Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

In dem Rückkauf einer zum Straßenbau bestimmt gewesenen, infolge einer änderung der Straßenfluchtlinie aber nicht mehr benötigten Grundstücksfläche kann die Rückgängigmachung des ursprünglichen Kaufs auf Grund eines Rechtsanspruchs im Sinne des § 17 Abs. 2 Ziff. 3 GrEStG zu erblicken sein.

 

Normenkette

GrEStG § 17 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Die beschwerdeführende Stadt kaufte durch Vertrag vom Jahre 1949 (Vertrag 1) eine "für den Straßenbau benötigte" Grundstücksfläche. Die Fläche lag vor der damaligen Straßenfluchtlinie. Das Finanzamt stellte den Erwerb gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 4 Buchst. a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Steuer frei.

Infolge einer änderung der Fluchtlinie wurde ein Teil des gekauften Grundstücks nicht mehr zur Straßenerweiterung benötigt, weil er nicht mehr vor der Fluchtlinie lag. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) verkaufte deshalb diesen Teil durch Vertrag vom Jahre 1953 (Vertrag 2) an die früheren Eigentümer zurück.

Das Finanzamt erhob mit Rücksicht auf den Vertrag 2 wegen Aufgabe des begünstigten Zwecks Grunderwerbsteuer zu dem Vertrag 1, soweit dieser Vertrag den zurückverkauften Teil des Grundstücks betraf.

Im Rechtsmittelverfahren ist nur streitig, ob dieser Nacherhebung der Steuer die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Ziff. 3 GrEStG entgegensteht. Die Vorinstanzen haben dies verneint.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Stadt hat Erfolg.

Nach § 17 Abs. 2 Ziff. 3 GrEStG wird im Falle des Rückerwerbs des Eigentums u. a. die Steuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang nicht erhoben, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden, und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

Wie nicht zweifelhaft und nicht streitig ist, sind unter den "Vertragsbedingungen" nicht Bedingungen im Sinne der §§ 158 ff. BGB, sondern Vertragsbestimmungen zu verstehen. Die Bfin. vertritt aber wie bisher die Auffassung, es dürfe nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob die vertraglichen Bestimmungen wörtlich aus dem Vertrage herauszulesen seien, oder ob gesetzliche Bestimmungen als Teil des Vertrags angesehen werden müßten. Es sei nicht üblich, solche "allgemeine Geschäftsbedingungen", die selbstverständlich seien, in die Verträge aufzunehmen. Die Eigentümer hätten den Vertrag 1 nur unter der nach dem damaligen Fluchtlinienplan eindeutig gegebenen Voraussetzung abgeschlossen, daß die verkaufte Fläche als Straßenland in Anspruch genommen wird. Nach dem Fluchtliniengesetz, das als Bestandteil des Kaufvertrags angesehen werden müsse, sei die Bfin. nach der Fluchtlinienveränderung verpflichtet gewesen, das nunmehr nicht mehr vor der Fluchtlinie liegende Teilstück an die früheren Eigentümer zurückzugeben.

Es fragt sich, ob die früheren Eigentümer einen Rechtsanspruch auf teilweise Rückgängigmachung des ursprünglichen Kaufs wegen Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen gegen die Bfin. hatten.

Nach § 11 Satz 2 des Preußischen Fluchtliniengesetzes vom 2. Juli 1875 (Gesetzessammlung S. 561) hat die Gemeinde das Recht, die durch die festgesetzten Straßenfluchtlinien für Straßen und Plätze bestimmte Grundfläche zu enteignen. Es ist selbstverständlich, daß die Stadt die ursprünglich gekaufte Fläche in Anspruch nahm, weil sie im Fluchtlinienplan als Straße ausgewiesen war, und ebenso glaubhaft, daß die Eigentümer sie deshalb fortgaben, weil ihnen sonst die Enteignung drohte. Andererseits erscheint es ebenso selbstverständlich und glaubhaft, daß die Beteiligten nur einen Teil der Fläche zum Gegenstand des Vertrags von 1949 gemacht hätten, wenn die spätere Fluchtlinienänderung schon damals herbeigeführt worden wäre. Der Wille der Parteien war darauf gerichtet, die Fläche zu veräußern und zu erwerben, die für die Straße gebraucht wurde. Es war danach Vertragsvoraussetzung, daß die verkaufte Fläche wirklich zum Straßenbau benötigt wurde.

Hier greift die Lehre von der Geschäftsgrundlage ein. Geschäftsgrundlage sind nach herrschender Meinung (vgl. Palandt, BGB, § 242 Anm. 6 c) Vorstellungen über Vorhandensein und Vorhandenbleiben gewisser grundlegender Umstände, die zwar nicht Vertragsinhalt geworden, andererseits auch nicht bloß Beweggrund geblieben, sondern entweder von den Vertragspartnern oder doch von dem einen unter Erkennen und Nichtbeanstandung durch den anderen zur Grundlage des Geschäfts gemacht worden sind. Diese Merkmale sind im Streitfalle erfüllt. Die Geschäftsgrundlage ist bezüglich des nicht zum Straßenbau benötigten Teils des Grundstücks nachträglich fortgefallen, so daß die früheren Eigentümer nach der änderung des Fluchtlinienplans an der Aufgabe des Grundstücksteils nicht mehr festgehalten werden konnten. Im allgemeinen kann der Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht dazu führen, bereits abgewickelte Rechtsverhältnisse erneut aufzurollen. Der Senat trägt aber keine Bedenken, die Zulässigkeit für den Streitfall zu bejahen, da die Angelegenheit so lange als noch nicht endgültig abgewickelt betrachtet werden konnte, bis die Straße ausgebaut war.

Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Ziff. 3 GrEStG ist es Voraussetzung seiner Anwendung, daß ein Rechtsgeschäft auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht worden ist. Im Streitfall ist nicht der Kaufvertrag 1 rückgängig gemacht, es ist vielmehr ein neuer Kaufvertrag mit umgekehrten Parteirollen abgeschlossen worden. Mit Rücksicht darauf, daß eine neue Auflassung von dem ursprünglichen Käufer an den ursprünglichen Verkäufer ohnehin erfolgen mußte, und daß die Rückerwerber denselben Kaufpreis bezahlt haben, den sie empfangen hatten, erachtet der Senat die geschehene Zurückführung der nicht mehr benötigten Fläche einer geschehenen Rückgängigmachung des Vertrags 1 gleich.

Hiernach sind alle Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Ziff. 3 GrEStG als erfüllt anzusehen. Das hat zur Folge, daß die Bfin. unter Aufhebung der Vorentscheidungen von der nachgeforderten Steuer freizustellen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408427

BStBl III 1956, 131

BFHE 1956, 356

BFHE 62, 356

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