Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Vermögensteuern sind in der im Veranlagungszeitraum tatsächlich entrichteten Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich hierbei um Vorauszahlungen oder um endgültig festgesetzte Zahlungen handelt; ebenso ist es ohne Bedeutung, für welchen Zeitraum sie entrichtet worden sind.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3, § 10/1/5

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe der Beschwerdeführer (Bf.) berechtigt ist, für die in 1946 gezahlten Vermögensteuern Absetzung als Sonderausgabe in Anspruch zu nehmen. Der Bf. hatte an Vermögensteuer in 1946 einschließlich eines Betrages von 4.000 RM für 1945 die Summe von 27.475 RM gezahlt und begehrte in seiner Steuererklärung für 1946 die Absetzung dieses Betrages als Sonderausgabe. In der Erklärung wurde der Betrag mit geringfügiger Abweichung mit 27.533 RM beziffert, was in der Rechtsbeschwerdebegründung auf 27.475 RM richtiggestellt wurde.

Das Finanzamt ließ nur die für 1946 endgültig festgestellte Vermögensteuer im Betrage von 74.55 RM und die auf die Vermögensteuer 1945 in 1946 gezahlten 4.000 RM, mithin insgesamt 11.455 RM zum Abzug zu.

Die dagegen erhobene Anfechtung wurde vom Oberfinanzpräsidenten als unbegründet zurückgewiesen. Zwar seien gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Artikels XI Ziffer 2 des Kontrollratsgesetzes (KontrRG) Nr. 12 vom 11. Februar 1946 vom Gesamtbetrage der Einkünfte abzusetzen "bezahlte Vermögensteuern". In der zweiten Ausführungsanweisung zum KontrRG Nr. 12 vom 11. Oktober 1946 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. 1946 S. 84) sowie im Abschnitt 12 der ergänzenden Anweisung zu den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1946 vom 21. Oktober 1947 (StuZBl. 1947 S. 349) sei gesagt worden, daß die im Veranlagungszeitraum gezahlten Vermögensteuerbeträge in voller Höhe abzugsfähig sind, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um laufende oder rückständige Vermögensteuerbeträge handelt. Es verstehe sich aber von selbst, daß die Abzugsfähigkeit ihre Grenze in der veranlagten Vermögensteuer finde, zumal eine andere Auffassung mit dem Grundsatz der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung unvereinbar sei.

Das gegen diese Anfechtungsentscheidung eingelegte Rechtsmittel ist - als Berufung vom Finanzgericht nach § 25 Absatz 3 c der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung Deutschland - Brit. Kontrollgebiet - über die Wiedererrichtung von Finanzgerichten (StuZBl. 1948 S. 291) behandelt - ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht führt aus, daß sich aus dem Gesetz schlechterdings nicht entnehmen lasse, daß nur die endgültig veranlagte Vermögensteuer 1946, oder aus früheren Jahren, abzugsfähig seien; im Gegenteil, der Wortlaut spreche gegen diese Annahme. Aber gleichwohl kommt das Finanzgericht dazu, der Berufung den Erfolg zu versagen, indem es sich auf § 4 Absatz 3 Ziffer 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) stützt. Nach dieser Vorschrift ist eine Steuerfestsetzung zu ändern, wenn ein Merkmal, dessen Vorliegen das Gesetz für ... eine Steuerermäßigung ... fordert, nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. Merkmal für die Steuerermäßigung sei die Höhe der gezahlten Vermögensteuer. Wenn die Vermögensteuer mit Wirkung für die Vergangenheit herabgesetzt werde, so entfalle nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit das Merkmal der Zahlung und damit die Voraussetzung für die Steuerermäßigung. Mit dieser überlegung kommt das Finanzgericht dazu, unter "gezahlter Vermögensteuer" nur die in 1946 gezahlte Vermögensteuer für 1946 oder frühere Jahre zu verstehen, soweit sie eine endgültige Steuerschuld darstellt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird Zulassung des Abzuges des unstrittig in 1946 gezahlten Betrages von 27.475 RM als Sonderausgabe begehrt mit dem Hinzufügen, daß die Anwendung des § 4 Absatz 3 Ziffer 2 StAnpG rechtsirrtümlich erfolgt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Mit Recht hat das Finanzgericht die Auslegung der Anfechtungsentscheidung, unter "bezahlter" Vermögensteuer nur die endgültige Vermögensteuer zu verstehen, als mit dem Wortlaut der Gesetzbestimmung nicht vereinbar abgelehnt. Der eindeutige Wortlaut der Bestimmung "bezahlte Vermögensteuer" läßt es nicht zu, darunter etwas anderes zu verstehen, als die Summe der im Steuerabschnitt für 1946 und für frühere Steuerabschnitte tatsächlich entrichteten Vermögensteuer. Es ist aber auch nicht möglich, auf dem Wege über § 4 Absatz 3 Ziffer 2 StAnpG zu dem gleichen Ergebnis wie der Oberfinanzpräsident zu gelangen, wie es das Finanzgericht in der angefochtenen Entscheidung versucht. Richtig ist, daß die Zahlung der Vermögensteuer das Merkmal, und zwar das einzige Merkmal ist, an das das Gesetz die Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe knüpft; aber dieses Merkmal - die Tatsache der Zahlung - fällt nicht durch eine spätere niedrigere Veranlagung zur Vermögensteuer weg. Wie der Bf. mit Recht ausführt, ist durch die spätere Berichtigung der Vermögensteuerbescheide wohl die Steuerschuld zum Teil weggefallen, aber keineswegs die Zahlung als solche. Auch der Einwand, daß es der Steuerpflichtige (Stpfl.) in der Hand habe, durch besonders hohe Einzahlungen auf Vermögensteuer sich ungerechtfertigte Vorteile bei der Einkommensteuer zu verschaffen, vermag gegenüber dem klaren Wortlaut der Gesetzesbestimmung zu keiner anderen Auslegung zu führen. Solange jedenfalls ein vernünftig zu begründender Anlaß für die Einzahlung besteht, kann die Absetzung als Sonderausgabe nicht verwehrt werden. Völlig willkürlichen Einzahlungen kann unter Berufung auf den auch für das Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben entgegengetreten werden. Der Bf. hat aber im vorliegenden Falle dargetan, daß er nach der Verfügung der Finanzleitstelle vom 18. November 1946 S 3534 - 4 St 3 (StuZBl. 1946 S. 109) verpflichtet war, noch im Jahre 1946 das eineinhalbfache der letzten Jahresrate = 9.502,54 RM zu zahlen und überdies berechtigt war, auch höhere Beträge zu entrichten, wenn dies der Höhe des Vermögens entsprach. Daß sich bei der endgültigen Veranlagung zur Vermögensteuer 1946 ein wesentlich geringerer Betrag als endgültige Steuer ergab und es deshalb zu Erstattungen kam, ist nicht auf willkürlich zu hoch eingezahlte Vorauszahlungsbeträge seitens des Bf., sondern darauf zurückzuführen, daß nach den später ergangenen Anweisungen für die Veranlagung ein erheblicher Teil des Vermögens (Teil B der Vermögenserklärung) aus der Besteuerung herausgenommen wurde. Die gesamten vom Bf. geleisteten Zahlungen auf die Vermögensteuer sind demnach ohne Willkür von ihm entrichtet; ihm steht daher die Absetzung als Sonderausgabe zu. Es ist nicht angängig, wie es das Finanzamt in der Erwiderung auf die Rechtsbeschwerdebegründung will, zu unterscheiden zwischen den Vorauszahlungsbeträgen, zu deren Zahlung der Bf. nach der Verfügung der Leitstelle vom 18. November 1946 verpflichtet war, und denen, zu deren Zahlung die Verfügung der Leitstelle den Bf. berechtigt. Da das Gesetz (ß 10 Ziffer 3 EStG) in der Fassung des Artikels XI Ziffer 2 KontrRG Nr. 12) als Merkmal lediglich die Tatsache der Zahlung als solche aufstellt, findet eine solche Unterscheidung im Gesetz keine Stütze.

Demgemäß ist der Bf. unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, der Anfechtungsentscheidung vom 22. September 1948 und des Steuerbescheids des Finanzamts vom 8. Juni 1948 wie folgt zu veranlagen:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ---- 62.200,00 RM, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ------ 396,00 RM, -------------------------------------------- 62.596,00 RM, ab Sonderausgaben: Kirchensteuer ---------- 535,00 RM, Vermögensteuer ------ 27.475,00 RM = ------- 28.010,00 RM, -------------------------------------------- 34.586,00 RM. Davon ab 10 % der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, höchstens 1.000,00 RM ------------------------------ = 1.000,00 RM, -------------------------------------------- 33.586,00 RM. Steuerklasse III 2 - Steuerschuld ---------- 22.403,00 RM, Anrechnung auf die Steuerschuld Einbehaltene Steuerabzugsbeträge vom Arbeitslohn ---------------------------- 12.146,60 RM, Erhebungssoll abgerundet auf volle Reichsmark: -------------------------------- 10.256,00 RM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407201

BStBl III 1951, 79

BFHE 1952, 209

BFHE 55, 209

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