Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Telefonnutzung nicht umsatzsteuerpflichtig

 

Leitsatz (amtlich)

Die private Nutzung eines betrieblichen Telefons (einer Hauptstelle) unterlag im Jahre 1986 nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 2 Abs. 3 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 6 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Einzelhandelsgeschäft für Haushalts- und Eisenwaren. In seiner Umsatzsteuererklärung für 1986 erklärte er "Entnahmen von sonstigen Leistungen" in Höhe von 3 600 DM. Bei der Veranlagung des Klägers erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diesen Betrag um 480 DM für die private Telefonnutzung (Umsatzsteuerbescheid vom 25.April 1988 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 28.April 1989). Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Mit seiner Revision macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend. Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und die Sechste Richtlinie des Rates vom 17.Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG)--, 6.Richtlinie (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 145 S.1). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) widerspreche eine Besteuerung des Eigenverbrauchs solcher Kostenbestandteile, bei deren Leistungsbezug Vorsteuer nicht habe abgezogen werden können, dem Grundsatz der Steuerneutralität. Die von ihm (dem Kläger) empfangenen Leistungen der Deutschen Bundespost seien bereits mit Umsatzsteuer belastet, die er --mangels Unternehmereigenschaft der Deutschen Bundespost im Streitjahr-- nicht als Vorsteuer abziehen könne. Die nochmalige Besteuerung dieser Kostenbestandteile bei ihm verstoße gegen unmittelbar anwendbares Recht. Er habe das Telefon --mangels Vorsteuerabzugs-- nicht seinem Unternehmen zugeordnet.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Steuerbemessungsgrundlage um 480 DM herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 liegt ein steuerbarer Eigenverbrauch vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs.9 UStG 1980 bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Die Vorschrift erfaßt Wertabgaben des Unternehmens, die ihrer Art nach sonstige Leistungen wären, wenn sie entgeltlich an Dritte ausgeführt worden wären (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5.April 1984 V R 51/82, BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499). Sie faßt sonstige Leistungen durch Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands und die Entnahme von sonstigen Leistungen jeweils für Zwecke außerhalb des Unternehmens zusammen. Sie setzt die Vorgaben in Art.6 Abs.2 der 6.Richtlinie um. Danach werden die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen (Art.6 Abs.2 Buchst.a der 6.Richtlinie) und die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf (Art.6 Abs.2 Buchst.b der 6.Richtlinie) Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt.

1. Der Kläger hat mit den Privatgesprächen am betrieblichen Telefon keinen seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstand für seinen privaten Bedarf verwendet. Der Unternehmer kann nur solche Gegenstände seinem Unternehmen zuordnen, an denen er die Verfügungsmacht hat (vgl. Urteil vom 16.März 1993 V R 65/89, BFHE 170, 481, BStBl II 1993, 473). An dem Telefonapparat, um den es hier geht, hatte nicht der Kläger die Verfügungsmacht, sondern die Deutsche Bundespost, die im Streitjahr (1986) --jedenfalls bei Hauptanschlüssen-- Eigentümerin der Teilnehmereinrichtungen blieb und sie dem Fernsprechteilnehmer aufgrund eines mietähnlichen Teilnehmerverhältnisses zur Nutzung überließ (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17.Januar 1963 III ZR 154/61, BGHZ 39, 35, und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 20.Oktober 1961 VII C 172.60, BVerwGE 13, 133).

Soweit der BFH allgemein für Mietsachen und speziell für posteigene Telefonapparate die Auffassung vertreten hat, es handele sich um "dem Unternehmen dienende Gegenstände" i.S. des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1967 (BFH-Urteile vom 28.Januar 1971 V R 101/70, BFHE 101, 178, BStBl II 1971, 218; vom 12.August 1971 V R 49/71, BFHE 103, 276, BStBl II 1971, 789, und vom 2.Oktober 1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42), besagt dies nicht, daß ein Unternehmer sie seinem Unternehmen im oben genannten Sinne zugeordnet hat. Hierauf kommt es aber --wie dargelegt-- entscheidend für die Vorschrift des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 an.

2. Mit den privaten Telefongesprächen hat der Kläger auch nicht durch eine sog. Dienstleistungsentnahme i.S. des Art.6 Abs.2 Buchst.b der 6.Richtlinie den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 verwirklicht. Er hat damit keine sonstigen Leistungen im Rahmen seines Unternehmens für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, ausgeführt. Hiervon könnte nur ausgegangen werden, wenn der Kläger die Leistungen der Deutschen Bundespost insgesamt für sein Unternehmen bezogen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, soweit der Kläger die Leistungen der Deutschen Bundespost für Privatgespräche in Anspruch genommen hat. Dienstleistungen können --wie vertretbare Sachen-- teils dem nichtunternehmerischen, teils dem unternehmerischen Bereich zugeordnet werden. Private Telefongespräche können nicht dem Unternehmen zugeordnet werden.

Insoweit fehlt es an einer Wertabgabe aus dem Unternehmen in den nichtunternehmerischen Bereich, die nach den Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499 Voraussetzung für eine Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 ist.

Die Deutsche Bundespost vertritt als Trägerin des öffentlichen Fernsprechwesens im Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Teilnehmer öffentliche Interessen, die sowohl in der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der gesamten Fernsprecheinrichtung als auch in der ständigen Nutzbarmachung der einzelnen Fernsprecheinrichtungen bestehen (BVerwG in BVerwGE 13, 133). Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses überläßt sie dem Fernsprechteilnehmer den Telefonapparat und die sonstigen Teilnehmereinrichtungen zur Nutzung und gewährt ihm den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz. Hierfür zahlt der Fernsprechteilnehmer die Grundgebühr und die Gesprächsgebühren. Die Höhe der Grundgebühr bestimmt sich nach den Teilnehmereinrichtungen und die Gesprächsgebühr nach der Art und Dauer der Gespräche (vgl. Anlage 3 der im Streitjahr geltenden Fernsprechordnung).

Soweit die Leistungen der Deutschen Bundespost durch die Gesprächsgebühren abgegolten werden, sind die durch die Privatgespräche veranlaßten Leistungen eindeutig nicht für das Unternehmen bezogen worden. Insofern können die durch die Gesprächsgebühren abgegoltenen Leistungen der Deutschen Bundespost umsatzsteuerrechtlich als gesonderte Leistungen behandelt werden, die --je nachdem, ob ein betriebliches Gespräch oder ein Privatgespräch geführt wurde-- für das Unternehmen oder den nichtunternehmerischen Bereich des Fernsprechteilnehmers ausgeführt wurden.

Soweit die Leistungen der Deutschen Bundespost durch die Grundgebühr abgegolten wurden, geht es --jedenfalls im Streitjahr-- um die Nutzungsüberlassung der Teilnehmereinrichtungen (hier: insbesondere des Telefonapparats) und die Bereithaltung des öffentlichen Telefonnetzes zur Nutzung. Insoweit handelt es sich zwar um eine Leistung, die jedenfalls vertraglich einheitlich --ohne Differenzierung in einen unternehmerisch und einen nichtunternehmerischen Teil-- an den Empfänger ausgeführt wird. Dies hindert jedoch nicht die Annahme, daß sie nur insoweit für das Unternehmen des Klägers erbracht wurde, als sie betrieblichen und nicht privaten Gesprächen diente. Für die --infolge Verzichts auf die Steuerfreiheit steuerpflichtige-- Nutzungsüberlassung eines Grundstücks ergibt sich bereits aus dem Tatbestandsmerkmal "soweit" in § 9 Abs.2 UStG 1980, daß die Nutzungsüberlassung den Leistungsempfänger nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist. Nur insoweit erfolgt die Nutzungsüberlassung des Grundstücks gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 "für" das Unternehmen des Leistungsempfängers. Ähnlich ist es bei der Nutzungsüberlassung einer Telefonanlage durch die Deutsche Bundespost; auch sie erfolgt nur insoweit für das Unternehmen des Fernsprechteilnehmers, als er die Telefonanlage unternehmerisch nutzt.

Daß eine sonstige Leistung nicht zwingend einheitlich dem Unternehmen des Leistungsempfängers zuzuordnen ist, steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht. Nach dem Wortlaut und Sinn des Art.17 Abs.2 der 6.Richtlinie ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug befugt, "soweit" die Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Daß für gemischtgenutzte Gegenstände --jedenfalls zum Teil-- andere Grundsätze gelten, ändert hieran nichts.

3. Die Steuer errechnet sich wie folgt:

Umsatzsteuer laut angefochtenem Bescheid 20 255,05 DM

./. streitige Umsatzsteuer 14% von 480 DM 67,20 DM

-------------

20 187,85 DM

abgerundet 20 187,00 DM

 

Fundstellen

Haufe-Index 64792

BStBl II 1994, 200

BFHE 172, 546

BB 1994, 58

BB 1994, 58 (L)

DB 1994, 459 (L)

DStR 1994, 23 (KT)

HFR 1994, 229-230 (LT)

StE 1994, 7 (K)

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