheidungen der Verkehrsbehörden mehrfach behandelt. Im Urteil II 201/57 S vom 20. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 418, Slg. Bd. 73 S. 413) hat er zwar eine Bindung an die nach § 8 Abs. 2 GüKG ergangene (feststellende) Entscheidung der höheren Landesverkehrsbehörde verneint; er hat für rechtsgestaltende (rechtsbegründende) oder für solche Verwaltungsakte, für die eine Bindung besonders vorgeschrieben ist, eine Bindung bejaht. Im Urteil II 37/57 U vom 22. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 248, 249, Slg. Bd. 71 S. 1) hat er die Standortbestimmung nach § 6 Abs. 1 GüKG für ein Kraftfahrzeug des Werkfernverkehrs für einen rechtsgestaltenden Akt der Verkehrsbehörde und für die Finanzbehörden bindend erklärt, allerdings mit der Einschränkung, daß eine Bindung nicht im Falle des Vorliegens eines Scheintatbestands nach § 5 GüKG eintrete. Die gleiche Einschränkung hat er in dem Urteil II 40/59 vom 22. Dezember 1959 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Beförderungsteuergesetz, zu § 1, Rechtsspruch 15) und im Urteil II 65/61 vom 6. Dezember 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Beförderungsteuergesetz, zu § 1, Rechtsspruch 22) gemacht. Diese Meinung ist nicht nur im Schrifttum, sondern auch in der Rechtsprechung (vgl. Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Mannheim, vom 24. Mai 1962 III 164/62, Der Betriebs-Berater 1962 S. 1115/6, Der Güterverkehr 1963 S. 141) auf Ablehnung gestoßen. Das Finanzgericht hat im Streitfall die Frage des Scheingeschäfts nicht geprüft. Dessen bedurfte es auch nicht. Die Frage eines etwaigen Vorliegens eines Scheintatbestands nach § 5 GüKG konnte im Streitfall auf sich beruhen. Der Senat hält nach eingehender Prüfung der Rechtslage nicht mehr an der Einschränkung der Bindung für Fälle von Standortbestimmungen nach § 6 Abs. 1, § 51 Abs. 1 GüKG fest, in denen etwa Scheintatbestände (ß 5 GüKG) vorgelegen haben sollten.

Im Streitfall ist die Frage der Bindung an Verwaltungsakte anderer Behörden (hier: der Verkehrsbehörden) nicht allgemein zu untersuchen, sondern nur für die Fälle der §§ 6 Abs. 1, 51 Abs. 1 (gegebenenfalls in Verbindung mit § 5) GüKG.

Für die bezeichneten Fälle von Standortbestimmungen, die in den Standortbescheinigungen bescheinigt werden, ergibt sich, daß die Standortbestimmung ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt der zuständigen Verkehrsbehörde ist, an den - bei dem engen Zusammenhang von Beförderungsteuerrecht und Verkehrsrecht - die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte gebunden sind. Der erkennende Senat hat in dem Urteil II 40/59 vom 22. Dezember 1959 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Beförderungsteuergesetz, zu § 1, Rechtsspruch 15) ausgesprochen, daß die für Kraftfahrzeuge des Werkverkehrs im Abschn. 1 Abs. 3 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz vom 6. März 1953 allgemein getroffene Standortbestimmung eine solche Bestimmung durch die Verkehrsbehörde darstelle, die rechtsgestaltender Art und daher für die Finanzverwaltungsbehörde bindend sei, es sei denn, daß ein Scheintatbestand nach § 5 GüKG gegeben sei. Diese Ansicht wird jedoch nicht mehr aufrechterhalten, insbesondere deshalb nicht, weil kein einzelner Verwaltungsakt vorliegt, in der bezeichneten Bestimmung der Verwaltungsanordnung aber auch keine Vielzahl von zusammengefaßten "Verwaltungsakten" angenommen werden kann. Für solche einzelne Verwaltungsakte würde überdies weder die sachliche noch die örtliche Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr begründet sein. Es ist aber die einzelne Standortbestimmung der zuständigen Verkehrsbehörde (ß 1 Abs. 2 Satz 2 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz vom 6. März 1953) ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der Steuerbehörden und Steuergerichte beförderungsteuerrechtlich bindet. Ist aber die Bindung gegeben, so kann es für diese Frage nichts ausmachen, ob das Finanzamt die Standortbestimmung und -bescheinigung (überhaupt und noch) für zutreffend hält oder ob es meint, es liege ein Scheintatbestand vor. Auch der Bundesminister der Finanzen meint, aus dem Gutachten lasse sich sehr wohl der Schluß ziehen, daß es im Sinne des Gesetzes liege, wenn die Verwaltungsbehörden hinsichtlich der Annahme der Nahzone an die Standortbestimmungen der zuständigen Verkehrsbehörden gebunden seien. Die Bindung müßte dann so lange gelten, als die - nicht nichtige - Standortbestimmung bestehe, also auch in Umgehungsfällen, die als solche den Verkehrsbehörden noch nicht bekannt seien und deshalb auch noch nicht zu einer änderung der Standortbestimmung geführt hätten. Der Bundesminister der Finanzen ist dann aber weiter der Meinung, § 22 AO sei von dem Gutachten unberücksichtigt gelassen worden. Diese Rüge ist nicht berechtigt. Die Erkenntnis der Bindung der Finanzverwaltungsbehörden an die Standortbestimmungen der Verkehrsbehörden hat das Gutachten zutreffend herausgearbeitet. Die Frage, wie die Finanzbehörde trotz der Standortbestimmung der Verkehrsbehörde, die das Finanzamt etwa für unrichtig hält, zu einer richtigen Besteuerung kommen kann, ist eine andere Frage, eine Folgewirkung, die zu lösen, falls sie nicht nach geltendem Recht befriedigend gelöst werden könnte, Aufgabe des Gesetzgebers wäre. Daß aber Bedenken aus dieser Sicht gegen eine Annahme der Bindung der Finanzbehörden nicht bestehen, ergibt sich auch aus dem in der Deutschen Steuer-Zeitung 1962, Ausgabe B. S. 55 abgedruckten Erlaß des Bundesministers der Finanzen selbst vom 3. Januar 1962, in dem er (für die nach seiner Meinung allein in Betracht kommenden Fälle des Nichtvorhandenseins eines Scheintatbestands) - zutreffend - ein Recht der Finanzämter für gegeben hält, die Verkehrsbehörden über den wirklichen Sachverhalt zu unterrichten, damit diese eine andere Standortbestimmung vornehmen.

Der Senat kommt somit - in übereinstimmung mit überzeugendem Schrifttum und mit dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Mannheim) vom 24. Mai 1962 III 164/62 (vgl. Der Betriebs-Berater 1962 S. 1115/6, Der Güterverkehr 1963 S. 141) zu dem Ergebnis, daß eine Bindung der Finanzverwaltungsbehörden und der Steuergerichte an die Standortbestimmungen der Verkehrsbehörden nach § 6 Abs. 1, § 51 Abs. 1 GüKG besteht, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall in Wirklichkeit die Begründung eines Scheintatbestands vorgelegen hat. Das Nichtgegebensein der Voraussetzungen des § 5 GüKG hat die Verkehrsbehörde vor Bestimmung des Standorts und vor Ausstellung der Standortbescheinigung zu prüfen. An die Standortbestimmung ist die Finanzverwaltungsbehörde gebunden. Das Finanzgericht hat zutreffend dargelegt, daß die Finanzverwaltungsbehörden, wenn sie der Meinung sind, die Standortbestimmung sei von Anfang an unrichtig oder unrichtig geworden, berechtigt sind, die Bestimmung eines anderen Standorts - unter den gesetzlichen Voraussetzungen gegebenenfalls mit rückwirkender Kraft - anzuregen.

Im Streitfall war somit der Vorentscheidung darin beizupflichten, daß die Finanzverwaltungsbehörden an die Standortbescheinigungen der Verkehrsbehörde in M. gebunden waren. Das Finanzgericht hat bei dieser Rechtslage zutreffend nicht die Frage untersucht, ob der Grundsatz von Treu und Glauben im Streitfall bedeutsam sein könnte, weil die Bgin. nach ihrem Vortrag sich vor Gründung der von ihr als Niederlassung angesehenen Stelle in M. eingehend bei dem dortigen Landratsamt und bei der Industrie- und Handelskammer sowie bei dem Finanzamt über die für eine Niederlassung erforderlichen Voraussetzungen erkundigt habe.

Wenn auch dem Finanzgericht in der Grundfrage beizutreten ist, so bemängelt das Finanzamt doch mit Rechte, daß die Vorinstanz unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung für 1956 und des ihr zugrunde liegenden Beförderungsteuerbescheids die Beförderungsteuer für 1956 auf ... DM ermäßigt und die Einspruchsentscheidung betreffend 1957 und den ihr zugrunde liegenden Beförderungsteuerbescheid für 1957 "ersatzlos aufgehoben" hat, ohne zu berücksichtigen, daß in diesen Steuerfestsetzungen auch die Beförderungsteuer für die Hauptniederlassung der Bgin. in T. enthalten war. Die Bgin. hat das auch anerkannt. Die Vorentscheidung konnte deshalb in der bisherigen Form nicht bestehen bleiben. Es waren vielmehr unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung für 1956 und 1957 und der Beförderungsteuerbescheide für 1956 und 1957 die Beförderungsteuer für 1956 auf ... DM und die Beförderungsteuer für 1957 auf ... DM festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 307, 309 AO. Gemäß § 314 AO waren die durch unrichtige Behandlung der Sache - volle Freistellung der Bgin. von der Beförderungsteuer für 1957 und Ermäßigung bis auf ... DM für 1956 - ohne Schuld der Bgin. entstandene Rechtsmittelgebühr vor dem Bundesfinanzhof und die dem Bundesfinanzhof erwachsenen Auslagen, welche die Bgin. an sich zu tragen hat, nicht zu erheben. Die Streitwertfeststellung beruht auf § 320 Abs. 4 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410883

BStBl III 1963, 396

BFHE 1964, 209

BFHE 77, 209

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