Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verwandlung von Darlehen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Eigenkapital hält nur so lange an, als ein Gesellschafter Inhaber des Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehens ist.

2. Zinsen für ein Darlehen, das ein Kind des Gesellschafters einer Personengesellschaft dieser Gesellschaft gewährt ohne Leistung von Sicherheiten durch die Gesellschaft und mit der Verpflichtung des Kindes, die Darlehensforderung zur Sicherung von Krediten der Gesellschaft sicherungshalber abzutreten, sind Betriebsausgaben, wenn das Kind in einen zwischen dem Vater und der Gesellschaft bereits bestehenden Darlehensvertrag eintritt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, an der in den Streitjahren (1969 bis 1972) die Komplementäre A und B sowie die Kommanditistin K beteiligt waren. Die drei Gesellschafter hatten die Gesellschaft bis zum 31. Dezember 1980 unkündbar vereinbart. In der Zeit nach den Streitjahren heiratete K den Gesellschafter A. A ist verstorben. Er wurde von seinem Sohn B beerbt.

Die Klägerin führte für ihre Gesellschafter zwei Konten, ein Kapitalkonto I als Festkonto und ein bewegliches Konto, das sog. Kapitalkonto II. Auf dem Kapitalkonto I standen in den Streitjahren

für A 103 000 DM,

für B 65 000 DM und

für K 72 000 DM.

Das Kapitalkonto II bestand aus den Privatkonten, den Darlehenskonten und anderen Sonderkonten der Gesellschafter. Es wurde mit 2 v. H. über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz verzinst. Das Kapitalkonto II konnte mit einer Frist von drei Jahren zum Schluß eines Geschäftsjahres gekündigt werden. Gekündigte Beträge wurden in sechs gleichen Jahresraten jeweils zum Schluß des Geschäftsjahres zurückgezahlt.

Der Gesellschafter B schloß am 18. Januar 1969 mit der Klägerin zwei gleichlautende Darlehensverträge. In den Verträgen heißt es:

"1. Der Darlehensgeber 'B' gewährt dem Darlehensnehmer '(Klägerin)' ein Darlehen von 30 000 DM. Die Darlehensvaluta wird dadurch geleistet, daß ein Betrag von 30 000 DM von dem bei dem Darlehensnehmer für den Darlehensgeber geführten Kapitalkonto II auf das Darlehenskonto umgebucht wird....

2. Das Darlehen wird ohne Sicherheiten gewährt. Es ist jährlich nachträglich mit 7 v. H. zu verzinsen....

3. Der Darlehensgeber verpflichtet sich, die Darlehensforderung zur Besicherung von Krediten, die der Darlehensnehmer aufgenommen hat, an Kreditgeber des Darlehensnehmers sicherungshalber abzutreten.

4. Das Darlehen kann von beiden Seiten mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31. Dezember 1985 gekündigt werden. Wird es gekündigt, so kann die Darlehensnehmerin verlangen, daß sie die Darlehensschuld in bis zu sechs gleichen Halbjahresraten zurückzahlen darf, von denen die erste sechs Monate, die letzte 36 Monate nach Wirksamwerden der Kündigung fällig werden...."

Am 12. Februar 1969 trat B die Rechte aus den Darlehensverträgen seinen damals vier und fünf Jahre alten Söhnen E und F schenkweise ab. Die Söhne verpflichteten sich, die Darlehensforderungen gemäß dem Darlehensvertrag sicherungshalber an die Bank T abzutreten. Die Kinder waren bei diesem Rechtsgeschäft durch den vormundschaftsgerichtlich bestellten Pfleger, den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, vertreten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die von der Klägerin den beiden Kindern gezahlten Zinsen nicht als Betriebsausgaben an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung ab:

Die Darlehens-, Schenkungs- und Abtretungsverträge vom Januar/Februar 1969 hätten die Wirtschaftswirklichkeit nicht verändert. Trotz Abtretung der Forderungen an die gesellschaftsfremden E und F hätten die Darlehensverträge der Klägerin weiterhin eine kapitalgleiche Nutzung ermöglicht. Die Klägerin habe nach ihren eigenen Erklärungen wegen ihrer unzureichenden Kapitalausstattung das Geld an den Betrieb binden müssen.

Die Klägerin rügt mit der vom FG zugelassenen Revision Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Sie beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die vom FA für die Streitjahre festgestellten Gewinne um 4 200 DM (1969), 4 463,68 DM (1970) und 4 399,76 DM (1971) herabzusetzen und den Verlust 1972 um 4 818,20 DM zu erhöhen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur anderweitigen Feststellung der Gewinne. Die Darlehenszinsen können nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Betriebsausgaben abgezogen werden.

I. Soweit die Klägerin rügt, im Urteil des FG seien Tatsachen nicht berücksichtigt worden, die sich aus den Akten ergäben und die ihr Prozeßbevollmächtigter in seinem mündlichen Vortrag vor dem FG vorgetragen habe, greift die Verfahrensrüge nicht durch. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG -).

II. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß für den Abschluß der Darlehens-, Schenkungs- und Abtretungsverträge vom 18. Januar/12. Februar 1969 - und damit auch für die Zahlung der Darlehenszinsen - keine betrieblichen, sondern private Gründe maßgeblich gewesen sind, die einen Abzug der Zinsen als Betriebsausgaben nach § 12 Nr. 2 EStG nicht gestatten.

1. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist seit langem anerkannt, daß Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen nur dann einkommensteuerrechtlich wie Verträge zwischen fremden Personen zu berücksichtigen sind, wenn sie auch inhaltlich - unabhängig von ihrem möglicherweise zwischen Fremden nicht üblichen Entstehungsgrund (Schenkung als Rechtsgrund) - den zwischen fremden Personen üblichen Verträgen entsprechen (vgl. z. B. zur schenkweise begründeten Mitunternehmerschaft Urteile vom 8. Februar 1979 IV R 163/76, BFHE 127, 188, BStBl II 1979, 405 ; vom 3. Mai 1979 IV R 153/78, BFHE 127, 538, BStBl II 1979, 515 ; vom 5. Juli 1979 IV R 27/76, BFHE 128, 375, BStBl II 1979, 670 ; zur typisch stillen Beteiligung Urteile vom 20. Februar 1975 IV R 62/74, BFHE 115, 232, BStBl II 1975, 569 ; vom 19. Dezember 1979 I R 176/77, BFHE 129, 475, BStBl II 1980, 242 ; zu Darlehen Urteile vom 16. März 1977 I R 213/74, BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414 ; vom 25. Januar 1979 IV R 34/76, BFHE 127, 364, BStBl II 1979, 434 ; vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449 ; vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555 ).

2. Der Gesellschafter B hat die Darlehensforderungen an die Klägerin aufgrund der Verträge vom 18. Januar 1969 seinen Söhnen durch die Vereinbarungen vom 12. Februar 1969 wirksam geschenkt und abgetreten.

Voraussetzung einer Schenkung ist nach § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), daß jemand einen anderen durch die Zuwendung aus seinem Vermögen bereichert. Dies setzt eine "Vermögensverschiebung" in der Weise voraus, daß sich ein Rechtssubjekt zum Vorteil eines anderen eines Vermögensbestandteils tatsächlich und rechtlich entäußert (Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 516 Rdnr. 3; s. auch Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 516 Rdnr. 2). Dieser vermögensrechtliche Charakter der Schenkung erfordert es, daß sie auf seiten des Empfängers eine endgültige und materielle, nicht nur vorübergehende oder formale Vermögensmehrung zum Gegenstand hat (Soergel/Siebert, a. a. O., § 516 Rdnr. 27 im Anschluß an Knobbe-Keuk in Festschrift für Werner Flume, Bd. II, Köln 1978 S. 149 ff., die S. 155 bis 157, 160 darauf abstellt, daß der Erwerb des Empfängers der Zuwendung ein endgültiger sein muß; BFH-Urteil vom 10. April 1984 VIII R 134/81, BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705 ).

Aufgrund der Vereinbarungen vom 12. Februar 1969 ist bei dem Vater B eine endgültige Entreicherung und bei den Kindern eine endgültige Bereicherung eingetreten. Die Kinder haben nicht nur eine vorübergehende oder formale, sondern eine endgültige und materielle Vermögensmehrung erlangt, denn der Vater hat sich durch die Vereinbarungen vom 12. Februar 1969 aller Rechte entäußert, die ihm aus den Darlehensverträgen vom 18. Januar 1969 zustanden.

Die Kinder waren zwar in der Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber der Klägerin beschränkt. Sie konnten das Darlehen mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31. Dezember 1985 kündigen. Die Klägerin als Darlehensnehmerin konnte im Fall einer Kündigung verlangen, daß sie die Darlehensschuld in bis zu sechs gleichen Halbjahresraten zurückzahlen darf, von denen die erste sechs Monate, die letzte 36 Monate nach Wirksamwerden der Kündigung fällig werden. Diese Beschränkungen stehen der Annahme einer endgültigen Vermögensmehrung bei den Kindern nicht entgegen, denn sie haben durch die mit ihrem Vater getroffenen Vereinbarungen die Rechtsposition, die dem Vater zustand, in vollem Umfang erlangt. Mit der Abtretung der Darlehensforderungen ist die Schenkung bewirkt.

3. Die Darlehensforderungen der Kinder gehören bei der Klägerin nicht zum Eigenkapital.

a) Die Auslegung der vertraglichen Bindungen zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter B ergibt nach Auffassung des Senats, daß die auf dem Kapitalkonto II verbuchten Beträge nicht als Kapitalbeteiligung des Gesellschafters B, sondern als Darlehen zu werten sind. Die Parteien haben das Konto zwar als "Kapitalkonto II" bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nicht um ein Kapitalkonto, sondern um ein Sammelkonto mit Darlehenscharakter, auf dem Darlehenskonten, Privatkonten und andere Sonderkonten der Gesellschafter zusammengefaßt waren. In diesem Punkt unterscheidet sich der Streitfall von dem mit dem nicht veröffentlichten Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 224/75 entschiedenen Fall, bei dem die Darlehenssumme nicht von einem Darlehenskonto des Gesellschafters, sondern von dem Kapitalkonto des Gesellschafters auf ein Darlehenskonto des Beschenkten umgebucht wurde.

b) Nach § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb neben den Gewinnanteilen der Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft auch "die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen" bezogen hat. Aus dieser Vorschrift folgert die Rechtsprechung seit langem, daß Darlehensverbindlichkeiten einer Personengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern, die aus der Hingabe von Darlehen i. S. von § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG herrühren, einkommensteuerrechtlich - jedenfalls in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft - Eigenkapital darstellen und demgemäß die Hingabe der Darlehensvaluta als Einlage und die Rückzahlung der Darlehenssumme als Entnahme zu beurteilen sind (z. B. BFH-Urteile vom 8. Januar 1975 I R 142/72, BFHE 115, 37, 40, BStBl II 1975, 437 ; vom 11. Dezember 1980 IV R 91/77, BFHE 132, 442, BStBl II 1981, 422 ).

Diese Verwandlung des Darlehens in Eigenkapital hält jedoch nur so lange an, als ein Gesellschafter Inhaber des Anspruchs auf Rückgewähr des Darlehens ist. Sie ist beendet, wenn der Anspruch, wie im Streitfall, an eine Person schenkweise abgetreten wird, die an der Klägerin gesellschaftsrechtlich nicht beteiligt ist (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 I R 234/70, BFHE 107, 375, BStBl II 1973, 116 ). Das gilt entgegen der Auffassung des FA auch dann, wenn das Darlehen seine Grundlage zwar im Gesellschaftsverhältnis hat, aber ein selbständiger Darlehensvertrag geschlossen worden ist, der unmittelbar den gesetzlichen Bestimmungen über das Darlehen unterliegt.

4. Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu der unter Nr. 1 angeführten Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung von Vereinbarungen unter Familienangehörigen.

Der Betriebsausgabencharakter der Zinsen kann im Streitfall nicht deshalb verneint werden, weil das Darlehen der Klägerin ohne Gewährung von Sicherheiten gegeben wurde und weil die vertragliche Verpflichtung bestand, die Darlehensforderung zur Besicherung von Krediten des Darlehensnehmers an Kreditgeber des Darlehensnehmers sicherungshalber abzutreten. Derartige Vertragsgestaltungen sind allerdings unter Fremden nicht üblich. Dies führt jedoch nicht zur Versagung des Abzuges der Zinsen als Betriebsausgaben, denn die Kinder des Gesellschafters B hatten nicht mehr die Möglichkeit, die Vereinbarungen über die Gewährung des Darlehens anders zu gestalten. Die Kinder haben - anders als in den sonst entschiedenen Fällen - keinen Darlehensvertrag geschlossen, sondern sind vielmehr lediglich in die zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter B bestehenden Darlehensverträge eingetreten.

5. Bedenken gegen den Abzug der Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben können auch nicht aus anderen Gründen hergeleitet werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Vereinbarungen vom 12. Februar 1969 zwischen dem Gesellschafter B und seinen Kindern, die durch einen Ergänzungspfleger vertreten waren, bürgerlich-rechtlich unwirksam sind und deshalb steuerrechtlich nicht anerkannt werden dürfen. Die Höhe des vereinbarten Zinssatzes kann nicht als unangemessen beanstandet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426109

BStBl II 1985, 243

BFHE 1985, 28

NJW 1985, 1111

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