Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Provisionsforderungen der Handelsvertreter und Provisionsschulden der Geschäftsherrn entstehen, falls nicht abweichende Vereinbarungen vorliegen, mit der Ausführung des Lieferungsgeschäfts.

An der vom Reichsfinanzhof in dem Urteil III 129/41 U vom 19. Februar 1942 (Reichssteuerblatt 1942 S. 355) vertretenen, entgegengesetzten Rechtsauffassung, die in die VStR 1953 Abschnitt 43 Abs. 1 übernommen worden ist, hält der Senat nicht fest.

 

Normenkette

BewG §§ 4, 6, 62 Abs. 1, § 103/1

 

Tatbestand

Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, zunächst ohne mündliche Verhandlung durch Vorbescheid gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) zu erkennen. Es handelt sich um den Abzug einer Provisionsschuld gegenüber der Firma H aus bestätigten aber noch nicht durchgeführten Aufträgen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. Januar 1953. Die Bfin. beruft sich für die Zulässigkeit des Abzugs auf Abschn. 43 Abs. 1 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 I S. 439 ff.) und das dort angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs III 129/41 U vom 19. Februar 1942 (Reichssteuerblatt 1942 S. 355). Die Versagung des geltend gemachten Abzugs sei um so unverständlicher, als sowohl die Betriebsprüfer als auch die Finanzämter mit Zustimmung des Vermögensteuer-Referenten der Oberfinanzdirektion bei den Vertreterfirmen die Provisionsforderungen aus bestätigten, aber noch nicht zur Ausführung gelangten Aufträgen zur Vermögensteuer heranzögen. Die Sprungberufung der Bfin. gegen den Einheitswertbescheid wurde zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts ist im wesentlichen wie folgt begründet: Das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. Februar 1942 betreffe einen Fall, in dem die Provision dem Vertreter bei Eingang des Auftrags gutgeschrieben worden sei. Im Streitfall sei dies nicht geschehen. Demgemäß sei das bezeichnete Urteil des Reichsfinanzhofs hier nicht anwendbar. Es erübrige sich daher eine Prüfung, ob den Rechtsgrundsätzen dieses Urteils gefolgt werden könne. Die Provisionsansprüche der Firma H seien in Ermangelung besonderer Vereinbarungen erst mit der Durchführung des Auftrags durch die Bfin. entstanden. Vorher - hier am Stichtag 1. Januar 1953 - seien nur aufschiebend bedingte Provisionsforderungen vorhanden gewesen. Entsprechend sei auch die Provisionsschuld der Bfin. am Stichtag nur aufschiebend bedingt gewesen. Nach § 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) seien aufschiebend bedingte Lasten nicht zu berücksichtigen. Im übrigen stehe auch § 62 Abs. 1 BewG dem Schuldabzug entgegen, da der erforderliche Zusammenhang zwischen Provisionsschuld und gewerblichem Betrieb der Bfin. fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin. Sie rügt Rechtsirrtümer.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.

Der Bfin. ist zuzugeben, daß das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. Februar 1942 und Abschn. 43 Abs. 1 VStR 1953 zu ihren Gunsten sprechen. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß das bezeichnete Urteil einen anderen Sachverhalt betreffe und daher im Streitfall keine Anwendung finden könne, trifft nicht zu. Das Urteil hat ausgesprochen, daß nach der Bestätigung eines Auftrags eine auflösend bedingte Provisionsschuld des Geschäftsherrn vorliege. Diese Rechtsauffassung würde, wenn ihr zu folgen wäre, auch im Streitfall von entscheidender Bedeutung sein. Auf den Zeitpunkt der Gutschrift der Provisionsforderung kommt es nach diesem Urteil nicht maßgebend an. Indessen vermag sich der Senat dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. Februar 1942 nicht anzuschließen. Am Stichtag war das Gesetz zur änderung des Handelsgesetzbuchs vom 6. August 1953 (Bundesgesetzblatt 1953 I S. 771) noch nicht in Kraft getreten. Maßgebend war § 88 des bisher geltenden Handelsgesetzbuchs. Danach ist regelmäßig Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruchs des Handelsvertreters, daß das Geschäft durch seine Tätigkeit zustande gekommen und zur Ausführung gelangt ist. Für Verkaufsagenten gehört der Eingang der Zahlung zur Ausführung des Geschäfts. Erst dann ist der Provisionsanspruch entstanden. Die Ausführung des Geschäfts bedeutet also nicht den Zeitpunkt der Fälligkeit, sondern ist Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs. Vorher ist der Anspruch nur in (aufschiebend) bedingter Form entstanden. Er wird unbedingt mit dem Eintritt der Bedingung, d. h. mit der Ausführung des Geschäfts (Staub-Bondi, § 88 Anm. 2 a, 4). Abweichende Vereinbarungen zwischen der Bfin. und der Firma H über die Entstehung des Provisionsanspruchs sind nicht getroffen worden. Auch nach § 87 a des Handelsgesetzbuchs in der Fassung des änderungsgesetzes vom 6. August 1953 ist vor Ausführung des Auftrags nur ein aufschiebend bedingter Provisionsanspruch des Vertreters vorhanden (Würdinger in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum Handelsgesetzbuch § 87 a Einl.). Die abweichende Auffassung des Reichsfinanzhofs, daß bereits vom Zeitpunkt der Auftragsbestätigung ab ein auflösend bedingter (oder sogar unbedingter) Provisionsanspruch vorläge, steht mit der nach Handelsrecht gegebenen Rechtslage nicht im Einklang. Das Urteil des Reichsfinanzhofs hat sich mit dieser Rechtslage nicht auseinandergesetzt. Maßgebend für den Reichsfinanzhof war die Erwägung, es müsse davon ausgegangen werden, daß die Reisenden der Steuerpflichtigen es mit ihren Berufspflichten ernst nähmen und nur solche Aufträge hereinbrächten, mit deren beiderseitiger Erfüllung bestimmt gerechnet werden könne. Unter solchen Umständen werde im kaufmännischen Verkehr die Provision mit Eingang des Auftrags als vom Reisenden durch Erfüllung der ihm obliegenden Vertragsleistung verdient und als vom Geschäftsherrn geschuldet angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erwägungen überhaupt allgemein zutreffen. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtslage ist jedenfalls, daß eine vom klaren Wortlaut des Handelsgesetzbuchs abweichende Regelung über die Entstehung des Provisionsanspruchs bzw. der Provisionsschuld grundsätzlich nur anerkannt werden kann, wenn sie in einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Geschäftsherrn und Vertreter ihren Niederschlag gefunden hat. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Infolgedessen lag am Stichtag nur eine aufschiebend bedingte Provisionsschuld der Bfin. vor, deren Berücksichtigung nach § 6 BewG nicht erfolgen konnte. Auch war an diesem Stichtag nur eine aufschiebend bedingte Forderung der Firma H gegen die Bfin. vorhanden. Auch die im Steuerrecht geltende wirtschaftliche Betrachtungsweise rechtfertigt keine vom Handelsrecht abweichende Entscheidung. Der Vorentscheidung war daher insoweit beizutreten. Der weiteren hilfsweisen Begründung des Finanzgerichts, daß der Abzug einer Provisionsschuld auch nach § 62 Abs. 1 BewG unzulässig sei, weil es an einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Schuld und Betriebsvermögen fehle, kann dagegen nicht gefolgt werden. Auf die zur Einkommensteuer ergangenen Urteile des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs, die sich mit der Aktivierung des Provisionsanspruchs beim Handelsvertreter bzw. der Passivierung der Provisionsschuld beim Geschäftsherrn befassen (Urteile des Reichsfinanzhofs VI 298/41 vom 18. März 1942, Reichssteuerblatt 1942 S. 562; VI 318/42 vom 24. März 1943, Reichssteuerblatt 1943 S. 449, und des Bundesfinanzhofs I 135/53 S vom 12- März 1954, Slg. Bd. 58 S. 624, BStBl 1954 III S. 149, IV 515/53 U vom 18. März 1954, Slg. Bd. 58 S. 644, BStBl 1954 III S. 157, sowie I 79/53 U vom 21. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S. 646, BStBl 1953 III S. 247) braucht hier nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408707

BStBl III 1957, 182

BFHE 64, 487

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