Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinder i.S. der Steuerermäßigung nach § 34f EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Steuerermäßigung nach § 34f EStG können nur die Kinder berücksichtigt werden, die im jeweiligen Veranlagungszeitraum den einkommensteuerrechtlichen Kindbegriff erfüllen.

 

Orientierungssatz

1. Ausführungen zum in der Vorschrift des § 34f EStG zum Ausdruck gekommenen Gesetzeszweck.

2. Bei mehreren möglichen Auslegungen des Gesetzeswortlauts ist derjenigen der Vorzug zu geben, die dem im Wortlaut des Gesetzes in seinem Sinnzusammenhang ausgedrückten Gesetzeszweck entspricht. Steuerbegünstigungsvorschriften sind unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Zwecks auszulegen; es darf jedoch kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG 1983 § 34f Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, sind Miteigentümer eines im Jahre 1983 angeschafften Zweifamilienhauses, in dem sie eine Wohnung bewohnen und für das sie erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch nehmen. Von ihren drei Kindern studierten die beiden 1960 und 1965 geborenen im Streitjahr 1985 auswärts; die 1962 geborene Tochter S hatte 1984 ihre Ausbildung beendet, eine Arbeit außerhalb des Wohnortes ihrer Eltern aufgenommen und war weggezogen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte den Klägern bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1985 die von ihnen für zwei Kinder beantragte Ermäßigung nach § 34f EStG nur für ein Kind. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, für die Gewährung der Ermäßigung nach § 34f EStG reiche es aus, daß das Kind im Begünstigungszeitraum zu den Kindern i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1, Abs.5 bis 7 EStG gehöre. Zwar spreche der Wortlaut des § 34f EStG mehr für die Auffassung,daß es ausreiche, wenn die Haushaltszugehörigkeit im Begünstigungszeitraum einmal gegeben gewesen sei. Die Beschränkung auf das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit wäre jedoch nicht sachgerecht. Der Gesetzgeber habe durch den Relativsatz in § 34f Satz 2 Nr.2 EStG anerkannt, daß es ihm nicht ausschließlich auf die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum angekommen sei. Vielmehr habe die einmal getroffene Investitionsentscheidung über die später eingetretene Veränderung hinaus die Steuer mindern sollen. Fälle, in denen trotz fortbestehender Kindeigenschaft eine Haushaltszugehörigkeit nicht mehr bestehe, seien so selten, daß sie eine besondere gesetzliche Berücksichtigung nicht rechtfertigten. Deshalb sei die Fortschreibung der einmal im Begünstigungszeitraum gegebenen Verhältnisse auf die Kindeigenschaft zu erstrecken.

Mit der Revision rügt das FA sinngemäß Verletzung des § 34f EStG. Die Vorschrift sei nach ihrem Wortlaut dahin auszulegen, daß nur die Kinder zu berücksichtigen seien, die im jeweiligen Veranlagungszeitraum den einkommensteuerrechtlichen Kindbegriff erfüllten. Nur diese Auslegung entspreche dem im Einkommensteuerrecht herrschenden Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (vgl. § 25 EStG).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen (BMF) führt aus, die Auslegung durch die Finanzverwaltung, daß Kinder für die Anwendung des § 34f EStG beim Steuerpflichtigen nur zu berücksichtigen seien, wenn sie im jeweiligen Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllten (Abschn.213a Abs.5 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--), stütze sich auf den Wortlaut der Vorschrift. Die unterschiedliche Formulierung "um Kinder... handelt, die zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören oder in dem... maßgebenden Begünstigungszeitraum gehört haben" lasse sich nur dahin verstehen, daß der Wegfall der Haushaltszugehörigkeit im Laufe des Begünstigungszeitraums unschädlich sein solle, nicht aber der Wegfall der Kindeigenschaft. Der wortlautgemäßen Auslegung lasse sich nicht entgegenhalten, daß Fälle, in denen trotz fortbestehender Kindeigenschaft die Haushaltszugehörigkeit nicht mehr bestehe, zu selten seien, um eine besondere Regelung zu rechtfertigen. Zu denken sei außer an die Fälle der Kinder geschiedener Eltern, die aus dem Haushalt des einen Elternteils in den des anderen überwechselten, auch an die nicht seltenen Fälle, daß für ein Kind i.S. des § 32 EStG, das zu Beginn des Begünstigungszeitraums dem elterlichen Haushalt angehört habe, während des Begünstigungszeitraums zwecks Ausbildung eine Wohnung außerhalb des elterlichen Wohnsitzes begründet werde. Die Voraussetzungen der Haushaltszugehörigkeit lägen dann nicht mehr vor. Die unterschiedliche Bedeutung, die das Gesetz der Haushaltszugehörigkeit und der Kindeigenschaft beimesse, sei auch sinnvoll. Bei weggefallener Haushaltszugehörigkeit und bestehenbleibender Kindeigenschaft blieben die Eltern dem Kind, das sich regelmäßig in einem Ausbildungsverhältnis befinde, unterhaltspflichtig. Falle dagegen die Kindeigenschaft weg, so entfalle trotz bestehenbleibender Haushaltszugehörigkeit bei typischer Betrachtungsweise die Unterhaltspflicht der Eltern. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich als Zweck der Vorschrift, Wohneigentum von Steuerpflichtigen mit mindestens zwei Kindern zu fördern. Diesem Zweck entspreche die wortlautgemäße Auslegung der Vorschrift.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie § 34f EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung verletzt. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich bei Steuerpflichtigen, die erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG in Anspruch nehmen, die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um je 600 DM für das zweite und jedes weitere Kind des Steuerpflichtigen oder seines Ehegatten. Voraussetzung ist außer der --vorliegend gegebenen-- Nutzung eines begünstigten Objekts zu eigenen Wohnzwecken durch den Steuerpflichtigen (Satz 2 Nr.1 der Vorschrift), daß es sich einschließlich des ersten Kindes um Kinder i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1, Abs.5 bis 7 EStG handelt, die zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören oder in dem für die erhöhten Absetzungen maßgebenden Begünstigungszeitraum gehört haben, wenn diese Zugehörigkeit auf Dauer angelegt ist oder war (Satz 2 Nr.2 der Vorschrift). Der mögliche Wortsinn dieser Regelung ist nicht eindeutig. In der Literatur wird er nach einer Meinung dahin verstanden, daß die Kindeigenschaft i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1, Abs.5 bis 7 EStG im maßgeblichen Veranlagungszeitraum gegeben sein muß (vgl. Frost, § 34f Anm.17 in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz; Hennemann, Betriebs-Berater --BB-- 1983, 372; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34f EStG Anm.42; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 34f EStG Rdnr.36; Richter/Winter, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1982, 344; Schoor, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1983, 391; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34f Rz.33). Nach der anderen Ansicht bezieht sich der Relativsatz in Satz 2 Nr.2 auch auf die Kindschaftsverhältnisse mit der Folge, daß die Kinder auch weiterhin zu berücksichtigen sind, die zu Beginn des Begünstigungszeitraums den einkommensteuerrechtlichen Kindbegriff erfüllt haben und auf Dauer angelegt haushaltszugehörig gewesen sind (vgl. Boeker in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34f Anm.17; Horlemann, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1982, 223, 227; Krudewig, BB 1982, 730; Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 34f Anm.4 a).

Der erkennende Senat schließt sich der erstgenannten Meinung an. Er geht dabei von den für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift geltenden Grundsätzen aus. Danach ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Bei mehreren möglichen Auslegungen des Gesetzeswortlauts ist derjenigen der Vorzug zu geben, die dem im Wortlaut des Gesetzes in seinem Sinnzusammenhang ausgedrückten Gesetzeszweck entspricht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Mai 1987 IV R 150/84, BFHE 150, 130, BStBl II 1987, 670 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Steuerbegünstigungsvorschriften sind unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Zwecks auszulegen; es darf jedoch kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 20.März 1984 IX R 104/82, BFHE 141, 241, BStBl II 1984, 659 mit weiteren Hinweisen).

Die Wortfassung "um Kinder... handelt" im Unterschied zu den im Relativsatz verwendeten zwei Zeitformen "zum Haushalt ... gehören oder ... gehört haben" bzw. "auf Dauer angelegt ist oder war", spricht dafür, daß die Kindeigenschaft im jeweiligen Veranlagungszeitraum gegeben sein muß; denn, um auszudrücken, daß auch der Wegfall der Kindeigenschaft unschädlich ist, hätte es nach den Regeln der Grammatik "um Kinder ... handelt oder gehandelt hat" heißen müssen. Dieser "grammatikalischen" Auslegung gebührt schon deshalb Vorrang, weil sie in Einklang mit der durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bedingten Systematik des EStG steht, wonach für die Gewährung kindbedingter Steuervergünstigungen die Voraussetzungen des einkommensteuerrechtlichen Kindbegriffs in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum erfüllt sein müssen. Sie entspricht auch dem in der Vorschrift zum Ausdruck gekommenen Gesetzeszweck.

Zweck des § 34f EStG ist es, Familien mit Kindern, die wegen der Kinder einen erhöhten Wohnbedarf haben, bei der Anschaffung bzw. Herstellung von Wohneigentum zu begünstigen. Die Vorschrift ist durch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz vom 22.Dezember 1981 eingefügt worden. Sie geht auf den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft zurück (BTDrucks 9/843). Ziel dieses Entwurfs war es, die steuerlichen Regelungen für den Baubereich --insbesondere für den Wohnungsbau-- wirksamer zu gestalten, um die private Bautätigkeit zu stärken und die Baunachfrage zu beleben. Durch die Einführung der Steuerermäßigung des § 34f EStG sollten Steuerpflichtige mit zwei oder mehr Kindern einen zusätzlichen Anreiz zum Erwerb von Wohneigentum erhalten (vgl. BTDrucks 9/843, S.10). Die gesetzgeberische Absicht mag den Schluß nahelegen, daß für die Dauer des Begünstigungszeitraums die Kinder zu berücksichtigen sind, die die Investitionsentscheidung beeinflußt haben. Dies hat in der Vorschrift jedoch keinen hinreichend deutlichen Ausdruck gefunden. Dafür spricht zwar das Erfordernis der auf Dauer angelegten Haushaltszugehörigkeit; denn es bedeutet, daß ein durch die Kinder erhöhter Wohnbedarf bestehen muß. Entgegen steht aber, daß nach der --insoweit klaren-- Fassung des Gesetzes die Steuerermäßigung nicht auf die Kinder beschränkt ist, deren Wohnbedarf für den Erwerb des Wohneigentums mitbestimmend war; denn es werden alle im Laufe des Begünstigungszeitraums haushaltszugehörigen Kinder berücksichtigt. Hieraus ergibt sich, daß § 34f EStG --wie alle übrigen kindbedingten Steuervergünstigungen-- der durch den Unterhalt der Kinder eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung tragen soll. Im Hinblick auf diese Zielsetzung kann nicht angenommen werden, daß unabhängig vom Weiterbestehen der Kindeigenschaft während des Begünstigungszeitraums auch die Kinder berücksichtigt werden sollen, die die Investitionsentscheidung mitbestimmt haben; denn das EStG geht typisierend davon aus, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen steigt, sobald ein Kind nicht mehr die Voraussetzungen des einkommensteuerrechtlichen Kindbegriffs erfüllt. Aus diesem Grund ist trotz der weiter bestehenden finanziellen Belastung durch den Erwerb des Wohneigentums eine weitere Begünstigung nach Wegfall der Kindeigenschaft nicht veranlaßt.

Im übrigen sprechen auch folgende Erwägungen dagegen, Kinder, die die Investitionsentscheidung mitbestimmt haben, unabhängig von ihrer Kindeigenschaft im jeweiligen Veranlagungszeitraum während des Begünstigungszeitraums zu berücksichtigen. So bestimmen häufig noch nicht geborene Kinder die Investitionsentscheidung mit. Diese sind aber erst nach ihrer Geburt berücksichtigungsfähig. Andererseits müßten Kinder, die nach der Investitionsentscheidung sterben, weiterhin berücksichtigt werden.

Das gefundene Ergebnis beschränkt --entgegen der Auffassung des FG-- den Anwendungsbereich des § 34f Satz 2 Nr.2 Alternative 2 EStG nicht auf einige Ausnahmefälle, die keiner besonderen Regelung bedurft hätten. In der heutigen Zeit bleibt häufig die Kindeigenschaft, nicht aber die Haushaltszugehörigkeit bestehen, wenn Kinder während ihrer Ausbildung nicht nur vorübergehend eine eigene Wohnung beziehen (vgl. zum Begriff der Haushaltszugehörigkeit BFH-Beschluß vom 24.Oktober 1980 VI B 78/80, BFHE 131, 514, BStBl II 1981, 54).

Nach den vorgenannten Grundsätzen hat das FA den Klägern zu Recht die Steuerermäßigung nach § 34f EStG nur für ein Kind gewährt; denn die 1962 geborene Tochter S erfüllte im Streitjahr nicht mehr den einkommensteuerrechtlichen Kindbegriff. Die Klage war danach abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62952

BFH/NV 1990, 19

BStBl II 1990, 216

BFHE 159, 146

BFHE 1990, 146

BB 1990, 1115

BB 1990, 1115-1117 (LT)

DB 1990, 511-512 (LT)

HFR 1990, 299 (LT)

StE 1990, 87 (K)

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