Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klinkerhalle eines Zementwerkes ist bei der Einheitsbewertung nicht als Betriebsvorrichtung, sondern als Gebäude zu bewerten.

 

Normenkette

BewG § 50/1, §§ 68, 57, 99

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei dem Betriebsvermögen eines Zementwerkes eine Klinkerhalle als Gebäude oder als Betriebsvorrichtung zu bewerten ist.

Durch Bescheid vom 26. Juli 1954 fand eine Wertfortschreibung des Geschäftsgrundstückes der Bfin. auf den 1. Januar 1951 statt, weil unter anderem im Jahre 1950 eine Klinkerhalle verlängert worden war. Dieses Teilstück, das 22,8 m breit, 11,23 m hoch und 17,5 m lang ist, wurde vom Finanzamt ebenso wie auch früher die bereits vorhandene Klinkerhalle als Gebäude, und zwar mit 16.576 DM bewertet. Die Bfin. beantragte, das neue Teilstück als Klinkersilo und damit als Betriebsvorrichtung im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) anzusehen; richtiger wäre es sogar, die ganze Klinkerhalle, also auch den bisher als Gebäude bewerteten alten Teil, einheitlich als Betriebsvorrichtung zu behandeln. Die Hallenform sei für die Bewertung als Gebäude nicht entscheidend. Die Bfin. bezog sich auf eine zu den Akten eingereichte Abhandlung in Nr. 1 der Zeitschrift "Steuerdienst für die Zementindustrie" vom Januar 1955.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht nahm durch den beauftragten Richter im Beisein der Beteiligten eine Ortsbesichtigung vor. Es führte aus, bei der Abgrenzung zwischen Gebäuden und Betriebsvorrichtungen komme es in Zweifelsfällen auf die Verkehrsanschauung an. Bauliche Einrichtungen in Form eines Gebäudes seien dem Grund und Boden zuzurechnen. Die Art der Bauausführung zwinge hier dazu, die Klinkerhalle als Lagerhaus anzusehen, was die Bfin. bei der Bewertung auf den 1. Januar 1935 selbst begehrt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., zu der die Bfin. keine Ausführungen gemacht hat, ist unbegründet. Rechtliche Grundlage für die Unterscheidung von Betriebsgrundstücken (Gebäuden) und Betriebsvorrichtungen sind die §§ 57 und 50 BewG. Betriebsvorrichtungen sind Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks im Sinne der § 94 BGB sind. Das letztere Merkmal kann also nicht zur Unterscheidung von Gebäuden und Betriebsvorrichtungen herangezogen werden. Ausgangspunkt der Unterscheidung, die die jeweilige Unterwerfung der Wirtschaftsgüter unter die Grundsteuer oder die Gewerbesteuer bezweckt, ist der in § 50 Abs. 1 Satz 1 BewG enthaltene Grundsatz, daß Gebäude zum Grundvermögen gehören, in das nach Satz 2 Betriebsvorrichtungen nicht einbezogen werden. Entscheidend ist somit, was im Sinne des BewG unter einem Gebäude zu verstehen ist. Handelt es sich um ein solches, kommt eine Betriebsvorrichtung nicht mehr in Frage. Da grundsätzlich die Gebäude zum Grundvermögen gehören, ist zur Abgrenzung vom Gebäudebegriff auszugehen, ohne zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen Betriebsanlagen nicht als Gebäude anzusehen sind. Dementsprechend ging bereits der Reichsfinanzhof bei der Abgrenzung von der Auslegung des Begriffes "Gebäude" in Anlehnung an Rechtsprechung und Schrifttum zum Bürgerlichen Gesetzbuch unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung aus. Er verstand darunter solche Bauten, die durch räumliche Umfriedung Personen oder Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewährten und den Zutritt von Menschen gestatteten, wobei die Gebäudeeigenschaft zweifelhaft werden könne, wenn das Betreten durch Menschen nur notdürftig möglich sei, und nicht zu längerem Aufenthalte, sondern lediglich nur zur vorübergehenden Arbeit (Reinigung und Ausbesserung) geschehe. Im übrigen legte der Reichsfinanzhof dem Aufbau und dem Zweck des BewG Bedeutung bei (Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 11/34 vom 8. März 1934, RStBl 1934 S. 488). Nach der Rechtsprechung mußte das Bauwerk von einiger Beständigkeit und mit dem Grund und Boden fest verbunden sein (Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 43/41 vom 15. Mai 1941, RStBl 1941 S. 701). Dabei wird die Unterscheidung zwischen Gebäude und Betriebsvorrichtung maßgebend auf die Verkehrsanschauung und in diesem Zusammenhang auch auf die Größe der Häuser sowie auf die Geeignetheit zur Unterwerfung unter Grundsteuer oder Gewerbesteuer abgestellt (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs III 60/38 vom 7. Dezember 1939, RStBl 1940 S. 320, und III 299/39 vom 7. November 1940, RStBl 1941, S. 206). Entsprechend dieser Rechtsprechung geht der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 4. Mai 1940 (RStBl 1940, S. 498) für die Unterscheidung von Gebäude und Betriebsvorrichtung vom Gebäude aus - entgegen dem früheren Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 17. Juni 1935, RStBl 1935 S. 849 Abschn. A III - und bezeichnet als Gebäude ein Bauwerk, das Personen, Tieren oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt und mit dem Grund und Boden fest verbunden ist, wobei der Einzelfall nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen sei. Eine Halle wird dort ausdrücklich als Gebäude bezeichnet, während andererseits in dem Erlaß vom 17. Juni 1935 ausgeführt ist, Bunker, Silos oder Tanks, als Behälter gebaut, seien ohne Rücksicht auf das verwendete Material Betriebsvorrichtungen. Nach den Urteilen des Reichsfinanzhofs III 143/41 vom 16. Oktober 1941 (RStBl 1942 S. 62) und des Bundesfinanzhofs II 41/55 U vom 30. November 1955 (BStBl 1956 III S. 21, Slg. Bd. 62 S. 55) entspricht der Erlaß vom 4. Mai 1940 der richtigen Rechtsauslegung; die Richtlinien des Erlasses stimmen danach mit den Erkenntnissen der Praxis und der Rechtsprechung überein. Auf ihn wird auch in dem Ländererlaß vom 28. März 1960 (Nordrhein-Westfalen, BStBl 1960 II S. 93) über die Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen Bezug genommen. Dieser Erlaß verlangt mit Recht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 110/50 S vom 24. Januar 1952 - BStBl 1952 III S. 84, Slg. Bd. 56 S. 209 -) für den Gebäudebegriff, daß Menschen in das Bauwerk nicht nur eintreten, sondern sich auch darin aufhalten können, und daß die räumliche Umschließung eine ausreichende Standfestigkeit aufweist.

Bei der Klinkerhalle sind die von der Rechtsprechung erarbeiteten Merkmale eines Gebäudes zu bejahen. Auch nach der Verkehrsauffassung ist eine derartige Halle, die vollkommen überdeckt ist, deren Längsseiten bis zu einer Höhe von 8,5 m und deren Breitseiten im unteren Teile geschlossen sind, und in der sich Menschen aufhalten und ihre Arbeit verrichten, ein Gebäude. Um ein Lagersilo, das eine Betriebsvorrichtung wäre, handelt es sich nach der baulichen Gestaltung nicht. Es wird auf das oben genannte Urteil des Reichsfinanzhofs III 299/39 vom 7. November 1940 verwiesen, wonach eine Scheune nach der Verkehrsanschauung ein Gebäude und keine Betriebsvorrichtung ist. Es soll dabei nicht auf die Größe des Bauwerks (hier insgesamt 140 m Länge bei 22,08 Breite) abgestellt werden; denn bei der heutigen Entwicklung der Technik dürften auch bei Silos oder Tanks Ausmaße erreicht werden, die die früheren Größenordnungen weit überschreiten.

Ein Silo und ein Gebäude sind nach der Bauart etwas Verschiedenes. Unter einem Silo sind in übereinstimmung mit den Ausführungen des Finanzamts und dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 14. Dezember 1935 (RStBl 1935 S. 1547) gefäßförmige Behälter, die gewöhnlich einen zylindrischen, vier-, sechs- oder achteckigen Querschnitt mit trichterförmigem Boden haben, zu verstehen. Diese Umschreibung kann als Verkehrsauffassung anerkannt werden; sie entspricht der Begriffsbestimmung, die sich in "Der Große Herder", 1956, befindet, wonach Silos runde oder viereckige Behälter aus Holz, Beton oder Stahl zur Lagerung von Getreide, Kohle, Erz und anderem, meist mit Trichterboden, Abfallklappen und Wiegevorrichtungen, sind. Entgegen den Ausführungen in der Zeitschrift "Steuerdienst für die Zementindustrie" bewirkt die Lagerung von Roh-, Halb- und Fertigfabrikaten nicht die Gleichstellung mit einem Silo als Betriebsvorrichtung. Ein Silo dient nicht wie die Klinkerhalle Menschen als Arbeits- und Aufenthaltsraum, selbst wenn er zu Reinigungszwecken oder sonstigen kurzfristigen Arbeiten betreten wird. Lediglich Bauwerke, die sich weder zur Aufnahme von Menschen für einen längeren Aufenthalt noch von Vieh eignen, sind im Sinne des BewG auf Grund der Verkehrsanschauung nicht als Gebäude, sondern als Betriebsvorrichtung anzusehen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 110/50 S vom 24. Januar 1952, a. a. O.). Der Bundesminister der Finanzen hat auf eine Anfrage des Finanzgerichts mitgeteilt, die Klinkerhallen fielen nicht unter die in der AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig Zementindustrie (Erlaß IV A/5 - S 1479 - 229/57) enthaltene Bezeichnung "stationäre Siloanlagen"; hinzu kommt, daß für die Abschreibung eines Bauwerkes andere Gesichtspunkte maßgebend sind als für die Unterscheidung eines Gebäudes und einer Betriebsvorrichtung im Sinne des Bewertungsrechtes.

Die Klinkerhalle erfüllt die Voraussetzungen, die der erkennende Senat in dem Urteil III 5/53 S vom 24. April 1953 (BStBl 1953 III S. 156, Slg. Bd. 57 S. 397) für das Vorhandensein eines Gebäudes aufgestellt hat. Sie ist ein Bauwerk, das durch räumliche Umfriedung Personen und Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, darüber hinaus nicht nur den Eintritt von Menschen gestattet, sondern Menschen als Arbeitsraum dient, und von einiger Beständigkeit ist. Verbindung mit Grund und Boden und Standfestigkeit hängen zusammen und sind im vorliegenden Falle gegeben. Das Vorhandensein der durch die Halle laufenden Transportbühne beeinträchtigt die Eigenschaft als Gebäude in keiner Weise, was im übrigen die Bfin. auch nicht behauptet. Wenn der beauftragte Richter auf Grund der Ortsbesichtigung und das Finanzgericht auf Grund der Baupläne und Baubeschreibungen zu dem Ergebnis kamen, die Klinkerhalle sei ein Gebäude, so liegt hierin eine tatsächliche Würdigung der Vorinstanz, die keinen Rechtsfehler oder Verstoß gegen den Akteninhalt erkennen läßt und an die der Senat daher gebunden ist (§§ 288, 296 AO). Zudem hat die Bfin. in der Rb. nichts gegen die Ausführungen des Urteils des Finanzgerichts vorgebracht. Der Tatbestand läßt eine rechtliche Beurteilung in solchem Maß zu, daß sich die Einholung eines Gutachtens über die Verkehrsauffassung hinsichtlich der Eingruppierung einer Klinkerhalle erübrigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409997

BStBl III 1961, 228

BFHE 1961, 621

BFHE 72, 621

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