Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei Vermögensübertragung von den Eltern auf die Kinder vereinbarte Versorgungsleistungen an Großeltern als dauernde Last - Zugehörigkeit zum Generationennachfolge-Verbund im Zusammenhang mit Versorgungsleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Werden Versorgungsleistungen an Großeltern im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung von Eltern auf Kinder übernommen, so sind die von den Kindern erbrachten Leistungen jedenfalls dann als dauernde Last abzugsfähig, wenn zuvor die Eltern aufgrund einer Vermögensübertragung durch die Großeltern zu diesen Leistungen verpflichtet waren.

 

Orientierungssatz

Die Abzugsfähigkeit von Versorgungsleistungen an den Übergeber eines Betriebs oder dessen Angehörige als dauernde Last ist nicht davon abhängig, daß der Versorgungsanspruch anläßlich der Vermögensübertragung erstmals begründet wird. Ob der Kreis der Personen, an die die Versorgungsleistungen erbracht werden, auf den Übergeber und andere Personen des Generationennachfolge-Verbund zu beschränken ist (vgl. Rechtsprechung des X. Senats des BFH), kann im Streitfall offen bleiben. Wie weit der Generationennachfolge-Verbund reicht, ist vom BFH noch nicht abschließend geklärt. Der Senat kann sich aber nicht der --vom X. Senat nicht entscheidungserheblich im Urteil vom 14.12.1994 X R 1-2/90 vorgetragenen-- Ansicht anschließen, wonach der Personenkreis auf solche Personen begrenzt sein soll, die gegenüber dem Übertragenden erbberechtigt sind und aus dem Ertrag des ihnen nach Erbrecht an sich zustehenden Vermögens versorgt werden. Vielmehr gehören auch die Großeltern zum Generationennachfolge-Verbund.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG (Urteil vom 26.09.1995; Aktenzeichen 14 K 2598/95)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb, der dem Kläger von seiner Mutter durch Vertrag vom 15. März 1991 im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen worden ist. Seiner Mutter und deren Ehemann standen nach dem Vertrag Altenteilsleistungen in Form von sog. Einsitz- und Auszugsrechten zu. Außerdem hatte der Kläger Altenteilsleistungen zugunsten seiner Großmutter zu übernehmen. Deren Einsitz- und Auszugsrechte waren bereits anläßlich der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs durch die Mutter des Klägers als beschränkt persönliche Dienstbarkeit in Abt.II des Grundbuchs eingetragen worden.

Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1993 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Altenteilsleistungen an die Großmutter von insgesamt 4 673 DM nicht als Sonderausgaben an. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1025 veröffentlichten Urteil statt.

Mit der Revision macht das FA geltend, die Übernahme der Altenteilsverpflichtung gegenüber der Großmutter führe nicht zu einer abzugsfähigen dauernden Last, sondern lediglich zu Anschaffungskosten. Die Großmutter gehöre nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zum Generationennachfolge-Verbund, denn sie sei gegenüber ihrer Tochter nicht erbberechtigt. Außerdem habe ihr der Kläger keine Versorgungsleistungen zugesagt. Vielmehr habe der Kläger von seiner Mutter eine private Verbindlichkeit übernommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Altenteilsleistungen gegenüber der Großmutter des Klägers sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Nach § 10 Abs.1 Nr.1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Sonderausgaben die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, soweit sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Wiederkehrende Versorgungsleistungen, die im Zusammenhang mit einer Betriebsübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge geleistet werden, können die Voraussetzungen für eine in voller Höhe als Sonderausgabe absetzbare dauernde Last erfüllen. Das Abzugsverbot des § 12 Nr.2 EStG greift insoweit nicht ein, als der Übernehmer eines Betriebs im Zusammenhang mit der Übertragung Versorgungsleistungen gegenüber dem Übertragenden zusagt (BFH-Beschlüsse des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Das gilt nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 auch für Versorgungsleistungen, die gegenüber Angehörigen des Übergebers zugesagt werden. Werden die wiederkehrenden Leistungen jedoch ohne Bezug zu einem vom Versprechensempfänger dafür erhaltenen Vermögenswert gewährt, findet das Abzugsverbot Anwendung.

Die Abzugsfähigkeit von Versorgungsleistungen an den Übergeber oder dessen Angehörige ist entgegen der Ansicht des FA nicht davon abhängig, daß der Versorgungsanspruch anläßlich der Vermögensübertragung erstmals begründet wird. Auch die Übernahme eines bestehenden und gegen den Übergeber gerichteten Versorgungsanspruchs aus einer früheren Übertragung des Vermögens führt beim Übernehmer zur Abzugsfähigkeit von dadurch entstandenen Aufwendungen als dauernde Last. Der für die Annahme von Versorgungsleistungen maßgebliche Gedanke, daß diese nichts anderes als zurückbehaltene Erträge des übertragenen Vermögens sind, trifft in gleicher Weise auch bei einer mehrfachen Übertragung des Vermögens gegen Versorgungsleistungen zu. Das dem letzten Übernehmer übertragene Vermögen unterliegt insoweit einer mehrfachen Belastung.

Ob der Kreis der Personen, an die die Versorgungsleistungen erbracht werden, mit der neueren Rechtsprechung des X.Senats auf den Übertragenden und andere Personen des Generationennachfolge-Verbunds zu beschränken ist, weil nur innerhalb dieses Verbunds davon ausgegangen werden kann, daß den wiederkehrenden Leistungen ein Versorgungszweck und nicht die Erbringung eines Entgelts zugrunde liegt (Urteile vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612; vom 16. Dezember 1993 X R 67/92, BFHE 173, 152, BStBl II 1996, 669; vom 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633; vom 14. Dezember 1994 X R 1-2/90, BFHE 177, 36, BStBl II 1996, 680, und vom 17. April 1996 X R 160/94, BFHE 180, 566, BStBl II 1997, 32), kann für den Streitfall unentschieden bleiben, denn die Großmutter des Klägers gehört zum Generationennachfolge-Verbund.

Wie weit der Generationennachfolge-Verbund reicht, ist vom BFH noch nicht abschließend geklärt. Neben dem Übertragenden, seinem Ehegatten und erb- oder pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen (Urteil in BFHE 173, 152, 156, BStBl II 1996, 669) können nach Auffassung des X.Senats auch andere Familienangehörige zu dem Verbund gehören. Nach den insoweit nicht entscheidungserheblichen Ausführungen in seinem Urteil in BFHE 177, 36, 39, BStBl II 1996, 680 soll der Kreis aber auf solche Personen begrenzt bleiben, die gegenüber dem Übertragenden erbberechtigt sind und aus dem Ertrag des ihnen nach Erbrecht an sich zustehenden Vermögens versorgt werden. Der erkennende Senat kann sich dieser Ansicht --wenn es denn auf den Generationennachfolge-Verbund ankommt-- zumindest insoweit nicht anschließen, als damit die Eltern des Übertragenden aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten ausgeschlossen würden, weil sie --wie im Streitfall-- wegen der Existenz von Abkömmlingen des Übertragenden von der Erbfolge ausgeschlossen sind (§§ 1930, 1924 Abs.1, 1925 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Vielmehr gehören nach dem überkommenen Prinzip der Betriebsübertragung innerhalb der Familie von Generation zu Generation typischerweise neben Eltern und Kindern auch Großeltern zum Generationennachfolge-Verbund. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betrieb tatsächlich vormals von den Großeltern auf die Eltern gegen Zusage von Versorgungsleistungen übertragen worden ist. Das der Kindergeneration übertragene Vermögen unterliegt insoweit einer doppelten Belastung durch zurückbehaltene Erträge zweier Generationen. Übertragen Eltern Vermögen, das ihnen zuvor von den Großeltern übertragen worden ist, auf ihre Kinder und erbringen jene im Zusammenhang mit der Vermögensübertragung Versorgungsleistungen an die Großeltern, zu denen bisher die Eltern verpflichtet waren, so sind die Versorgungsleistungen deshalb als dauernde Last abzugsfähig (vgl. auch Senatsurteil vom 18. Februar 1993 IV R 51/92, BFH/NV 1994, 14, zur Behandlung von Altenteilsleistungen bei einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag; gl.A. P. Fischer, Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 765, 767, 769 Fn.12; Weber-Grellet, FR 1996, 676; jetzt auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1508 Tz.24).

So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger erhielt den landwirtschaftlichen Betrieb von seiner Mutter, den jene früher von ihrer Mutter übertragen bekommen hatte. Die von der Mutter an die Großmutter zu leistenden Versorgungsleistungen übernahm der Kläger im Zusammenhang mit der Übertragung des Betriebs. Die Altenteilsleistungen an die Großmutter von im Streitjahr 4 673 DM hat das FG danach zutreffend als Sonderausgaben abgezogen.

Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu dem Senatsurteil vom 8. November 1990 IV R 73/87 (BFHE 163, 334, BStBl II 1991, 450). Dort hatte der Übertragungsempfänger private Verbindlichkeiten des Übertragenden übernommen, die nicht mit Versorgungsleistungen in Zusammenhang standen. Diese Verbindlichkeiten stellten deshalb Anschaffungskosten dar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66350

BFH/NV 1997, 216

BStBl II 1997, 458

BFHE 182, 539

BFHE 1997, 539

BB 1997, 869-870 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 911 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 361-362 (Leitsatz und Gründe)

DStZ 1997, 571-572 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 481-482 (Leitsatz)

StE 1997, 238 (Kurzwiedergabe)

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