Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung -Feststellungslast für steuermindernde Tatsachen - Vertrauensschutz bei Änderung von Steuerbescheiden

 

Leitsatz (amtlich)

Eine im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Mietwohngrundstücks zu zahlende sog. Vorfälligkeitsentschädigung kann dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sein, wenn sie ausnahmsweise als Finanzierungskosten eines neu erworbenen Mietobjektes zu beurteilen ist.

 

Orientierungssatz

1. Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für die den Steueranspruch mindernden Tatsachen (vgl. BFH-Urteil vom 23.5.1989 X R 17/85).

2. Die Rechtsprechung hat sich nur dann im Sinne der Vorschrift des § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977 geändert, wenn zwischen dem Erlaß des ursprünglichen Bescheids und des Änderungsbescheids ein im wesentlichen gleicher Sachverhalt anders als bisher entschieden wurde (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 176 Abs. 1 Nr. 3; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 31.08.1993; Aktenzeichen 2 K 1809/92)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute-- erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 17. März 1988 zu je 1/2 Miteigentumsanteil ein Einfamilienhaus in W, das sie vermieteten. Den Kaufpreis finanzierten die Kläger durch ein Hypothekendarlehen der X-Bank.

Mit notariellem Vertrag vom 7. April 1988 veräußerten die Kläger "lastenfrei" ein bebautes Grundstück in Y zu einem Kaufpreis von 335 000 DM. Die auf dem Grundstück zugunsten der Z-Bank lastende Briefgrundschuld in Höhe von 280 000 DM lösten sie vorzeitig ab; hierfür hatten die Kläger an die Z-Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 18 159,75 DM zu zahlen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese zunächst in dem gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 1988 vom 17. Januar 1990. In einem auf § 164 Abs.2 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid vom 10. Juni 1991 versagte das FA dann aber unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 23. Januar 1990 IX R 8/85 (BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464) die steuerliche Anerkennung. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 193 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger mangelnde Sachaufklärung und die Verletzung von § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977 sowie § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Berücksichtigung der Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Einkommensteuer des Streitjahres auf 79 664 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Ob der von den Klägern gerügte Verfahrensverstoß vorliegt, kann dahinstehen, da das angefochtene Urteil aus materiell-rechtlichen Gründen ohnehin aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

2. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß eine Vorfälligkeitsentschädigung stets den nicht abziehbaren Veräußerungskosten zuzurechnen ist.

a) Nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 EStG). Ein solcher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist immer dann zu bejahen, wenn sie objektiv mit angestrebten oder zufließenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen und subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. Senatsurteile in BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464, und vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966). Der Begriff der Schuldzinsen umfaßt auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung (Urteil in BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464). Ist diese allerdings durch die Grundstücksveräußerung veranlaßt, betrifft sie --wie Veräußerungskosten allgemein-- den nicht steuerbaren Vermögensbereich und ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, nicht als Werbungskosten abziehbar (vgl. z.B. Urteile in BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464; vom 22. März 1994 IX R 100/91, BFH/NV 1994, 782, und in BFH/NV 1995, 966). Etwas anderes gilt dann, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung nach der vom Steuerpflichtigen getroffenen Gestaltung ausnahmsweise als Finanzierungskosten für die Anschaffung eines neuen, dem Erzielen von Vermietungseinkünften dienenden Objekt zu beurteilen ist. Der hierfür notwendige wirtschaftliche Zusammenhang besteht, wenn sich bereits im Zeitpunkt der Veräußerung eines Grundstücks anhand objektiver Umstände der --endgültig gefaßte-- Entschluß feststellen läßt, mit dem nach der vorzeitigen Ablösung des Darlehens verbleibenden Veräußerungserlös wiederum konkret bestimmtes Grundvermögen anzuschaffen, das dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Juni 1994 IX R 57/89, BFH/NV 1995, 106). Hierzu reicht es allerdings nicht aus, daß der Steuerpflichtige die bloße Absicht hat, den empfangenen Restkaufpreis z.B. zum Ablösen von auf einem anderen Haus lastenden Krediten zu verwenden. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus einem neuen Objekt ergibt sich allenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige bereits bei der Veräußerung --z.B. im Kaufvertrag selbst oder zumindest beim Abschluß des Kaufvertrages-- im vorhinein so unwiderruflich über den verbleibenden Restkaufpreis verfügt, daß er ihn unmittelbar in seiner Verwendung zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit einem bestimmten Objekt festlegt (Senatsurteil in BFH/NV 1995, 106). Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen; er trägt die Feststellungslast für die den Steueranspruch mindernden Tatsachen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BFHE 157, 516, BStBl II 1989, 879, unter 2. b).

b) Die nicht spruchreife Sache ist an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht-- nicht geprüft, ob die Kläger über den bei der Veräußerung erzielten Erlös entsprechend den unter 2. a dargelegten Grundsätzen verfügt haben. Es wird die dazu notwendigen Feststellungen nachzuholen und insbesondere zu prüfen haben, ob die Kläger den ihnen verbleibenden Restkaufpreis aus der Veräußerung des Grundstücks in Y durch eine entsprechende Anweisung an den Zahlenden unmittelbar zur Zurückführung des Hypothekendarlehens bei der X-Bank verwandt haben.

c) Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Vorfälligkeitsentschädigung und den Vermietungseinkünften aus dem neu erworbenen Objekt zu verneinen ist, bleibt es bei der Versagung des Werbungskostenabzugs. § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977 steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Rechtsprechung hat sich nur dann im Sinne dieser Vorschrift geändert, wenn zwischen dem Erlaß des ursprünglichen Bescheides und des Änderungsbescheides ein im wesentlichen gleicher Sachverhalt anders als bisher entschieden wurde (z.B. BFH-Urteile vom 23. Februar 1994 X R 123/92, BFHE 174, 73, BStBl II 1994, 690, unter 5. a, und vom 30. August 1994 IX R 63/92, BFH/NV 1995, 388, unter I. 2.). Hieran fehlt es im Streitfall. Der Senat hat im Urteil in BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464 nicht eine Vorfälligkeitsentschädigungen betreffende Rechtsprechung geändert. Daß die einer Grundstücksveräußerung zuzurechnenden Kosten für das vorzeitige Ablösen eines Darlehens keine Werbungskosten sind, ergibt sich --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- schon aus früheren Entscheidungen des BFH (vgl. Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373). Die von den Klägern angeführten Urteile vom 23. April 1985 IX R 39/81 (BFHE 144, 362, BStBl II 1985, 720) und vom 20. August 1986 I R 148/83 (BFH/NV 1987, 646) betreffen den Streitfall nicht vergleichbare Sachverhalte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65867

BFH/NV 1996, 283

BStBl II 1996, 595

BFHE 180, 374

BFHE 1997, 374

BB 1996, 2127

BB 1996, 2127 (LT)

DB 1996, 1759-1760 (LT)

DStR 1996, 1324-1325 (KT)

DStZ 1996, 629 (KT)

HFR 1996, 654-655 (L)

StE 1996, 542 (K)

WPg 1996, 767-768 (LT)

StRK, R.50 (LT)

FR 1996, 632-633 (KT)

Information StW 1996, 605 (KT)

GStB 1996, Beilage zur Nr 9 (L)

BFH/NV BFH/R 1996, 283-284 (LT)

IBR 1997, 44 (S)

NJWE-MietR 1996, 284 (LT)

ZAP, EN-Nr 845/96 (S)

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