Leitsatz (amtlich)

1. Die Ursprungsbescheinigung gemäß § 8 BerlinFG enthält nicht nur die Feststellung tatsächlicher Vorgänge, sondern auch rechtliche Wertungen. Sie unterliegt jedenfalls in rechtlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörden.

2. Zum Begriff der "nur geringfügigen" Behandlung eines Gegenstandes im BerlinFG.

 

Orientierungssatz

1. Entscheidungen anderer Behörden sind für die Finanzbehörden grundsätzlich nur dann verbindlich, wenn dies im Gesetz unmittelbar vorgesehen ist oder wenn dies mittelbar aus dem Gesetz folgt, soweit dieses eine Behörde zur Vornahme von Rechtsgestaltungen, insbesondere zu Genehmigungen oder Anerkennungen, ermächtigt (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).

2. Die Rechtsgrundsätze zum Bearbeitungsbegriff und Verarbeitungsbegriff des § 12 UStDB 1951 gelten entsprechend bei der Auslegung des § 6 BerlinFG (Lit.). Danach entstand ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit, wenn durch die Bearbeitung oder Verarbeitung die Wesensart des Gegenstands geändert wurde, d.h. wenn durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut entstand. Die Änderung der Marktgängigkeit kann nicht nur durch ein positives Tun, sondern auch durch bewußtes Unterlassen des Unternehmers bewirkt werden (Lit.). Sie kann ferner darin liegen, daß eine Ware durch die Behandlung überhaupt erst verkehrsfähig und marktgängig gemacht wird (vgl. RFH-Urteil vom 19.7.1940 V 399/39; Lit.).

3. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Gegenstand nur "geringfügig" behandelt worden ist (§ 6 BerlinFG), kommt es nicht entscheidend darauf an, in welchem Verhältnis der wirtschaftliche Aufwand für die Bearbeitung zum Erlös für das Endprodukt steht. Maßgeblich ist vielmehr, ob und in welchem Umfang die Behandlung eines Gegenstandes nach allgemeinem wirtschaftlichen und technischen Verständnis nennenswert ist und für die Belebung der Berliner Wirtschaft Bedeutung hat. In die Beurteilung ist der gesamte Behandlungsvorgang einzubeziehen; es ist nicht zulässig, einzelne Arbeitsvorgänge herauszugreifen und zu prüfen, ob diese nur als geringfügig anzusehen sind. In die Betrachtung sind auch Vorgänge einzubeziehen, die für sich allein gesehen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BerlinFG nicht als Bearbeitung oder Verarbeitung gelten (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

BerlinFG § 6 Abs. 1, § 8; UStDB 1951 § 12

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stellt das Produkt "P" her, und zwar seit 1962 teilweise in Berlin (West).

Im September 1973 stellte die Klägerin ihren Berliner Betrieb auf eine vollständige und eigenständige Produktion um. Seitdem stellen die Betriebe in Berlin und A (Bundesgebiet) selbständig und unabhängig voneinander das genannte Produkt her.

In ihren Steuererklärungen für 1973 und 1974 machte die Klägerin unter Vorlage entsprechender Ursprungsbescheinigungen des Senators für Wirtschaft, Berlin, Umsatzsteuerkürzungen gemäß § 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) geltend. Mit den vorläufigen Umsatzsteuerbescheiden 1973 und 1974 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die beantragten Umsatzsteuerkürzungen für 1973 vollständig und für 1974 insoweit, als sie Lieferungen bis einschließlich Mai 1974 betrafen. Zur Begründung führte das FA u.a. aus, die bei der sogenannten Teilproduktion vorgenommenen Be- und Verarbeitungen seien als geringfügig i.S. des § 6 BerlinFG anzusehen.

Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA im Anschluß an eine Betriebsprüfung für 1973 einen endgültigen Umsatzsteuerbescheid, in dem es die beantragten Umsatzsteuerkürzungen wiederum nicht berücksichtigte. Mit der Einspruchsentscheidung gab das FA dem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 1973 aus anderen Gründen zum Teil statt. Den Einspruch wegen Umsatzsteuer 1974 wies es als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 6 BerlinFG.

Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FA durfte trotz der vorliegenden Ursprungsbescheinigungen prüfen, ob die Behandlung des fraglichen Produkts in Berlin (West) geringfügig i.S. des § 6 BerlinFG war. Das FG hat dies zutreffend verneint.

I. Gemäß § 1 Abs.1 BerlinFG in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung vom 29.Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1016) ist ein Berliner Unternehmer, der Gegenstände an einen westdeutschen Unternehmer geliefert hat, berechtigt, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer um 4,5 v.H. des für diese Gegenstände vereinbarten Entgelts zu kürzen, wenn die Gegenstände in Berlin (West) hergestellt worden sind und aus Berlin (West) in den übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes gelangt sind. Berliner Unternehmer ist auch eine in Berlin (West) belegene Betriebsstätte eines Unternehmers, der wie hier die Klägerin, seine Geschäftsleitung im Bundesgebiet hat (§ 5 Abs.1 Nr.2 BerlinFG). Eine Herstellung in Berlin (West) liegt vor, wenn durch eine Bearbeitung oder Verarbeitung in Berlin (West) nach der Verkehrsauffassung ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstanden ist, es sei denn, daß der Gegenstand in Berlin (West) nur geringfügig behandelt worden ist. Kennzeichnen, Umpacken, Umfüllen, Sortieren, das Zusammenstellen von erworbenen Gegenständen zu Sachgesamtheiten und das Anbringen von Steuerzeichen gelten nicht als Bearbeitung oder Verarbeitung (§ 6 Abs.1 BerlinFG).

1. Der Nachweis, daß ein Gegenstand in Berlin (West) hergestellt oder eine Werkleistung in Berlin (West) ausgeführt worden ist, ist durch eine Ursprungsbescheinigung zu führen, die der Senator für Wirtschaft, Berlin, auf Antrag ausstellt (§ 8 Abs.1 Satz 1 BerlinFG). Der Inhalt dieser Bescheinigung erschöpft sich jedoch nicht in der Feststellung tatsächlicher Vorgänge (so Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, Randnote 33 zu § 8; George, Berliner Steuerpräferenzen, 6.Aufl., Randnote 21 zu § 8 BerlinFG). Sie enthält darüber hinaus auch rechtliche Wertungen. Die Entscheidung darüber, ob ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstanden und ob dieser Gegenstand nicht nur geringfügig behandelt worden ist (§ 6 BerlinFG), betrifft nicht nur die Würdigung des Sachverhalts, sondern ist auch Rechtsanwendung.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. Umsatzsteuerkartei --UStKart--, S.7480, Karte 12, Randnote 163) ist die Ursprungsbescheinigung ein Beweismittel, das in vollem Umfang durch die Finanzbehörden nachprüf- und widerlegbar ist. Der Senat kann unerörtert lassen, ob er dieser Rechtsauffassung uneingeschränkt folgen könnte. Er ist jedoch der Ansicht, daß die Ursprungsbescheinigung für die Finanzbehörden und das FG jedenfalls insoweit nicht verbindlich ist, als darin die --im Streitfall allein umstrittenen-- Rechtsfragen beurteilt werden.

a) Entscheidungen anderer Behörden sind für die Finanzbehörden grundsätzlich nur dann verbindlich, wenn dies im Gesetz unmittelbar vorgesehen ist oder wenn dies mittelbar aus dem Gesetz folgt, soweit dieses eine Behörde zur Vornahme von Rechtsgestaltungen, insbesondere zu Genehmigungen oder Anerkennungen, ermächtigt (vgl. insbesondere Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Februar 1966 II 60/63, BFHE 85, 521, BStBl III 1966, 438; vom 13.Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245, ergangen zu § 171 der Abgabenordnung --AO 1977--; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Anm.4 zu § 88 AO 1977; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Randnote 12 zu § 88 AO 1977).

b) Eine Bindung der Finanzbehörden an den Inhalt der Ursprungsbescheinigung ist weder im BerlinFG selbst ausdrücklich vorgeschrieben, noch ergibt sie sich aus dem Bedeutungszusammenhang, in dem § 8 BerlinFG steht. Der Verwaltungsakt des Senators für Wirtschaft, Berlin, ist nicht rechtsgestaltend (rechtsbegründend) in bezug auf die Beurteilung der hier streitigen Rechtsfragen. Insoweit enthält die Bescheinigung nicht nur außersteuerrechtliche Werturteile, sondern eine Beurteilung auch spezifisch steuerrechtlicher Fragen. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage der Geringfügigkeit, da diese im Zusammenhang mit dem steuerrechtlichen Begriff der Be- und Verarbeitung (siehe dazu unten unter 2.a) zu beurteilen ist. Finanzbehörden und FG sind insoweit berechtigt und verpflichtet, die endgültige Entscheidung selbst zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 30.April 1954 III 171/53 S, BFHE 58, 728, BStBl III 1954, 189; vom 19.März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, unter 3.). Diese Auslegung des Senats wird bestätigt durch den Willen des Gesetzgebers, wie er in der Gesetzesbegründung (BRDrucks 455/67 S.8) seinen Ausdruck gefunden hat. Danach soll es die Geringfügigkeitsklausel sowohl den Finanzbehörden als auch dem Senator für Wirtschaft, Berlin, ermöglichen, die Gewährung der Vergünstigung "aus Rechtsgründen" zu versagen.

c) Der Ansicht des Senats steht nicht entgegen, daß das Recht auf Erteilung der Ursprungsbescheinigung ein eigenständiges Recht des Senators für Wirtschaft, Berlin, ist und mit dieser Regelung dem Gesichtspunkt der Sachkunde Rechnung getragen wird. Dieser Umstand kann allenfalls Bedeutung für die Frage haben, inwieweit die Finanzbehörden an die in der Ursprungsbescheinigung enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gebunden sind, nicht aber hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung, die im Hinblick auf deren umsatzsteuerrechtlichen Charakter dem Aufgabenbereich der Finanzbehörden zuzuordnen ist (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 25.März 1965 VIII C 395.63, BVerwGE 21, 33, 36 f.).

2. Entgegen der Auffassung des FA ist durch die Be- und Verarbeitung des Produkts "P" in Berlin (West) ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstanden.

a) Die Regelung in § 6 Abs.1 Satz 1 BerlinFG lehnt sich an den Be- und Verarbeitungsbegriff des § 12 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB 1951) an. Danach entstand ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit, wenn durch die Be- oder Verarbeitung die Wesensart des Gegenstandes geändert wurde, d.h. wenn durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut entstand. Die Änderung der Marktgängigkeit kann nicht nur durch ein positives Tun, sondern auch durch bewußtes Unterlassen des Unternehmers bewirkt werden (Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 9.Aufl., Randnoten 4712 und 4788 zu § 7 Abs.3; Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, Randnote 5 zu § 6 BerlinFG). Sie kann ferner darin liegen, daß eine Ware durch die Behandlung überhaupt erst verkehrsfähig und marktgängig gemacht wird (Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 19.Juli 1940 V 399/39, RStBl 1940, 887; Plückebaum/Malitzky, a.a.O., Randnote 4622 zu § 7 Abs.3).

Diese Rechtsgrundsätze gelten entsprechend bei der Auslegung des § 6 BerlinFG (Mößlang in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., Randnote 4 zu § 6 BerlinFG; Sönksen/Söffing, a.a.O., Randnote 4 zu § 6).

b) Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt: (Wird ausgeführt)

Da das FA insoweit keine Verfahrensrügen geltend gemacht hat, ist der Senat an diese Feststellungen gebunden (vgl. § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

c) Das FG ist aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Ergebnis gelangt, daß durch die Bearbeitung des Produkts "P" in Berlin (West) ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstanden ist. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. (Wird ausgeführt)

3. Das FG hat ferner zu Recht die Ansicht vertreten, daß das Produkt "P" in Berlin (West) nicht nur geringfügig behandelt worden ist.

a) Zum Begriff der nur "geringfügigen" Behandlung eines Gegenstandes hat der BFH im Urteil vom 10.Oktober 1974 V R 160/73 (BFHE 114, 146, BStBl II 1975, 130) Stellung genommen. Danach kommt es nicht entscheidend darauf an, in welchem Verhältnis der wirtschaftliche Aufwand für die Bearbeitung zum Erlös für das Endprodukt steht. Maßgeblich ist vielmehr, ob und in welchem Umfang die Behandlung eines Gegenstandes nach allgemeinem wirtschaftlichen und technischen Verständnis nennenswert ist und für die Belebung der Berliner Wirtschaft (Schaffung von Arbeitsplätzen, Auslösung von Investitionen und ähnliches mehr) Bedeutung hat. Der BFH hat diese Rechtsprechung in den Urteilen vom 10.Februar 1977 V R 24/76 (BFHE 121, 567, BStBl II 1977, 519) und vom 14.Juli 1983 V R 128/80 (BFHE 139, 214, BStBl II 1983, 704) fortgeführt. Er hat dabei insbesondere die Ansicht vertreten, daß in die Beurteilung der gesamte Behandlungsvorgang einzubeziehen und es nicht zulässig ist, einzelne Arbeitsvorgänge herauszugreifen und zu prüfen, ob diese nur als geringfügig anzusehen sind. In die Betrachtung sind auch Vorgänge einzubeziehen, die für sich allein gesehen gemäß § 6 Abs.1 Satz 2 BerlinFG nicht als Be- oder Verarbeitung gelten, wie Kennzeichnen, Umpacken, Umfüllen usw. (Urteil in BFHE 121, 567, BStBl II 1977, 519).

Entgegen der Auffassung des FA ist das BFH-Urteil vom 3.März 1978 III R 30/76 (BFHE 125, 70, BStBl II 1978, 412) nicht einschlägig, da es im Streitfall nicht auf die Abgrenzung zwischen dem Herstellungs- und Vertriebsbereich ankommt. Ebensowenig ist entscheidungserheblich, in welchem Wert- oder Bedeutungsverhältnis die Produktionsvorgänge in Berlin (West) zu dem in dem Bundesgebiet stehen und wo die wesentlichen produktspezifischen Ursachen gesetzt werden. Entscheidend ist vielmehr lediglich, ob der Gegenstand in Berlin (West) nicht nur geringfügig behandelt wird. Diese Voraussetzung kann aber auch dann noch vorliegen, wenn der Schwerpunkt der Bearbeitung außerhalb von Berlin (West) liegt. Maßgebend sind dabei entgegen der Auffassung des FA die Verhältnisse des Unternehmers, der in Berlin (West) eine Be- oder Verarbeitung vornimmt. Weichen diese von denen anderer Unternehmen der gleichen Branche ab, so ist dies jedenfalls dann unerheblich, wenn die Abweichungen --wie im Streitfall-- durch die Eigenart des Produkts bedingt sind.

b) Nach den unangefochtenen und den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG wandte die Klägerin für den Berliner Betrieb in den Jahren 1968 bis 1974 rd. ....Mio DM auf. Davon entfielen rd. ...Mio DM auf die Fertigung, der Rest auf Verwaltung und Vertrieb. An Löhnen und Gehältern zahlte die Klägerin in den Jahren 1973 und 1974 rd. ...Mio DM bzw. ...Mio DM. Im Durchschnitt der Jahre 1968 bis 1974 waren jährlich etwa 80 Arbeitnehmer beschäftigt.

Das FG ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der von ihm insgesamt festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten zum Ergebnis gelangt, daß das Produkt "P" in Berlin (West) nicht nur geringfügig behandelt worden ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Für eine nicht nur geringfügige Bearbeitung spricht zunächst die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und die Höhe der sowohl in den Streitjahren als auch in den vorangegangenen Jahren getätigten Investitionen. Die absolute Höhe der Aufwendungen ist jedoch nicht stets allein maßgeblich; denn auch ein nur geringfügiger Aufwand kann sich zu einer beachtlichen Größe summieren, wenn eine entsprechend große Anzahl von Gegenständen bearbeitet wird. Im Streitfall hat das FG jedoch zutreffend auch darauf verwiesen, daß den Produktionsvorgängen in Berlin (West) maßgebliche Bedeutung innerhalb des gesamten Produktionsablaufs zukommt, und zwar insofern, als diese Vorgänge einen wesentlichen Fortschritt bei der Herstellung des Produkts zur Folge haben.

c) Der Einwand des FA, die Umsatzsteuervergünstigung des § 1 BerlinFG sei deshalb zu versagen, weil die von der Klägerin in Anspruch genommenen steuerlichen Vorteile betragsmäßig höher als die Gesamtinvestitionen seien, ist unbegründet.

Mit der Geringfügigkeitsklausel sollte lediglich ausgeschlossen werden, daß geringfügige Be- und Verarbeitungen zur Inanspruchnahme der Umsatzsteuervergünstigungen berechtigen (BRDrucks 455/67 S.8). Dies bedeutet andererseits, daß Herstellungsvorgänge, die i.S. von § 6 Abs.1 BerlinFG nicht nur geringfügig sind, grundsätzlich vom Förderungszweck des BerlinFG erfaßt werden. Aus der Tatsache, daß sich Unternehmen der jeweils gegebenen Rechtslage anpassen, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß die jeweilige Bearbeitungsmaßnahme nicht zu begünstigen sei. Das BerlinFG bezweckt gerade, Betriebe nach Berlin (West) zu ziehen, und zwar selbst solche, die ohne die Vergünstigungen möglicherweise hier nicht rentabel wären. Sollten sich aus den geltenden gesetzlichen Regelungen unerwünschte Entwicklungen ergeben, so ist es Aufgabe des Gesetzgebers, entsprechende Ausnahmen und Einschränkungen vorzusehen, wie dies bereits in § 4 BerlinFG geschehen ist (vgl. insbesondere § 4 Abs.1 Nr.11 BerlinFG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 61718

BStBl II 1987, 645

BFHE 150, 173

BFHE 1987, 173

BB 1987, 2212

DStR 1987, 727-728 (ST)

HFR 1987, 563-564 (ST)

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