Entscheidungsstichwort (Thema)

AfA-Befugnis bei Nießbrauchsbestellung anläßlich der Ehescheidung

 

Leitsatz (NV)

Räumt der Ehemann im Zuge der Scheidung der bisherigen Ehefrau den lebenslänglichen Nießbrauch an seinem Einfamilienhaus ein, das er anschließend der gemeinsamen Tochten schenkt, so kann die Nießbraucherin weder Gebäude-AfA noch erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG sowie für früher vom Ehemann vorgenommenen Modernisierungsaufwand in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

StAnpG § 11 Nr. 4; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG 1974 § 7 Abs. 1, 4, § 9 Abs. 1 Nr. 7, §§ 7b, 21 Abs. 1-2; EStDV 1974 §§ 11d, 82a

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Im Dezember 1973 hatte der Vater der Klägerin (Kl.in) seiner Ehefrau, der Mutter der Kl.in, im Zuge eines Scheidungsverfahrens den lebenslänglichen Nießbrauch - unter der auflösenden Bedingung der Wiederverheiratung - an einem Grundstück mit einem Einfamilienhaus eingeräumt. Anschließend - am selben Tage - schenkte er der Kl.in das Grundstück. Die Kl.in übernahm den zugunsten der Mutter bestellten Nießbrauch. Unkosten durch außergewöhnliche Aufwendungen oder Instandsetzungen bzw. Erneuerungen sollte die Nießbraucherin tragen.

Im Zuge der ESt-Veranlagung für das Jahr 1974, das Streitjahr, setzte die Mutter einen pauschalen Nutzungswert des Hauses in Höhe von 1,4 v. H. von 2/3 des Einheitswerts an und erklärte außerdem Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Als Werbungskosten machte sie außer laufenden Aufwendungen Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG sowie für 1967 erfolgte Ausbauten erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG und § 82 a geltend. Das FA folgte dem insoweit nicht, als es den Abzug der AfA und erhöhten Absetzungen versagte, weil diese der Eigentümerin zuständen. Während der Einspruch der Mutter erfolglos blieb, gab das FG ihrer Klage statt. Denn die Mutter sei als wirtschaftliche Eigentümerin zur Inanspruchnahme der AfA berechtigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des FG-Urteils und Klageabweisung.

Der Mutter der Kl.in standen keine Gebäude-AfA und erhöhten Absetzungen zu, weil sie weder Eigentümerin des Grundstücks gewesen ist noch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes sowie die Herstellungskosten des Ausbaues und des Modernisierungsaufwandes getragen hat.

Werbungskosten kann bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur abziehen, wer den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht. Die Geltendmachung von AfA sowie erhöhten Absetzungen setzt außerdem voraus, daß der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts getragen hat (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 28. 7. 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380) oder unentgeltlich Rechtsnachfolger dessen geworden ist, der die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.

Soweit die Mutter der Kl.in das Gebäude selbst bewohnt hat, war ihr dessen Nutzungswert nicht nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zuzurechnen. § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG knüpft an das Eigentum am Hause bzw. beim Vorbehaltsnießbrauch an die frühere Eigentümerstellung an. Die Mutter war als Nießbraucherin weder bürgerlich-rechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks. Der Nießbraucher ist nach ständiger Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat beitritt, auch dann nicht wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er - wie hier - alle mit der Grundstücksnutzung zusammenhängenden Unkosten zu tragen hat (vgl. BFH-Urteile vom 28. 7. 1981 VIII R 141/77, BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454, und vom 7. 12. 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627, m.w.N.). Die Mutter nutzte das Grundstück auch nicht vergleichbar einem Eigentümer aufgrund eines vorbehaltenen Nießbrauchs (Urteil in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Denn es handelt sich um die Vereinbarung eines Zuwendungsnießbrauchs, der dem Vorbehaltsnießbrauch nach ständiger Rechtsprechung nicht gleichzustellen ist (Urteil in BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454).

Der Mutter war der Nutzungswert der Wohnung vielmehr nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen. Sie nutzte im Streitjahr 1974 eine ihr durch die Klägerin - als Eigentümerin - unentgeltlich überlassene Wohnung (vgl. BFH-Urteile vom 29. 11. 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366, und VIII R 184/83, BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371). Es bedarf keiner Stellungnahme zu der Frage, ob die im Jahr 1973 vorhergegangene Einräumung des Nießbrauchs durch den Vater der Klägerin im Hinblick auf die Abgeltung des Unterhaltsanspruchs der Mutter eine entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung i. S. des § 21 Abs. 2 EStG bildete. Denn die Klägerin ist aufgrund der Schenkung des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks dessen Eigentümerin geworden, ohne zur Unterhaltsgewährung an die Mutter verpflichtet zu sein. Im übrigen hat der BFH im Urteil in BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371, 373 (Ziff. 2 b am Ende) ausgesprochen, daß es für die Anwendung des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG unerheblich ist, ob eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht.

Hinsichtlich des vermieteten Teils des Einfamilienhauses waren der Mutter die Mieteinnahmen nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen.

Den noch strittigen AfA nach § 7 Abs. 4 EStG sowie erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 2 EStG und § 82 a EStDV liegen Aufwendungen zugrunde, die unstreitig nicht die Mutter, sondern der Vater als früherer Eigentümer getragen hat. Das FG hat der Mutter zu Unrecht die Absetzungsbefugnis als wirtschaftliche Grundstückseigentümerin zugebilligt. Nach der neueren BFH-Rechtsprechung kommt es für die Geltendmachung der AfA entscheidend darauf an, ob der Vermieter i. S. des § 21 Abs. 1 EStG oder Wohnungsnutzer i. S. des § 21 Abs. 2 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts getragen hat. Deshalb steht dem Vorbehaltsnießbraucher die AfA-Befugnis zu (vgl. BFH-Urteile vom 28. 7. 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378, und in BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380, sowie in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch, wie ausgeführt, um einen dem Vorbehaltsnießbrauch nicht gleichzustellenden Zuwendungsnießbrauch zugunsten der Mutter. War diese nicht Eigentümerin des Grundstücks, konnte sie auch keine Gebäude-AfA und erhöhten Absetzungen von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers (§ 11 d EStDV) vornehmen (Urteil in BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454, 455).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413744

BFH/NV 1986, 149

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